# taz.de -- Biodiversität in der Antarktis: Leben unter der Eisdecke
       
       > Unter der Eisschicht im antarktischen Whillans-See leben tausende
       > verschiedener Bakterienarten. Rund 800 Meter ist der Eispanzer dort
       > mächtig.
       
 (IMG) Bild: Pinguine in der Antarktis: An einigen Stellen ist der Eispanzer über 4.000 Meter dick.
       
       BREMEN taz | Temperaturen bis zu minus 65 Grad Celsius, eisige Winde, lange
       Phasen der absoluten Dunkelheit. In der Antarktis herrschen keine
       Bedingungen, unter denen normalerweise vielfältiges Leben gedeiht. Doch
       ausgerechnet 800 Meter unter ihrer Eisdecke, im Whillans-See, pulsiert laut
       einer aktuellen Studie offenbar ein buntes Ökosystem.
       
       Einem internationalen Forscherteam unter [1][Brent Christner von der
       Louisiana State University] ist es mit speziellen Werkzeugen und Schläuchen
       gelungen, diverse Wasser- und Bodenproben aus dem See zu zapfen.
       
       Ein aufwendiges Unterfangen, denn dabei muss man nicht nur fast einen
       Kilometer Eis durchbohren. „Die Proben müssen auch heil und vor allem
       steril den langen Weg nach oben hinter sich bringen“, erklärt Christner.
       
       Bisherige Studien scheiterten vor allem an dem letzten Hygieneaspekt, man
       konnte am Ende nicht sicher sein, ob die mikrobiotischen Funde tatsächlich
       aus dem See oder aber von den Forschern und ihren Geräten stammten.
       Christner und sein Team haben nicht zuletzt deshalb sechs Jahre für die
       Vorbereitung ihrer Expedition gebraucht, um diesen Unsicherheitsfaktor
       zuverlässig auszuschließen.
       
       Doch der Aufwand hat sich gelohnt. Man fand in jedem Milliliter des
       Seewassers 130.000 Zellen, die von 4.000 verschiedenen Mikrobenarten
       stammten. Das entspricht den Biowerten der normalen Tiefsee.
       
       Unter den winzigen Organismen waren neben Bakterien auch sogenannte
       Archaeen, Mikroorganismen, die bisher eher dafür bekannt sind, in kochendem
       Wasser gedeihen zu können.
       
       Bleibt die Frage, wie sich in der Tiefe der unwirtlichen Antarktis solch
       ein breites Ökosystem entwickeln konnte. Die Antwort besteht einerseits
       darin, dass ein dicker Eispanzer auch Schutz bietet: Im Whillans-See
       herrschen Temperaturen von etwa 0 Grad. Und die absolute Dunkelheit ist für
       die dortigen Mikroorganismen auch kein Problem, sie brauchen kein Licht.
       
       ## Unter dem Eis konserviert
       
       „Sie ernähren sich gewissermaßen von Steinen“, betont Christner. Oder
       genauer gesagt von Ammonium- und Methanbröckchen, die sich vor einigen
       Hunderttausenden Jahren aus organischer Materie bildeten, als die Antarktis
       noch wärmer und vom Meer überflutet war.
       
       Aufgrund von Analysen der Sedimente vom Boden des Sees vermuten die
       Forscher, dass sich seine Flora mindestens vor 120.000, möglicherweise aber
       auch schon vor einer Million Jahren entwickelte. Und sie sah damals schon
       so aus wie heute. Denn im Whillans-See herrschen seit jeher die gleichen
       Bedingungen, und wenn sich an der Umwelt nichts ändert, dann gibt es auch
       kaum eine Evolution.
       
       Das Leben dort unten wird also in 100.000 Jahren wohl noch genauso sein wie
       heute – es sei denn, das Eis schmilzt irgendwann weg.
       
       18 Sep 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://brent.xner.net/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jörg Zittlau
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Antarktis
 (DIR) Ökosysteme
 (DIR) Biodiversität
 (DIR) Bakterien
 (DIR) Eis
 (DIR) Vereinte Nationen
 (DIR) Biodiversität
 (DIR) UN
 (DIR) Biodiversität
 (DIR) Klimaforschung
 (DIR) Antarktis
 (DIR) Gletscher
 (DIR) Antarktis
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Geografischer Wandel in der Antarktis: Riesiger Eisberg droht abzubrechen
       
       Die Geburt eines der größten Eisberge der Welt kündigt sich in der
       Antarktis an. Er hängt nun nur noch an einem „seidenen Faden“ – der 20
       Kilometer lang ist.
       
 (DIR) Erforschung der Biodiversität: „Es kann schmerzhaft werden“
       
       Die UNO will den Zustand der Biodiversität untersuchen. Das
       wissenschaftliche Gremium soll nach dem Vorbild des Weltklimarats IPCC
       agieren.
       
 (DIR) Konferenz zu Biodiversität: Nur toter Fisch ist guter Fisch
       
       Die UN wollen mehr Geld zum Erhalt der Artenvielfalt ausgeben. Das Problem
       bleibt: Biodiversität kommt in Wirtschaftsstatistiken nicht vor.
       
 (DIR) Bedrohte Biodiversität: Die Vielfalt des Lebens schwindet
       
       Die UN haben sich das Ziel gesetzt, den Verlust von Arten aufzuhalten. Doch
       ein Bericht zeigt: Die Ziele sind bis 2020 kaum zu erreichen.
       
 (DIR) UN-Konvention zu Biopiraterie: Schlechte Bilanz für Artenschutzziele
       
       Pünktlich zur Biodiversitätskonferenz in Südkorea tritt das Abkommen gegen
       Biopiraterie in Kraft. Damit findet eine emotionale Debatte ihr Ende.
       
 (DIR) Bremerhavener Polarforscher: Klimaparadox geknackt
       
       Das Bremerhavener AWI kann mit komplexen Modellrechnungen erklären, was
       Bohrkerne bestätigen: Warum ein wachsender Eispanzer für wärmeres Wasser
       sorgt.
       
 (DIR) Antarktischer Riesengletscher schmilzt: Unumkehrbarer Eisverlust
       
       Der Pine-Island-Gletscher in der Antarktis schmilzt laut einer Studie immer
       stärker. Der Meeresspiegel könnte infolgedessen bis zu einem Zentimeter
       ansteigen.
       
 (DIR) Klimawandel-Film „Chasing Ice“: Botschaften aus dem Eis
       
       „Chasing Ice“ macht auf nie zuvor gesehene Weise die Auswirkungen des
       Klimawandels im Norden sichtbar. Die Filmrezension eines Klimatologen.
       
 (DIR) Meeresschutzgebiete in der Antarktis: Antarktisschutz schmilzt dahin
       
       Die Deklarierung von Schutzgebieten im Südpolarmeer scheitert zum dritten
       Mal. Russland, die Ukraine und China blockieren eine Einigung.