# taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Wahn und Schmodder
       
       > Breaking News im „Zeit“-Feuilleton: Die Welt ist kompliziert. Und im
       > Internet gibt es gleichzeitig Feministinnen und krasse Pornos.
       
 (IMG) Bild: Ein bisschen Ordnung in einer chaotischen Welt.
       
       Okay, ich muss mich korrigieren. Letzten Winter wünschte ich mir noch,
       [1][ein alter, dicker Mann zu sein], nur für eine Woche. Heute muss ich
       sagen: nee. Ich möchte lieber nicht. Wenn es irgendeine noch so kleine
       Chance gibt, dass ich bei diesem Versuch ein etwa 60-jähriger
       Zeit-Feuilletonist werde, möchte ich lieber nicht.
       
       Es muss so hart sein. Diese Angst. Diese Leere. Wo man früher noch jeden
       Morgen die Sekretärin mit „Hallo Fräulein, geile Titten“ grüßte, ist heute
       eisiges Schweigen. Die Sekretärin hat wegen der Frauenquote längst einen
       fett bezahlten Vorstandsposten; tippen muss man seitdem selber, einsam,
       verlassen, immer nur ein paar Klicks entfernt von überquellenden
       Pornoseiten, auf denen es – bittere Ironie – von Sekretärinnen nur so
       wimmelt.
       
       Im schlimmsten Fall hat man in einem Fenster einen Text offen, in dem diese
       komische, geschlechtergerechte Sprache verwendet wird, und gleichzeitig in
       einem anderen Fenster Pornos voller Schwänze und Schmodder. Und während man
       noch versucht, diesen Gegensatz in seinem postmodern geplagten Hirn
       zusammenzukriegen, hat man, huch, quasi beim Atmen, aus Versehen
       irgendwelche Homosexuellen beleidigt, die aber auch immer im Weg stehen. Es
       ist einfach alles zu krass.
       
       Jedenfalls stelle ich mir das so vor, seit ich letzte Woche im
       Zeit-Feuilleton den – höhö – [2][„Aufschrei“ von Jens Jessen] gelesen hab.
       Dem ist nämlich aufgefallen, dass es in der Gesellschaft solche und solche
       gibt und manchmal sind das sogar dieselben, glaubt er jedenfalls,
       vielleicht auch nicht, er ist nicht sicher.
       
       ## Putzfimmel und Tüdelterror
       
       Es gibt da einerseits die, die den öffentlichen Diskurs zurechtrücken
       wollen, [3][die „twitternden Frauen“], die Feministinnen, die sich manchmal
       sogar untereinander streiten, auf jeden Fall aber [4][„linguistische
       Tüdelei“] geil finden, die „selbst die Andeutung von Geschlechtlichkeit
       unter Verdacht stellt“, weil sie eine Art Putzfimmel haben, was Sprache und
       Sex betrifft. Alles muss sauber sein, nicht mal ne kleine Dirndl-Pointe
       darf man bringen, Tüdelterror.
       
       Und es gibt die anderen, die sich im Internet Pornos der Sorte „krud und
       krudest“ reinziehen und in deren Welt alles voller Sex, Sex, Sex ist,
       voller „härtester Anmache“ und „brutaler Sexualpraktiken“. Und das in dem
       gleichen Netz, in dem auch die twitternden Frauen rumnerven.
       
       Wow. Beides in einer Welt. Das ist, stellt Jessen fest, von Seiten des
       Diskurses, ein Paradox, verdrehte Prüderie, aber eher noch: Heuchelei –
       „die Praxis dulden, aber ihre sprachliche Abbildung verbieten“.
       
       ## Warten aufs Glücksbärchiland
       
       Wie dreist, dass die Feministinnen mit ihrem Sprachzeugs nicht warten, bis
       die Revolution vom Himmel geplumpst ist. Im „feministischen Wahn“ tun sie
       so – findet Jessen –, als wäre die Realität jetzt schon Glücksbärchiland,
       und das ist ein bisschen wie mit den Nazis und ihrer „Endlösung der
       Judenfrage“. Oder so.
       
       Und weil Brüderle damals bloß das Medium der „wölfischen Menschennatur“
       war, ist er mithin der wahre Revolutionär, der gesagt hat, was ist. Und uns
       damit – jetzt checke ich das – auf echt ausgefuchste Weise gezeigt hat,
       dass wir alle auf einer sehr unfertigen Baustelle leben.
       
       28 Aug 2014
       
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