# taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Kommentarloses Kopulieren
       
       > Kalifornien hat ein neues Gesetz für einvernehmlichen Sex. Wie haben
       > eigentlich die Leute Sex, die sich über „Yes means yes“ aufregen?
       
 (IMG) Bild: „Du willst es doch auch“ gilt nicht.
       
       Eigentlich ist es nicht so kompliziert. Es gibt ein Problem, und ein Staat
       versucht, eines der Dinge zu tun, die ein Staat tun kann, nämlich ein
       Gesetz zu erlassen. Der Staat ist Kalifornien, das Gesetz ist das [1][„Yes
       means yes“-Gesetz] und das Problem folgendes: An Unis und in Wohnheimen
       kommt es immer wieder zu Vergewaltigungen. Die US-Behörde für
       Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung schätzt, dass in den USA fast
       jede fünfte Studentin auf dem Campus Opfer sexueller Übergriffe wird.
       
       Bisher war es so, dass die Täter sich oft damit herausreden konnten, das
       Opfer habe sich nicht gewehrt und sie hätten deswegen gedacht, alles sei
       okay. Das führte dazu, dass viele Täter [2][nicht verurteilt wurden] und
       sich die Opfer extrem verarscht fühlten, was immer noch euphemistisch
       ausgedrückt ist.
       
       Jetzt gibt es ein Gesetz, das sagt: Nee, ist nicht okay. Wenn zwei Leute,
       die an einer staatlichen Hochschule in Kalifornien studieren, miteinander
       Sex haben wollen, müssen sie einander vorher zeigen, dass sie einverstanden
       sind. „Ja“ sagen oder nicken, zum Beispiel. Sie müssen das bei vollem
       Bewusstsein tun, also nicht schlafend, besoffen oder bekifft. Zusätzlich
       zum Gesetz soll es Aufklärungsmaßnahmen geben, mit denen unter anderem
       Erstsemester sensibilisiert werden.
       
       Okay, Bühne frei für die Aufreger: Krass, rufen die Leute, wie soll das
       gehen? „Zum Date immer ein juristisch wasserdichtes Vertragswerk mitnehmen,
       das von beiden Teilnehmern vor dem Sex unterschrieben werden muss“,
       überlegt sich einer. „Muss das jetzt auch noch notariell beglaubigt
       werden?“, fragt ein anderer. „Am besten eine Beischlafanfrage über WhatsApp
       senden und Antwort abwarten.“ Ja, haha, ihr Scherzkekse. Ich habe eine
       Ahnung, dass ihr es entweder nicht gerafft habt oder komischen Sex habt.
       
       Weil, sagt mal, wie macht ihr das denn sonst? Wenn ein „Ja“ vor dem Sex
       schon zu viel ist, heißt das, ihr seid vorm und beim Sex immer stumm? Macht
       das Spaß? Ist das so ein neues Ding: kommentarloses Kopulieren? Ohne Mimik
       und Gestik? Oder redet ihr über was anderes? Wetter, Job, Busfahrpläne?
       
       Natürlich ist es nervig, für einvernehmlichen Sex ein Gesetz zu brauchen.
       Nein, es ist keine perfekte Lösung. Es gibt überhaupt wenige Gesetze auf
       der Welt, die perfekte Lösungen für irgendwas bieten. Wie toll wär eine
       Gesellschaft, die keine Gesetze bräuchte, und wie entspannt alles wär, wenn
       die Leute von alleine gute Menschen wären. Das wär cool. Nun ja.
       
       Es wird im Zweifelsfall auch in Kalifornien immer noch schwierig sein, eine
       Vergewaltigung zu beweisen. Aber wenn es auch nur eine einzige Frau gibt,
       der durch dieses Gesetz eine Vergewaltigung erspart wird: dann ist es gut.
       Oder wenn es auch nur einen Fall gibt, in dem es zu einer Verurteilung des
       Täters kommt, der sonst freigekommen wäre: dann hat es geholfen.
       
       Und wenn es dann vielleicht sogar irgendwann so ist, dass es auf der Welt
       insgesamt weniger Sex gibt, weil es in den Fällen nicht passiert, wo eine
       der beteiligten Personen nicht wollte: dann ist das für manche Leute
       ärgerlich, aber eine solche Welt wäre insgesamt eine bessere.
       
       9 Oct 2014
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Margarete Stokowski
       
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