# taz.de -- Christliche Aktivistin Birgit Kelle: Militante Feministin Gottes
       
       > Als „moderne Feministin“ präsentiert sich Birgit Kelle in den Talkshows.
       > Doch zudem unterstützt sie die erzkonservativen Legionäre Christi.
       
 (IMG) Bild: Gern gesehener Talkshow-Gast: Birgit Kelle bei Maybritt Illner (Archivbild von 2011)
       
       Stuttgart Ende Juni, Birgit Kelles Blick streift über den Platz, der sich
       allmählich mit Menschen füllt. Rosa und blaue Luftballons und Pappschilder
       mit den Aufschriften „Demo für alle“, „Schützt unsere Kinder!“ und
       „Gender-Ideologie stoppen“ werden verteilt. In ihrer Rede wird Birgit Kelle
       vor dem Bildungsplan 2015 warnen: Es sei das Ende der Meinungsvielfalt,
       wenn an den Schulen sexuelle Vielfalt gelehrt werde. Erziehungsrecht sei
       Elternrecht.
       
       Die politische Aktivistin Birgit Kelle stellt sich als moderne Feministin
       dar. In den Medien wird ihr Buch „Dann mach doch die Bluse zu“ als
       unterhaltsam und provozierend bzw. als „belebend“ bezeichnet. Das Buch
       beginnt mit ihrer eigenen Geschichte, ihrer Erfahrung, als Mutter
       diskriminiert zu werden, weil man heute nicht mehr „nur“ Mutter und
       Hausfrau sein dürfe und sich dafür rechtfertigen müsse.
       
       Der Feminismus sei aus dem Ruder gelaufen, er diskriminiere inzwischen die
       Mehrheit der schweigenden Frauen. Birgit Kelle hat daher beschlossen, den
       Feminismus zu erneuern. So erklärt sie ihre politische Sozialisation
       zumindest in ihrem Buch, nachzulesen in einem Vorabdruck der Welt.
       
       Das ist aber nur die halbe Wahrheit. An anderer Stelle berichtet sie von
       der erschütternden Wirkung einer Andacht von Kardinal Ratzinger, die sie so
       sehr begeisterte, dass sie schließlich zum Katholizismus konvertierte. Und
       während Ratzinger Papst Benedikt XVI. wurde und den „Päpstlichen Rat zur
       Förderung der Neuevangelisierung“ schuf, weil sich in Europa die Sinne für
       Gott verfinsterten, begab sich Birgit Kelle auf eine eigene Mission.
       
       Aktuell organisiert sie zusammen mit der Zivilen Koalition der AfDlerin
       Beatrix von Storch die Demonstrationen gegen den Bildungsplan 2015 der
       rot-grünen Landesregierung in Baden-Württemberg. Vorbild sind die großen
       homophoben Demonstrationen in Frankreich vom letzten Jahr, von denen auch
       das Motto „Demo für alle“ übernommen wurde. Birgit Kelle ist
       „Board-Mitglied“ des europäischen Dachverbandes New Women for Europe, die
       nach eigenen Angaben einhundert Frauengruppen und über eine halbe Million
       Frauen vertreten. Auf der Website dieses Dachverbandes mit Beobachterstatus
       bei der EU jedoch ist kein Name, keine Organisation, keine
       Gründungsgeschichte genannt.
       
       ## Vorträge beim Regnum Christi
       
       Die „Götsch Direkt GmbH“ von Frau Kelle war eine Zeit lang mit der Adresse
       Kiesheckerweg 240 in Düsseldorf versehen. Dort residiert auch die
       erzkonservative Bruderschaft der Legionäre Christi. Bei dem – ebenfalls
       christlich engagierten – Unternehmer, der ihnen die Räume vermietete,
       arbeitet eine Sekretärin, die zugleich bei Kelles Verein „Frau200plus“
       aktiv ist.
       
       Das alles scheint kein Zufall zu sein: Birgit Kelle trat als Rednerin bei
       einer Reihe von Veranstaltungen auf, die Regnum Christi, eine
       Unterorganisation der Legionäre, mit ihr organisierte. Zum Katholikentag in
       Regensburg bekundeten Klaus und Birgit Kelle einmütig, dass sie sich mehr
       für Regnum Christi begeistern könnten als für meditatives Bogenschießen.
       Und Klaus Kelle drückte bei Facebook seinen Gefallen aus, als in Rom 49
       Legionäre zu Priestern geweiht wurden.
       
       Der Orden Legionäre Christi war beim Vatikan eine Zeit lang in Ungnade
       gefallen, als die sexualisierte Gewalt in den Knabenseminaren bekannt
       wurde, die vom Gründer der Legionäre Christi ausging. Dieser wurde nun als
       „Psychopath“ gebrandmarkt und die Legionäre dürfen ihn nicht mehr verehren.
       Im Rahmen der geforderten Neuevangelisierung Europas braucht man allerdings
       die Legionäre Christi und ihre spezielle Pädagogik, die auf
       Heiligenverehrung und Beichte zu basieren scheint.
       
       ## Kritiker gelten als "Verräter"
       
       Man verpflichtet sich in dieser militärisch organisierten Gemeinschaft,
       Kirche und Papst zu dienen und sich jeder Kritik an beidem zu enthalten.
       Wer Kirche oder Gemeinschaft kritisiert, gilt als „Verräter“. Unter anderem
       bilden die Legionäre auch Exorzisten aus.
       
       Es wird deutlich, warum Birgit Kelle sich gegen den Bildungsplan 2015 der
       rot-grünen Landesregierung ereifert. Die päpstlich verordnete
       Neuevangelisierung ist nicht neu und belebend. Birgit Kelles Antifeminismus
       ist alt und erstickend wie der missionarische Eifer der Legionäre Christi.
       
       8 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Kemper
       
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