# taz.de -- Bildung im Ost-Wahlkampf: Standortfaktor Dorfschule
       
       > Brandenburg, Sachsen und Thüringen ächzen über volle Schulklassen. Im
       > Landtagswahlkampf ist der Lehrermangel ein entscheidendes Thema.
       
 (IMG) Bild: Ostdeutsche Schulen wie hier in Brandenburg klagen über den Lehrermangel.
       
       BERLIN taz | „Lehrer ist ein toller Beruf“, sagt Katja Böhmel. „Aber nicht
       hier in Sachsen.“ Die 43-Jährige unterrichtet an einer Leipziger
       Grundschule. Der Frust darüber, wie die schwarz-gelbe Landesregierung und
       die nachgeordneten Bildungsagenturen mit den Lehrern umgehen, sitzt bei ihr
       tief. Weil nach der Wende viel weniger Kinder eingeschult wurden, stellte
       der Freistaat jahrelang keine neuen Lehrer ein.
       
       Nun rollt eine Pensionierungswelle heran, doch tut sich der sparsame
       Freistaat schwer, geeigneten Nachwuchs zu gewinnen. Stattdessen werden
       Klassen vollgestopft, aus dem Schuldienst ausgeschiedene Lehrer wollte
       Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) erst mal nur mit Verzögerung
       ersetzen lassen. Und als eines von drei Bundesländern verbeamtet Sachsen
       seine LehrerInnen grundsätzlich nicht.
       
       In bundesweiten Leistungsvergleichen liegen die sächsischen Schüler zwar
       vorn, doch unter der Oberfläche gärt es. Im letzten Jahr blieben Schulen
       tagelang geschlossen, weil die Lehrer streikten. Noch kurz vor den
       Sommerferien protestierten Eltern und Schüler erneut vor der Dresdner
       Staatskanzlei. Am Sonntag wählen die Sachsen einen neuen Landtag. Die
       Bildungspolitik ist ein Großthema im Wahlkampf.
       
       Und nicht nur in Sachsen, sondern auch in Thüringen und in Brandenburg, wo
       zwei Wochen später gewählt wird. Die beiden östlichen Bundesländer kämpfen
       mit ähnlichen Problemen wie Sachsen: Der Altersdurchschnitt der Lehrer ist
       bedenklich hoch, nach Jahren des Personalabbaus droht nun ein Lehrermangel.
       „Wir brauchen dringend jüngere Gesichter in den Lehrerzimmern“, sagt Roland
       Busch vom thüringischen Lehrerverband.
       
       Im dünn besiedelten Brandenburg ginge es nicht nur darum, junge Landlehrer
       zu gewinnen, sondern auch darum, wohnortnahe Schulen zu erhalten. „Eine
       gigantische Aufgabe für die nächsten zehn Jahre“, meint Günther Fuchs,
       Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. „Schulen sind
       hier ein harter Standortfaktor für die Gemeinden.“
       
       ## Verjüngungskur für Schulpersonal
       
       In allen drei Bundesländern haben die Parteien daher eine Verjüngungskur
       für das Schulpersonal auf ihre Agenden gesetzt. Sachsens Ministerpräsident
       Tillich hatte Mitte August einen raschen Schwenk vollzogen und versprochen,
       alle Lehrer, die in Rente gingen, umgehend zu ersetzen. Herausforderer Rico
       Gebhardt von der Linkspartei reicht das nicht. „Wir brauchen mehr Personal,
       um die Inklusion umzusetzen.“ Sachsen sei Spitzenreiter, wenn es darum
       ginge, auffällige Schüler in Förderschulen auszusondern.
       
       Für den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Förderbedarf
       fühlten sich Sachsens Pädagogen oft nicht gewappnet, berichtet Lehrerin
       Böhmel. Fortbildung würde kaum angeboten: „Das verhaltensauffällige Kind
       wird in die Klasse gesetzt und die Lehrer müssen eben damit klarkommen“,
       sagt Böhmel. Auch in Thüringen ließe man die Lehrer mit den
       Herausforderungen der Inklusion allein, beklagt Busch.
       
       Ein weiteres heißes Eisen im Wahlkampf ist die frühkindliche Bildung.
       Obwohl die Ostländer traditionell gut mit Kitas ausgestattet sind, müssen
       sich ErzieherInnen hier im Durchschnitt um deutlich mehr Kinder als in den
       westlichen Bundesländern kümmern. In Sachsen etwa ist ein Erzieher auf dem
       Papier für 13 Drei- bis Sechsjährige verantwortlich. Im Alltag sind es
       sogar noch mehr. Die Linken wollen den Betreuungsschlüssel im Falle eines
       Wahlsiegs auf 1 zu 12 senken und sind sich dabei einig mit ihren möglichen
       Koalitionspartnern von Grünen und SPD.
       
       Für Sachsens Lehrer und Schüler ist der Tag nach der Landtagswahl übrigens
       der erste Schultag. Für Katja Böhmels Tochter wird es das letzte Schuljahr
       sein, sie macht gerade Abitur. Vom Lehramtsstudium hat ihr Böhmel
       abgeraten.
       
       29 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
       
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