# taz.de -- Kundgebung in 2.000 Moscheen: Muslime beten gegen den IS-Terror
       
       > Besonders viel Bundesprominenz zeigte sich beim bundesweiten Aktionstag
       > der Muslime in Berlin. Dort fand das Friedensgebet auf der Straße statt.
       
 (IMG) Bild: In der ersten Reihe: Grünen-Chef Cem Özdemir beim Friedensgebet auf der Straße vor der Mevlana-Moschee in Berlin-Kreuzberg.
       
       BERLIN taz | Vor dem Gebet mussten die Medienvertreter zur Seite rücken.
       Ein Pulk von Kameraleuten und Fotografen hatte sich neben der Tribüne
       postiert, die als Kanzel diente, um das eindrucksvolle Bild der betenden
       Menge auf der Straße einzufangen. Doch weil es sich nach islamischem Ritus
       nicht geziemt, sich als Gläubiger vor anderen Menschen zu verneigen, wenn
       man gen Mekka betet, wurden die Presseleute freundlich gebeten, doch bitte
       zur Seite zu treten, damit das Gebet beginnen konnte.
       
       Dann rezitierte der Imam der Moschee, Sezai Catan, im arabischem Singsang
       den Koran, während die Berliner U-Bahn auf der Hochbahn-Trasse über den
       Köpfen seiner Zuhörer vorbeirauschte, und sagte auf Deutsch: „Wir, die
       Muslime in Deutschland, stellen uns klar und deutlich überall gegen jede
       Art von Hass, Ungerechtigkeit und Terror.“
       
       Mehr als tausend Muslime haben am Freitag in Berlin-Kreuzberg mit einem
       öffentlichen Friedensgebet auf der Straße und einer Kundgebung gegen
       Rassismus und Extremismus demonstriert. Die Männer hatten sich zum
       Freitagsgebet auf Matten vor der Mevlana-Moschee versammelt, die Frauen
       standen dahinter oder säumten den Rand. Auf die Kreuzberger Moschee, die
       derzeit um einen repräsentativen Anbau erweitert wird, hatten Unbekannte am
       12. August einen Brandanschlag verübt. Deshalb hatte es schon vor einem
       Monat ein öffentliches Pray-In dieser Art gegeben.
       
       Doch diesmal fügte sich das demonstrative Gebet auf der Straße in einen
       größeren Rahmen. In über 2.000 Moscheen in ganz Deutschland gab es nach dem
       Freitagsgebet solche Veranstaltungen. Die Islam-Verbände wollten damit ein
       Zeichen gegen islamistischen Terror im Namen ihrer Religion setzen und
       zugleich gegen die Übergriffe auf Moscheen und Muslime hierzulande
       protestieren. Die haben in letzter Zeit zugenommen: Rund 80 Übergriffe auf
       Moscheen hat die Bundesregierung in den letzten drei Jahren gezählt.
       
       ## Übergriffe auf Moscheen, Bekenntnis gegen IS-Terror
       
       Ein wenig gingen die Erwartungen wohl auseinander, was der Zweck der
       Veranstaltung sein sollte. Denn während die Mehrheit der muslimischen
       Gemeinden wohl zuerst auf die Übergriffe aufmerksam machen wollte, denen
       sie sich ausgesetzt sehen, wollten Medien und Öffentlichkeit darin vor
       allem das erwünschte Bekenntnis gegen den Terror des „Islamischen Staats“
       im Irak und in Syrien sehen. Mit ihrem Motto „Muslime stehen auf gegen Hass
       und Unrecht“ haben die großen Islam-Verbände, die sich im Koordinationsrat
       zusammengeschlossen und die Aktion ausgedacht haben, bewusst beide Aspekte
       aufgegriffen.
       
       „Im Nahen Osten gibt es Menschen, die den Namen Allahs missbrauchen,
       Grausamkeiten begehen, andere Menschen quälen und ermorden“, sagte Bekir
       Alboga vom Islam-Verband DITIB in seiner Ansprache, die mit den anderen
       Mitgliedern des Koordinierungsrates der Muslime abgestimmt war und von
       dessen Vertretern auch an anderen Orten verlesen wurde. Die Terroristen
       würden vorgeben, im Namen des Islam zu handeln, doch ihre Taten zeigten,
       dass sie nichts vom Glauben verstanden hätten.
       
       Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus
       Schneider, zeigte sich in seiner Rede „entsetzt“ über die Angriffe auf
       Moscheen, aber auch über antimuslimische „Vorurteile und Stimmungen“, und
       er versicherte seinen Zuhörern: „Viele Ihrer nicht-muslimischen Mitbürger
       stehen an Ihrer Seite.“ Schneider zeigte sich erfreut über das klare
       Bekenntnis der muslimischen Verbände, „dass Islam und Terror nicht zusammen
       passten“, und bekräftigte, wohlwissend um das weit verbreitete Misstrauen
       gegen Muslime: „Wir glauben ihnen das auch.“ Dafür erntete er besonders
       warmen Applaus. Schneider schlug auch vor, Muslime, Christen und Juden
       sollten künftig gemeinsam zu solchen Veranstaltungen aufrufen.
       
       Ähnlich äußerte sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), in
       Hannover. „Jeder Anschlag gegen Moscheen und Synagogen ist schändlich und
       ein Anschlag gegen uns alle“, sagte er bei seinem Besuch der
       Eyüp-Sultan-Moschee der Türkisch-Islamischen Gemeinde. Und in München
       bekräftigte seine Kabinettskollegin Aydan Özoguz (SPD), die
       Integrationsbeauftragte der Bundesregierung: „Wer versucht, die Menschen
       durch Hass, Gewalt und Unrecht auseinanderzudividieren, dem setzen wir ein
       klares Zeichen der Geschlossenheit entgegen.“
       
       In der Hauptstadt wohnten gleich mehrere Bundespolitiker der zentralen
       Kundgebung in Kreuzberg bei, darunter Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau
       und der Linke-Fraktionschef Gregor Gysi, der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir
       und die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi, die SPD-Abgeordnete Cansel
       Kiziltepe sowie ihre Kollegin Azize Tank von der Linkspartei. Kein Zufall
       wohl, dass die Politiker mit Migrationshintergrund leicht in der Überzahl
       waren. Während sie nach der Kundgebung zum Gruppenfoto auf der Holztribüne
       zusammen rückten, wurden auf der Straße schon die Gebetsteppiche
       eingerollt.
       
       ## Gläubige, Linkspartei, Kinder
       
       Nicht alle der rund Tausend Gläubigen, die zum Freitagsgebet unter freiem
       Himmel gekommen waren, hatten vorher von der Kundgebung gewusst. Esit Mec,
       ein Mitglied der Gemeinde, fand sie aber trotzdem „super“, er hatte über
       die sozialen Netzwerke im Internet davon erfahren. Unter den wenigen
       nicht-muslimischen Zaungästen, die dem Open-Air-Gebet beiwohnten, waren
       auch Aktivisten der Linkspartei, die Flugblätter gegen „antimuslimischen
       Rassismus“ verteilten. Ein paar Kinder verteilten derweil Flyer, auf denen
       um Spenden für die Fertigstellung der Mevlana-Moschee geworben wurde,
       mitsamt Überweisungsauftrag. Nach der Erweiterung soll die Moschee am
       Kottbusser Tor in Kreuzberg 2.000 Menschen Platz zum Gebet bieten.
       
       Im Anschluss an die Kundgebung sprach SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi
       gegenüber der taz von einem positiven „Zeichen, dass alle
       Glaubensgemeinschaften gegen Hass und Gewalt aufstehen, und dass es keinen
       Gott gibt, in dessen Namen man töten und foltern darf“. Grünen-Chef Özdemir
       nannte den Aktionstag „eine machtvolle Demonstration der muslimischen
       Zivilgesellschaft.“ Und mit Blick auf die Gefahr der Radikalisierung junger
       Muslime durch Dschihadisten sagte er der taz: „Man gewinnt diese
       Auseinandersetzung nur mit den muslimischen Gemeinden, nicht gegen sie. Das
       ist in letzter Zeit manchmal zu kurz gekommen.“
       
       In dieser Hinsicht kritisierte Bekir Alboga von der Türkisch-Islamischen
       Anstalt für Religion, DITIB, die Staatsspitze. Er hätte sich gewünscht,
       dass sich auch Gauck und Merkel gezeigt hätten, sagte Alboga der taz. Er
       „vermisse diese deutliche Botschaft von der höchsten Ebene“, wo doch der
       Bundespräsident und die Kanzlerin „die Repräsentanten aller Menschen in
       Deutschland“ seien.
       
       19 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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