# taz.de -- Kommentar Frankreichs Außenpolitik: Von wegen souverän
       
       > Auf Druck der Nato stoppt Präsident Hollande die Lieferung zweier
       > Kriegsschiffe an Russland. War es das mit Frankreichs Rolle als
       > Weltmacht?
       
 (IMG) Bild: Wie souverän ist Frankreich noch im Kreise der Nato-Partner?
       
       In letzter Minute hat Frankreich beschlossen, den von Wladimir Putin
       bestellten und bereits einsatzbereiten Hubschrauberträger „Wladiwostok“ nun
       doch nicht wie geplant im Oktober an Russland auszuliefern. Das ist eine
       weise Entscheidung, auch wenn sie der französischen Rüstungsindustrie
       womöglich schwerwiegende Nachteile einbringt.
       
       Da der Konflikt im Osten der Ukraine trotz Diskussionen über einen
       Waffenstillstand weiter zu eskalieren droht, ist es nicht vernünftig, das
       Risiko mit einer solchen Aufrüstung einer beteiligten Seite zu vergrößern.
       Wer den Frieden will, soll nicht den Krieg schüren!
       
       Wer sich mit den technischen Daten des mit modernster Technologie
       ausgestatteten Kriegsschiffs befasst, begreift sehr schnell, wozu ein
       solcher Hubschrauberträger in einem Konflikt wie in der Ukraine oder
       anderen Anrainerstaaten des Schwarzen Meers dienen kann und soll.
       
       Diese Schiffe der Mistral-Klasse, von denen Moskau vorerst zwei in Auftrag
       gegeben (und vorsorglich auch gleich bereits bezahlt) hat, können kaum als
       defensive Waffen deklariert werden. Sie sind dagegen ideal für
       Landeoperationen im Rahmen einer schnellen Intervention in einem
       Nachbarland.
       
       Der Kontext der Ukraine-Krise und die absehbaren Konsequenzen waren im Fall
       der beiden Schiffe aus der westfranzösischen Atlantikwerft von
       Saint-Nazaire so offensichtlich, dass François Hollandes Versuche, auf Zeit
       zu spielen, um den Vertrag zu retten, zum Scheitern verurteilt waren.
       
       Er konnte ganz einfach nicht zum Nato-Gipfel reisen und sich dort vor
       seinen westlichen Partnern zeigen, die ihn wegen der bevorstehenden
       Lieferung des offensiven Kriegsschiffs alle schief angeschaut oder offen
       der Verletzung der Sanktions- und Embargopolitik beschuldigt hätten. Da
       Frankreich ein Vertragsbruch mit Russland sehr teuer zu stehen kommen
       dürfte, schmecken ihm die Gratulationen der Nato-Partner in Newport aber
       bitter. Er weiß, wie wütend die Werftarbeiter sind, die ihren Job verlieren
       könnten.
       
       ## Dem Druck gebeugt
       
       Ebenso klar ist es, dass sich Frankreich zuletzt eben doch dem Druck der
       Nato gebeugt hat. Die USA, Großbritannien und mehrere osteuropäische und
       baltische Staaten hatten Frankreichs Inkonsequenz angeprangert. So gute
       Argumente es für den Verzicht auf Rüstungsgeschäfte generell und auf diesen
       Vertrag im Speziellen gibt, so kompromittierend ist für den französischen
       Präsidenten der dringende Verdacht, dass er den Nato-Pressionen nachgegeben
       habe. Und genau dieser Vorwurf kommt prompt jetzt von links und rechts.
       
       Frankreich war ja nie ein folgsames, linientreues Nato-Mitglied wie
       Deutschland oder Großbritannien. Nationale Souveränität bedeutete nach dem
       Zweiten Weltkrieg auch die Autonomie in der Verteidigungs- und
       Sicherheitspolitik, die mit der unabhängigen Atombewaffnung, Frankreichs
       Force de frappe, ihr materielles Symbol bekam. Unter General de Gaulle, der
       eine blockfreie Außenpolitik vertrat, war Frankreich aus dem militärischen
       Nato-Kommando ausgetreten und ist erst nach dem Zerfall der Sowjetunion
       definitiv unter Nicolas Sarkozy zurückgekehrt.
       
       Diese „atlantische“ Wende setzt Hollande mit einer Selbstverständlichkeit
       fort, die viele seiner Landsleute schockiert. Von einem „Verrat“ spricht
       Jean-Luc-Mélenchon von der französischen Linkspartei. Hollande vollende mit
       seinem Vertragsbruch Frankreichs Unterwerfung „unter die USA und die
       kriegerische Nato-Politik“.
       
       Die notorische Putin-Verehrerin Marine Le Pen vom Front National schiebt
       den drohenden Verlust von Arbeitsplätzen vor, um Hollandes antirussische
       Entscheidung zu verurteilen. Einen Bruch mit der Tradition beklagen aber
       auch Gaullisten wie Sarkozys Expräsidentenberater Henri Guaino. Andere
       Vertreter der bürgerlichen Opposition beklagen, Frankreich werde
       wortbrüchig und damit als Weltmacht unglaubwürdig. Statt Stärke gegenüber
       Putin demonstriere Hollande Schwäche. Oft sind es sogar dieselben, die
       Hollande mangelnde Entschlossenheit gegenüber Moskau vorwarfen und jetzt zu
       viel Loyalität mit Washington beklagen.
       
       Mit seinem opportunistischen Einschwenken auf den Nato-Mainstream gegenüber
       Moskau hat Hollande also unvermeidlicherweise eine alte Polemik aufgewärmt.
       Realistisch ist es aber auch, sich zu fragen, ob Frankreich überhaupt heute
       noch das Potenzial hat, um einen eigenen Kurs zu steuern.
       
       4 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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