# taz.de -- Nigerias Islamisten auf dem Vormarsch: Boko Haram baut einen Staat
       
       > Die Islamistenarmee ist dabei, die Großstadt Maiduguri zu umzingeln und
       > ganze Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen. Es toben schwere Kämpfe.
       
 (IMG) Bild: Sonntag: Vor dem Palast des traditionellen Emirs von Maiduguri sammeln sich Freiwillige zum Kampf gegen Boko Haram
       
       BERLIN taz | Bleibt die Bundesrepublik Nigeria vereint oder wird ihr
       Nordosten von der islamistischen Untergrundarmee Boko Haram abgespalten?
       Diese Frage wird dieser Tage mit Waffengewalt ausgefochten. Eine
       Entscheidungsschlacht droht um die größte Stadt der Region, Maiduguri,
       Hauptstadt der Provinz Borno mit mehreren Millionen Einwohnern.
       
       Die Front, die die Islamisten von Maiduguri trennt, befindet sich 70
       Kilometer südöstlich in der Kleinstadt Bama, die Boko Haram vor einer Woche
       eroberte. In der Nacht zum Montag eroberten Regierungstruppen Bama
       angeblich zurück. Zeitungen meldeten, Boko Haram habe sich zurückgezogen,
       um massiven Luftangriffen zu entgehen. Fliehende berichteten, die
       Islamisten hätten sich in zivilen Wohnhäusern verschanzt, die nun
       bombardiert würden.
       
       In Maiduguri rüsteten sich Milizionäre am Wochenende für den Endkampf.
       12.000 Angehörige einer Freiwilligenmiliz demonstrierten am Sonntag vor dem
       Palast des traditionellen Herrschers in der Stadt und verlangten, an die
       Front in den Sambisa-Wald geschickt zu werden, wo Boko Haram mutmaßlich
       mehrere hundert im April aus dem Ort Chibok entführte Schulmädchen
       festhält.
       
       Provinzgouverneur Kashim Shettima wandte sich am Samstag per Radioansprache
       an die Bevölkerung und sprach von einer „Bedrohung unserer Existenz als
       Volk“.
       
       ## Kalifat ausgerufen
       
       Der Krieg zwischen Nigerias Regierung und Boko Haram hat mit all dem eine
       neue Qualität erreicht. Die Islamisten machen nicht mehr nur mit
       Geiselnahmen, Anschlägen und Überfällen auf sich aufmerksam, sondern suchen
       die territoriale Kontrolle. Am 24. August, nachdem die Kämpfer die Stadt
       Gwoza eingenommen hatten, verkündete Boko Harams Anführer Abubakar Shekau
       die Gründung eines „islamischen Kalifats“.
       
       Seitdem hat sich die Miliz in einem Ring von Orten festgesetzt, der
       Maiduguri fast komplett vom Rest Nigerias abschneidet.
       
       Die Einnahme Maiduguris wäre für Boko Haram ein beispielloser Triumph. Hier
       entstand die Gruppe einst als islamistische Sekte, und hier wurde sie 2009
       so gut wie zerschlagen, als Polizei und Militär ihr städtisches
       Hauptquartier stürmten und Hunderte von Menschen töteten. Die Islamisten
       zogen sich daraufhin in den Busch zurück. Jetzt kommen sie wieder heraus,
       stärker als zuvor.
       
       Boko Haram operiert grenzüberschreitend, spielt lokale Rivalitäten
       gegeneinander aus und tritt immer wieder besser ausgerüstet auf als die
       Armee.
       
       ## Mächtige "Paten" in Politik und Militär
       
       Der Australier Stephen Davis, der Nigerias Regierung bei
       Vermittlungsgesprächen mit bewaffneten Gruppen vertritt, bezeichnete in
       einem aufsehenerregenden Interview Ende August den früheren
       Provinzgouverneur von Borno, Modu Sheriff, und Ex-Armeechef Azubuike
       Ihejirika als mächtigste „Paten“ Boko Harams in Nigerias Politik. Die Miliz
       finanziere sich durch Freunde in Nigerias Zentralbank und Kairo.
       
       Boko Harams Gönner wollten durch Schwächung der Regierung einen
       Machtwechsel bei Nigerias Wahlen im Februar 2015 herbeiführen, so der
       Australier. Aber „sollten die Sponsoren 2015 an die Macht kommen, dürften
       sie merken, dass sie Boko Haram nicht abschalten können, oder dass Boko
       Haram als Gegenleistung mindestens die Kontrolle über den Bundesstaat Borno
       verlangen wird. Borno könnte Kern eines expandierenden Kalifats werden.“
       
       ## Basen am Tschadsee
       
       Zunächst hat die Gegenoffensive der Armee in Bama der Regierung ein wenig
       Luft verschafft. Nigerias Präsident Goodluck Jonathan reiste am Montag in
       den Tschad zu Gesprächen mit Präsident Idriss Déby. Laut dem Australier
       Davis unterhält Boko Haram ein Netzwerk von Militärlagern in
       ausgetrockneten Teilen des Tschadsees.
       
