# taz.de -- Debatte Kampf gegen den IS: Der Sieg liegt nicht in der Luft
       
       > Eine US-geführte Allianz fliegt Luftschläge gegen den IS. So wurde noch
       > nie ein asymmetrischer Krieg gewonnen.
       
 (IMG) Bild: Das Risiko, aus der Luft Zivilisten zu treffen, ist hoch: US-Kampfjet über Syrien
       
       GENF taz | Seit Mitte September kämpft eine Militärallianz gegen die
       Dschihadisten des Islamischen Staats (IS). Die Zivilbevölkerung –
       insbesondere religiöse Minderheiten – soll geschützt, die Islamisten
       „vertrieben und vernichtet“ werden. So erklärte es US-Präsident Obama vor
       der UNO-Generalversammlung.
       
       Vor allem mit Luftschlägen greifen die USA und einige europäische und
       arabische Verbündete Stellungen des IS im Irak und in Syrien an.
       Deutschland und andere Länder schicken den kurdischen Peschmerga im
       Nordirak und irakischen Regierungstruppen Waffen und Munition für den
       Bodenkampf gegen den IS. Darunter sind auch Waffentypen, an denen die
       Empfänger erst noch wochen- oder monatelang ausgebildet werden müssen – und
       über die die IS-Milizen längst schon verfügen. Schließlich wollen die USA
       bis 2017 in Jordanien und Saudi-Arabien rund 15.000 örtliche Kämpfer für
       den Bodenkampf gegen den IS trainieren.
       
       Der Waffengang gegen den IS ist das vorerst letzte Kapitel im „Krieg gegen
       den Terrorismus“, den die USA nach dem 11. September 2001 ausrief. Unter
       ihrer Führung beteiligen sich fast alle anderen 192 UNO-Staaten auf
       irgendeine Weise an diesem Feldzug gegen die Islamisten. Bisherige
       Hauptschauplätze dieses Krieges sind Afghanistan, Pakistan, Somalia, Jemen
       und Mali. Die Terroristen werden vorwiegend aus der Luft angegriffen: mit
       Bomben, Raketen, Drohnen und Marschflugkörpern. Afghanistan und Mali sind
       eine Ausnahme: In diesen Ländern gab es Bodenoffensiven westlicher Truppen.
       Al-Qaida-Chef Osama bin Laden und andere Führungsfiguren des
       Terrornetzwerkes wurden von Spezialeinheiten der USA oder Israels getötet.
       
       Die Bilanz der 13 Jahre Krieg ist ernüchternd: Gemessen am erklärten Ziel,
       die Bedrohung durch Terrorismus zu beenden, ist dieser Krieg nicht nur
       gescheitert, sondern hat sich sogar als kontraproduktiv erwiesen.
       
       Zwar wurden seit September 2001 Tausende tatsächliche oder vermeintliche
       Terroristen getötet. Außerdem aber auch viele tausend, nachweislich völlig
       unschuldige Zivilisten. Das schuf neuen Hass und damit potentielle
       Gewalt-und Terrorbereitschaft. Für jeden getöteten tatsächlichen oder
       vermeintlichen Terroristen sind mindestens zehn potentielle Nachfolger
       erwachsen. So gibt es keinen Grund zur Annahme, der ebenfalls überwiegend
       aus der Luft geführte Krieg gegen den IS könnte sich auch nur militärisch
       als Erfolg erweisen.
       
       ## Ein kleinteiliger Bürgerkrieg
       
       Selbst in klassischen zwischenstaatlichen Kriegen des letzten Jahrhunderts
       wurden militärische Siege fast nie allein mit Angriffen aus der Luft
       errungen. Zumal dann nicht, wenn – wie etwa im Zweiten Weltkrieg – beide
       Seiten über Luftstreitkräfte mit vergleichbaren Fähigkeiten verfügten. Der
       Sieg der haushoch überlegenen Nato-Luftstreitkräfte im reinen Luftkrieg
       gegen Serbien/Montenegro 1999 ist eine der ganz wenigen Ausnahmen.
       
       Bei den sogenannten asymmetrischen Kriegen gibt es überhaupt keine
       Ausnahme. Der Sowjetunion gelang es nach dem Überfall auf Afghanistan Ende
       1979 trotz drückender Luftüberlegenheit und der Stationierung von über
       100.000 Soldaten in acht Jahren nicht, das Land unter Kontrolle zu
       bekommen.
       
