# taz.de -- An den Tellerrändern des Jazz: Mitgewippt wird anderswo
       
       > Veteranen der Improvisation und überraschende Zuammenarbeiten: Das dritte
       > Festival "Jazz and The Edge of The Plate" in Hamburg.
       
 (IMG) Bild: Was werden soll, wo Free Jazz war: Piho Hupo spielen am Samstag im Hamburger "Golem".
       
       HAMBURG taz | „Mit freiem und improvisierten Jazz und seinen Randbereichen
       ist das ja so eine Sache“, [1][schicken die Veranstalter voraus], um dann
       einen als exemplarisch angesehenen Verlauf von Geschehnissen zu skizzieren:
       Immer wieder verschreiben sich demnach Musiker „in jungen Jahren der
       Improvisation“ – und werden „dafür gehasst, belächelt, verrissen und
       ignoriert“. Erst Jahrzehnte später, wenn überhaupt, folgten Anerkennung
       oder, vielleicht, Ruhm; „die Wiederveröffentlichungen der Platten, die
       positiven Erwähnungen in den Anthologien und Konzerte in besser besuchten
       größeren Clubs“ – kurzum: „Eigentlich werden sie meist erst im Rückblick
       relevant.“
       
       Mal dahingestellt, ob es ausgerechnet den da beschriebenen musikalischen
       Überzeugungstätern um so eine Form der „Relevanz“ geht: Diese „merkwürdige
       und unerfreuliche Routine“ aufzubrechen, hatten sich Harald Retzbach und
       Ale Dumbsky vorgenommen, als sie vor zwei Jahren zum ersten Mal das
       Festival „Jazz & The Edge of The Plate“ veranstalteten. Das erklärte
       Rezept: „neue Bands, ältere Kapellen in neuen Konstellationen, freie
       Musiker mit oft gewagten Konzepten“ auf ein- und derselben Bühne.
       Respektive auf gar keiner Bühne, denn im „Golem“ am Altonaer Hafenrand
       spielt und hört man einander auf Augenhöhe vor (bzw. zu).
       
       So folgten im vergangenen Jahr etwa auf die Band der Hamburger Saxofonistin
       Anna-Lena Schnabel – gleich in mehrfacher Hinsicht eine Ausnahmefigur
       (Weiblich! Und jung!) – die nachher reichlich durchgeschwitzten „The
       Thing“. Das schwedisch-norwegische Trio führte seine naturereignishaft
       rockende Lesart von freiem Jazz erstmals in Hamburg auf; eine glückliche
       Fügung hatte das Booking dieser international gefragten Combo ermöglicht.
       
       Auch darum geht es Dumbsky und Retzbach, die zusammen unter anderem eine
       maximal neugierige [2][Radio-Musiksendung] verantworten: „Zeigen, dass es
       einen anderen Jazz gibt“, wie Dumbsky 2013 zur taz sagte: „andere Läden,
       andere Sprache, andere Bands.“ So mag der Golem-Tresen zwar durchaus besten
       Rotwein vorhalten – was bei dem Festival geboten wird, ist denkbar weit weg
       vom Klischee gepflegten Mitwipp-Amüsements unter Zuhilfenahme hochwertiger
       Getränke.
       
       Nicht nur, dass, sagen wir: im Lebenswerk eines Alexander von Schlippenbach
       die Mitwipp-Momente ohnehin rar sind. Wenn der Mittsiebziger, Veteran der
       Improvisation hierzulande, nun als geheimer Headliner [3][am Freitagabend]
       auftritt, tut er das zusammen mit seinem Sohn Vincent, als DJ Illvibe Teil
       der Berliner Reggae-Band Seeed; dass wiederum die Improvisation auf
       kanonisierten Jazz-Instrumenten etwas zu tun haben könnte mit der am
       Plattenspieler: Das wird man auch heutzutage vielen im Publikum noch zu
       erklären haben.
       
       Ebenfalls am Freitag spielt auch die erwähnte Anna-Lena Schnabel, und das,
       ganz im Sinne des Festivalkonzepts, in ungewohnter Konstellation: Sie
       trifft erstmals auf die altgediente Hamburger Band [4][Helgoland], die ihre
       krummen Takte und ihren Schalk-im-Nacken-Grindcore derzeit nur mit Bass und
       Schlagzeug spielt – und auf Nachfrage weiß Gott nicht ins Jazz-Fach
       einsortiert werden möchte. Wider-Willen-Jazzer also, die zusammen mit einer
       Jazzerin aufgeschlossene Jazz-Zuhörer bespaßen (und das Zustandekommen
       gemeinsamer Proben stand zuletzt noch in den sprichwörtlichen Sternen):
       Kompakter ließe sich nicht verdeutlichen, worum es hier geht, zwei Abende
       lang, am Altonaer Elbufer. 
       
       ■ Fr., 7. 11., und Sa., 8. 11., jeweils 20 Uhr, Golem, Hamburg
       
       2 Nov 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.facebook.com/events/731773573527272
 (DIR) [2] http://www.byte.fm/sendung/bonus-referat
 (DIR) [3] http://golem.kr/?p=6383
 (DIR) [4] http://helgoland.co.uk/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alexander Diehl
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Festival
 (DIR) Hamburg
 (DIR) Helgoland
 (DIR) Musik
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Free Jazz oder Extrem-Rock: Auf die Ohren, aber was?
       
       The Thing oder die Melvins? Manche Hamburger Konzertgänger müssen sich
       heute (schwer) entscheiden.