       Währenddessen aber dehnt Boko Haram seine Angriffe auf den Bundesstaat
       Adamawa aus, südlich von Borno entlang der kamerunischen Grenze. Mehrere
       Städte in Adamawa sollen gefallen sein. Die Universität der Stadt Mubi
       wurde geschlossen.
       
       8 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Nigeria
 (DIR) Boko Haram
 (DIR) Islamismus
 (DIR) Borno
 (DIR) Maiduguri
 (DIR) Nigeria
 (DIR) Nigeria
 (DIR) Nigeria
 (DIR) Boko Haram
 (DIR) Nigeria
 (DIR) Boko Haram
 (DIR) Boko Haram
 (DIR) Boko Haram
 (DIR) Nigeria
 (DIR) Nigeria
 (DIR) Nigeria
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Selbstmordanschlag in nigerianischer Schule: Boko Haram wird immer stärker
       
       47 Kinder starben bei einem Selbstmordattentat auf einem Schulhof, der
       Täter trug Schuluniform. Nigerias Regierung hat die Lage nicht im Griff.
       
 (DIR) Islamistengruppe Boko Haram: Neue Opfer in Nigeria
       
       In der nigerianischen Stadt Malam Fatori kam es zu gewaltsamen Übergriffen.
       Die Terrorgruppe Boko Haram soll über 20 Zivilisten getötet haben.
       
 (DIR) Entführte Schülerinnen in Nigeria: Vage Hoffnung auf Freilassung
       
       Kommen die von der Islamistenmiliz Boko Haram entführten jungen Frauen am
       Montag frei? In Nigeria gibt es daran viele Zweifel – trotz einer am
       Freitag verkündeten Waffenruhe.
       
 (DIR) Boko Haram in Nigeria: Hunderte Kämpfer ergeben sich
       
       Das nigerianische Militär bestätigt erneut den Tod des Anführers von Boko
       Haram. Zudem haben sich 135 Aufständische den Behörden gestellt.
       
 (DIR) Bericht zu Gefängnissen in Nigeria: Systematische Folter
       
       Amnesty International wirft nigerianischen Sicherheitskräften schwere
       Misshandlungen vor. Im Kampf gegen Boko Haram seien die Methoden
       verheerend.
       
 (DIR) Islamisten in Nigeria: Boko Haram umstellt Maiduguri
       
       Offenbar steht die Islamistengruppe kurz vor Erstürmung der Hauptstadt des
       Bundesstaates Borno. Würdenträger rufen die Regierung zu Hilfe.
       
 (DIR) Bloggerin über Boko Haram: „Eine Art gemeinsames Gedächtnis“
       
       Wie lebt man mit der Bedrohung durch Boko Haram? Die Bloggerin Saratu über
       die Schwierigkeit, im Rest Nigerias zu vermitteln, was im Nordosten
       eigentlich vor sich geht.
       
 (DIR) Boko Haram mordet in Nigeria: „Sie töten nun Menschen wie Hühner“
       
       Die islamistische Sekte soll in einer Grenzstadt dutzende Einwohner
       ermordet und Geschäfte geplündert haben. Sie soll die Stadt zum
       „islamischen Kalifat“ erklärt haben.
       
 (DIR) Konflikt um Land in Nigeria: Das liebe und das böse Vieh
       
       Es gibt immer weniger Weideland, das macht Viehhirten wie Farmern in
       Nigeria gleichermaßen zu schaffen. Ein Konflikt, der Menschen sterben
       lässt.
       
 (DIR) Wole Soyinka über Gewalt in Nigeria: „Wie ein tollwütiger Hund“
       
       Noch immer hält Boko Haram 200 Mädchen gefangen. Literaturnobelpreisträger
       Soyinka sieht dies als Bankrotterklärung humanitärer Bemühungen.
       
 (DIR) Entführung von Schülerinnen in Nigeria: Seit 100 Tagen #BringBackOurGirls
       
       Seit 100 Tagen sind 300 Schülerinnen in den Händen der Miliz Boko Haram.
       Dabei werden die anderen Gräueltaten in Nordnigeria global ignoriert.