# taz.de -- Neues Album von Tina Dico: Die Sache mit der Liebe
       
       > Die dänische Singer-Songwriterin Tina Dico hat keine Angst vor Kitsch.
       > Ihr Album „Whispers“ handelt von Emotionen – ohne banal zu werden.
       
 (IMG) Bild: Was sie musikalisch herzeigt, ist wunderschön: Tina Dico beim Konzert 2013.
       
       „Does anyone believe there’s still a story to be told?“ – Glaubt
       irgendjemand, dass es noch eine Geschichte zu erzählen gibt, hat Tina Dico
       in einem Song einmal gesungen. Mit ihrem neuen Album „Whispers“ zeigt sie,
       dass es auf diese Frage nur eine Antwort geben kann, oder vielmehr: dass
       die Antwort immer wieder „ja“ sein muss und dass immer wieder neue
       Geschichten erzählt werden können.
       
       In ihrer Heimat Dänemark ist die Songwriterin Tina Dico, die dort unter
       ihrem Nachnamen Dickow auftritt, ein Star. Ihr letztes Album, „Where Do You
       Go To Disappear?“, stand dreißig Wochen auf Platz 1 der Albumcharts, die
       heute 36-Jährige hat Konzerte mit dem Danish National Chamber Orchestra und
       beim Geburtstag der dänischen Königin gespielt.
       
       „Whispers“ ist, wie der Name andeutet, ein eher stilles, ruhiges und
       intimes Werk, auch wenn es bei Tina Dico ohnehin nie besonders laut zugeht.
       Mit der Zeile „I ceremonially undress“ eröffnet sie das Album: Ich ziehe
       mich feierlich aus. Und das tut sie dann auch, im übertragenen Sinne. Was
       sie dabei herzeigt, ist wunderschön.
       
       Im Vordergrund ausschließlich ihre Stimme und eine akustische Gitarre, im
       Hintergrund oft nur ein wenig Klavierklänge, zurückhaltendes Schlagzeug,
       hier und da ein Cello, eine Harfe. Keine schwer beladenen Kompositionen wie
       früher. „Whispers“ klingt, als hätte Tina Dico ausgemistet, und tatsächlich
       hat sie das: Beim Komponieren entfernte sie alle überflüssige Deko, um ihre
       Musik möglichst einfach zu halten.
       
       ## Träume, Liebe Sehnsucht
       
       Man könnte das alles für kitschig halten: Da ist diese Frau mit den langen
       blonden Haaren, auf deren Album drei von zehn Liedern das Wort „Love“ im
       Titel tragen. Aber Dico, deren Gesicht immer einen Tick zu ernst ist, um
       das einer Elfe zu sein, und deren Stimme zu tief ist, um niedlich zu
       klingen, schreibt Musik, die zu vielschichtig ist, um einfach nur schön zu
       sein. Und sie schreibt Texte, die oft sehr sprachgewaltig sind und auch
       ohne Musik, als Gedichte, bestehen könnten.
       
       Zwar singt Tina Dico auf den ersten Blick über die üblichen Themen: Träume,
       Liebe und Hingabe, Trennung, Schmerz und Sehnsucht. Doch zu all diesen
       Themen bringt sie Geschichten mit, die nie banal sind.
       
       Und wenn es nur die Geschichte eines Gefühls ist: Tina Dico erzählt sie in
       vielen Feinheiten und mit einer Tiefe, aus der Erfahrung spricht. So singt
       sie in „You don’t step in love“: „You don’t step in love / You fall / Head
       over heels / blindfolded“. Die Sache mit der Liebe, die auf „Whispers“ das
       zentrale Thema ist, erklärt sich auch mit Blick auf den Ursprung des
       Albums: Fünf der zehn Songs hat Dico als Soundtrack zum Film „En du elsker“
       der dänischen Regisseurin Pernille Fischer Christensen geschrieben und
       dabei versucht, sich in den männlichen Protagonisten des Films
       hineinzuversetzen.
       
       Das Stück „Someone You Love“ ist eine Übersetzung des Filmtitels und
       erzählt von der Rückkehr zu jemandem, den man liebt. Es ist einer der
       Titel, die, wie auch der Auftaktsong „The Woman Downstairs“, stark an
       Leonard Cohen erinnern, dem Tina Dico – ohne Übertreibung – in ihrem
       Sprachgefühl und ihrer Fähigkeit, Stimmungen zu komponieren, in nichts
       nachsteht.
       
       ## Als Erstes das Meer
       
       Diese Stimmungen sind bei ihr vielfältig, manchmal geisterhaft wie in
       „Whispers“ oder verletzlich wie in „Mines“, manchmal folkig-erdig, dann
       wieder sphärisch wie in „As Far As Love Goes“. Und manchmal meint man, wie
       in „Drifting“, die Weite des Meeres zu hören. Das ist naheliegend, denn
       Tina Dico ist nach Island übergesiedelt. Das Meer sei das Erste, was sie
       morgens sehe. In ihrem Haus in einer Vorstadt von Reykjavík ist auch Tina
       Dicos Studio untergebracht. Veröffentlicht ist „Whispers“, wie auch schon
       Dicos Debütalbum „Fuel“, auf ihrem eigenen Label, „Finest Gramophone“.
       
       Tina Dico lebt dort mit dem isländischen Musiker Helgi Jónsson zusammen,
       mit dem sie zwei Kinder hat und den sie im Juli geheiratet hat. Jónsson
       singt und spielt bei vielen Songs mit. Zur Geschichte ihres Heiratsantrags
       hat Tina Dico vor ein paar Wochen ein Lied auf ihrer Facebook-Seite
       geteilt: „Ask Again“, die Erzählung darüber, wie ihr Freund sie nach einer
       durchsoffenen Nacht in Berlin fragte, ob sie ihn heiraten will. Frag mich
       nochmal, wenn der Kater vorbei ist, antwortete sie – und er fragte nicht
       mehr, für lange Zeit. Also schrieb sie ein Lied, in dem sie singt: „Ask
       again / I’ll say ’yes, yes!‘ / If you ask me again / I’ll say ’yes, yes!‘ /
       No matter when.“ Vielleicht doch ein bisschen sehr kitschig, aber auch
       ziemlich schön.
       
       17 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Margarete Stokowski
       
       ## TAGS
       
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 (DIR) Neues Album
       
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