# taz.de -- Kommentar US-Kongresswahlen: Obamas Abwahl
       
       > Die Präsidentschaft Obamas ist zerstört. Die Demokraten haben keine
       > Agenda. Aber ein Mandat für die konservative Politik der Republikaner
       > gibt es auch nicht.
       
 (IMG) Bild: Nicht mehr als ein Schatten: US-Präsident Obama.
       
       Diese Zwischenwahlen sind für US-Präsident Barack Obama, was die Wahlen
       2006 für George W. Bush waren: ein Desaster. Die Republikaner haben im
       Wahlkampf das Gleiche gemacht wie die Demokraten 2006: sie haben jede
       einzelne Wahl zu einem Referendum über den amtierenden Präsidenten erklärt,
       und das mit vollem Erfolg: Das Repräsentantenhaus bleibt republikanisch,
       der Senat wird republikanisch, und auch bei den Gouverneurswahlen haben die
       Demokraten deutlich verloren.
       
       Das ist eine Zurückweisung auf ganzer Linie. Dabei gab es, im Unterschied
       zu 2006, als es vor allem um den Irakkrieg ging, diesmal kein alles
       überschattendes Thema – außer eben: Obama.
       
       Wenn demokratische Kandidaten landauf landab nichts mit dem Präsidenten zu
       tun haben wollten und ihre republikanischen Konkurrenten nichts weiter tun
       mussten als aufzuzeigen, dass dieser oder jener Senator in der Regel für
       den Präsidenten gestimmt hat, dann zeigt das vor allem eins: Die Demokraten
       haben keine politische Agenda, für die sie sich zu streiten trauen. Sie
       verprellen durch Nichtstun ihre eigene Basis.
       
       Und ausgerechnet jener Präsident, dessen rhetorische Fähigkeiten ihm den
       grandiosen Sieg 2008 einbrachten, ist in sechs Jahren nicht in der Lage
       gewesen, eine einigermaßen kohärente Vorstellung von Politik, sozialer
       Verantwortung und der Rolle des Staates in der öffentlichen Meinung zu
       verankern. Die US-Amerikaner haben für den wildgewordenen Kapitalismus
       einen hohen Preis bezahlt. Die Infrastruktur verfällt – aber die Demokraten
       trauen sich nicht, stärkere Regulierung auf die Tagesordnung zu setzen.
       Ganz ehrlich: Solche Demokraten braucht kein Mensch.
       
       ## Keine große Reformvorhaben
       
       In der praktischen Politik wird diese Niederlage in den verbleibenden zwei
       Jahren von Obamas Amtszeit allerdings kaum Auswirkungen haben. Große
       Reformvorhaben waren ohnehin nicht mehr zu erwarten. Bei der seit langem
       angekündigten Einwanderungsreform hat Obama schon vor der Wahl angekündigt,
       jetzt auf der Basis von Verordnungen ohne den Kongress handeln zu wollen.
       
       Republikanische Gesetzesvorhaben kann er per Veto stoppen, und auch die
       republikanische Senatsmehrheit ist keine 60-Stimmen-Mehrheit. Dadurch
       können Vorhaben durch ein „filibuster“, ein Endlosreden vor dem Senat,
       verzögert werden. Wirklich schwierig dürfte es allerdings werden,
       progressive Nominierungen durch den Senat zu bringen – etwa für den
       Obersten Gerichtshof.
       
       Die Republikaner haben sich mit diesen Wahlen eine hervorragende
       Ausgangsbasis für die Präsidentschaftswahlen 2016 geschaffen. Bei aller
       Stärke der voraussichtlichen demokratischen Kandidatin Hillary Clinton
       bedarf es schon einer ziemlichen Flachpfeife auf Seiten der Republikaner,
       um daraus kein Kapital zu schlagen. Wenn die republikanische Führungsspitze
       es vermag, nunmehr das Weiße Haus als obstruktive Kraft gegen einen
       tatkräftigen Kongress dastehen zu lassen, dann wird es für Clinton in zwei
       Jahren eine sehr schwere Aufgabe.
       
       ## Marihuana-Legalisierung
       
       Bemerkenswert sind allerdings an diesem Wahltag die Ergebnisse der
       verschiedenen Referenden: in Oregon und Washington DC haben die Referenden
       zur Marihuana-Legalisierung klar gewonnen, in Florida hat „medizinisches
       Marihuana“ nur verloren, weil eine 60-Prozent-Hürde eingebaut war - 58
       Prozent der WählerInnen stimmten dafür. Das ist gerade noch mit einer
       libertären, eher staatskritischen Agenda der Republikaner
       zusammenzubringen. Die vier Referenden zur Erhöhung des Mindestlohnes aber,
       die alle gewonnen wurden, stehen republikanischer Politik diametral
       entgegen.
       
       Für die Republikaner kann das heißen: Sie haben Obamas Präsidentschaft,
       unter dessen tätiger Mithilfe, nachhaltig zerstört. Ein Mandat für eine
       Politik zugunsten der reichen „ein Prozent“, wie es die occupy-Bewegung
       griffig formuliert hatte, ist das trotzdem nicht. Allerdings: anders als
       die Demokraten sind die Republikaner schon immer sehr skrupellos gewesen,
       wenn es um Klientelpoltik ging. Das hat sich ausgezahlt, und sie werden
       darauf aufbauen. Eine Reformpolitik für das 21. Jahrhundert wird es in den
       USA bis auf weiteres nicht geben.
       
       5 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Pickert
       
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