# taz.de -- SPD lehnt Aufnahmeanträge ab: Du kommst hier nicht rein
       
       > 87 Menschen wollen in Hamburg-Altona in die SPD eintreten – auch um den
       > Ex-Abgeordneten Bülent Ciftlik zu unterstützen. Eine Mitgliedschaft
       > bleibt fast allen verwehrt.
       
 (IMG) Bild: Strikte Türpolitik: Altonas SPD-Chef Mathias Petersen waren die Mitgliedsanträge von 87 Beitrittswilligen nicht geheuer.
       
       HAMBURG taz | „Es war wie als Angeklagter vor Gericht“, sagt Koray Gümüs.
       Auch Cem Karakaya fühlte sich „wie bei einem Verhör“. Die Rede ist von
       einer „Anhörung“, der sich die beiden Mitte September bei der SPD in
       Hamburg-Altona zu unterziehen hatten. Denn die beiden Männer wollen
       SPD-Mitglieder werden – aber die Partei möchte sie nicht haben.
       
       Gümps und Karakaya stehen damit nicht allein: Insgesamt 87 AltonaerInnen,
       überwiegend mit türkischem Migrationshintergrund, hatten im Sommer
       Aufnahmeanträge gestellt, geworben durch Bülent Ciftlik, den einstigen
       Hoffnungsträger der Sozialdemokraten. Er selbst gilt in der SPD inzwischen
       als „unerwünschte Person“. Als der ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete 2010
       wegen der Vermittlung seiner „Scheinehe“ erstinstanzlich zu einer
       Geldstrafe verurteilt wurde – das Urteil ist bis heute nicht rechtskräftig
       –, befand sein einstiger Ziehvater, der Hamburger Parteichef Olaf Scholz:
       „Ciftlik hat in der SPD keine Zukunft mehr.“
       
       Zum Austritt aus der Bürgerschaftsfraktion ließ Ciftlik sich drängen, gegen
       den Ausschluss aus der Partei aber stritt er mit Erfolg. Heute bastelt er
       an seinem politischen Comeback – dem allerdings die Mehrheitsverhältnisse
       in der Altonaer SPD entgegen stehen. Als im Sommer dann in kurzer Zeit 87
       Mitgliedsanträge bei der SPD-Geschäftsstelle eintrafen, witterte der
       Kreisvorstand eine „feindliche Übernahme“. Die Konsequenz: Alle Anträge
       wurden abgelehnt.
       
       69 der AntragstellerInnen, die Widerspruch einlegten, wurden dann am 18.
       September in die Geschäftsstelle zitiert, wo sie Kreischef Mathias
       Petersen, Kreisgeschäftsführer Sebastian Jahnz und drei weiteren
       Mitgliedern des SPD-Kreisvorstandes ihre Gründe darlegten.
       
       „Mir wurde unterstellt, dass ich eine Marionette von Ciftlik bin und keinen
       eigenen Willen habe“, erzählt Sedat Eryilmaz, dessen Vater seit Jahren
       SPD-Mitglied ist. Wie alle Antragsteller macht auch der 18-Jährige keinen
       Hehl daraus, dass er Genosse werden will, auch „um Bülent zu unterstützen“.
       Aber er interessiere sich auch schon lange für Politik: „Ich will mich
       engagieren, in der Partei, in der auch mein Vater ist“, sagt Eryilmaz:
       „Warum darf ich das nicht?“
       
       Auch Cem Karakaya, dessen Frau seit neun Jahren Sozialdemokratin ist,
       entschied sich nach einem Gespräch mit Ciftlik, „nun endlich Genosse zu
       werden“. Wie er auf der Anhörung behandelt worden sei, empfand er als
       „erniedrigend und beleidigend“: Anderthalb Stunden Wartezeit bis er
       drankam, kaum Stühle im Warteraum, und zu trinken habe er auch nichts
       bekommen.
       
       Auf seine Frage, ob diese Prozedur üblich sei, habe er den Hinweis
       erhalten, die Partei müsse ja auch kontrollieren, dass keine
       Rechtsradikalen eintreten. „Diese Gleichsetzung hat mich zutiefst
       verletzt“, sagt der Diplom-Informatiker. „Ich bin in Hamburg geboren und
       habe mich aufgrund meiner türkischen Wurzeln nie diskriminiert gefühlt –
       bis ich an diesem Tag Mathias Petersen gegenübersaß.“
       
       Petersen stellt die Anhörung ganz anders dar, spricht „von unglaublichen
       Lügen, die hier aufgetischt werden“, von „Unterstellungen übelster Art“.
       Lange Wartezeiten habe es nicht gegeben. Für den 14-Uhr-Termin hätten sich
       zehn Personen angemeldet, von denen dann auch noch die Hälfte auf 14.30 Uhr
       verlegt worden sei, so dass fünf Stühle im Warteraum ausgereicht hätten –
       und selbstverständlich seien Getränke gereicht worden.
       
       Zudem erhebt Petersen den Vorwurf der Manipulation: Mehrere der
       eingereichten Widersprüche hätten im Vergleich zu den Mitgliedsanträgen
       „stark abweichende Unterschriften“ aufgewiesen, sagt Petersen.
       Antragssteller, „die nur gebrochen Deutsch sprechen“, hätten Texte
       eingereicht, die „so elaboriert waren, dass sie sie niemals selber verfasst
       haben können“.
       
       Mindestens einer Betroffenen sei „versprochen worden, sie würde eine neue
       Wohnung bekommen, wenn sie in die SPD eintritt“. Den Namen Ciftlik erwähnt
       Altonas SPD-Chef in diesem Zusammenhang vorsorglich nicht. Auch hätte
       „nachweislich eine Person einen Widerspruch eingelegt“, die zuvor „gar
       keinen Mitgliedsantrag gestellt hat und deshalb auch gar nicht abgelehnt
       worden“ sei.
       
       Am vergangenen Montag hat der SPD-Kreisvorstand entschieden. Von den 69
       Personen, die Widerspruch eingelegt hätten, habe man „fünf oder sechs“
       aufgenommen, erklärt Petersen. Und stellt klar: „Das müssen wir nicht
       weiter begründen.“
       
       Zu den Abgelehnten gehört auch die Diplomsozialpädagogin Christa Peters,
       die an der Anhörung nicht teilnahm, „da ein so kurzfristig anberaumter
       Termin mitten in der Arbeitszeit“ für sie „nicht machbar“ gewesen sei.
       „Deshalb konnten vermutlich viele der Antragssteller nicht erscheinen“,
       sagt die 53-Jährige. Umgehend habe sie um eine Verschiebung gebeten, „einen
       Vormittagstermin und mehrere am Nachmittag“ angeboten. Eine Antwort habe
       sie nie erhalten.
       
       Als sie am Dienstag dann Kreisgeschäftsführer Jahnz telefonisch erreichte,
       teilte dieser ihr nur mit, sie sei abgelehnt – „nach Aktenlage“.
       
       1 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
       
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