       Im heutigen Luftkrieg gegen die IS-Milizen stellen sich noch zusätzliche
       Probleme. In Syrien findet ein kleinteiliger Bürgerkrieg statt –
       überwiegend innerhalb von Städten – mit einer Vielfalt von Akteuren und oft
       unüberschaubaren Fronten. Das Risiko, aus der Luft Zivilisten oder
       Assad-Gegner zu treffen, die der Westen eigentlich unterstützt, ist hoch.
       Davor schützen auch die modernsten, angeblich noch so präzise gesteuerte
       Waffen und Munition nicht.
       
       Im Zweiten Golfkrieg von 1991 täuschten die USA die Weltöffentlichkeit zwei
       Monate lang mit dem Märchen von den „chirurgischen Schlägen“ ihrer
       hochpräzisen Marschflugkörper, die angeblich nur vorbestimmte militärische
       Ziele trafen. Ein halbes Jahr nach Kriegsende kam heraus, dass die
       Treffergenauigkeit der US-Waffen bei lediglich 19 Prozent lag. Tatsächlich
       wurden zahlreiche zivile Ziele zerstört und Tausende Zivilisten getötet
       oder verletzt.
       
       Ähnliches gilt für den Nato-Luftkrieg gegen Serbien/Montenegro von 1999 und
       auch für den Luftkrieg, den die USA, Frankreich und Großbritannien 2011
       gegen das Gaddafi-Regime in Libyen führten.
       
       ## Bodentruppen sind erforderlich
       
       Um derartige „Kollateralschäden“ zu vermeiden und die Bevölkerung in Syrien
       und im Irak wirksam zu schützen, wären vom UNO-Sicherheitsrat mandatierte
       Bodentruppen erforderlich. Das Mandat müsste eindeutig begrenzt sein auf
       folgende Maßnahmen: Die Soldaten müssten Landkorridore schaffen, durch die
       bedrohte Menschen sicher vor dem IS fliehen und die notleidende Bevölkerung
       versorgt werden kann. Städte und Regionen, die die IS-Milizen angreifen und
       erobern wollen, müssten beschützt werden. Schließlich sollte der IS aus
       Regionen, die er kontrolliert, zurückgedrängt werden dürfen.
       
       Jegliches Vorgehen der UNO-Truppe gegen das Assad-Regime oder die
       Unterstützung von Kämpfern der Opposition müsste hingegen ausgeschlossen
       werden. Bei einem solchen Mandat würde eine UNO-Truppe auch nicht auf den
       Widerstand des Regimes stoßen, sondern zumindest stillschweigend toleriert
       – wie bislang schon die US-Luftangriffe gegen IS-Stellungen in Syrien.
       
       Die Glaubwürdigkeit eines solchen Mandats bei allen Konfliktparteien würde
       sich erheblich erhöhen, wenn an der UNO-Truppe Soldaten aus allen fünf
       Vetomächten des Sicherheitsrates – USA, Russland, China, Frankreich und
       Großbritannien – teilnähmen. Nur so bestünde zumindest eine Chance, die
       derzeit von den US-Geheimdiensten auf über 30.000 Kämpfer geschätzte
       IS-Miliz zu besiegen.
       
       Doch selbst wenn dies gelingen sollte, wäre damit das Terrorismusproblem
       noch keineswegs gelöst. Denn solange im Krisenbogen zwischen Marokko und
       Pakistan, in Tschetschenien und anderen Kaukasusregionen sowie zunehmend
       auch in europäischen Städten weiterhin viele Millionen junge Männer ohne
       jede positive Lebensperspektive aufwachsen, kann jeder von ihnen ein
       leichtes Opfer für islamistische Verführer werden. Und sie bilden damit ein
       fast unerschöpfliches Nachwuchsreservoir potentieller neuer Terroristen.
       
       Wie, mit welchen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Maßnahmen kann
       dieses Nachwuchsreservoir ausgetrocknet werden? Das ist die entscheidende
       Frage. Nur wer darauf eine Antwort findet, wird den islamistisch
       gerechtfertigten Terrorismus nachhaltig überwinden können.
       
       26 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Zumach
       
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