# taz.de -- Steuerflucht in Europa: Der Weg des Geldes ist unergründlich
       
       > Unter den Steueroasen hat Luxemburg eine Sonderrolle. Absurde
       > Kreisverkehre mindern die Steuerlast für Firmen. Wie können sie
       > durchbrochen werden?
       
 (IMG) Bild: In undurchdringlichen Wäldern und hinter dicken Mauern Luxemburgs ruht das Geld.
       
       BERLIN taz | Steueroasen sind teuer – für den deutschen Staat. Er verliert
       jedes Jahr etwa 30 Milliarden Euro, weil Privatleute und Firmen in
       Steuerparadiese ausweichen. 10 Milliarden Euro werden durch illegale
       Steuerflucht hinterzogen; die aggressive Steueroptimierung der
       multinationalen Konzerne kostet weitere 20 Milliarden Euro. Diese
       Schätzungen stammen von dem französischen Ökonomen Gabriel Zucman, der alle
       international verfügbaren Statistiken ausgewertet hat.
       
       Die wichtigsten Steueroasen sind die Schweiz, Luxemburg, Hongkong, Singapur
       und die Bahamas. Dabei kommt Luxemburg eine Sonderrolle zu: Dort sind viele
       der Investmentfonds und Briefkastenfirmen angesiedelt, die den
       multinationalen Unternehmen als Vehikel dienen, um ihre Steuerlast zu
       reduzieren.
       
       Dabei ist der Trick der Firmen immer derselbe: Sie schieben die Gewinne
       zwischen ihren Töchtern hin und her, indem sie möglichst hohe Preise für
       Lizenzen, Algorithmen, Logos oder Kredite erfinden und sich gegenseitig
       berechnen. Am Ende landen die Profite genau in jenen Ländern, wo der
       Steuersatz am niedrigsten ist. Ein internationales Journalistenkollektiv
       hat jetzt ermittelt, dass manche Firmen auf ihren Gewinn nur ein Prozent
       Steuern zahlen.
       
       Dieser Kreisverkehr zwischen Tochterfirmen, Fonds und
       Briefkastenunternehmen ist nur möglich, weil Unternehmen national besteuert
       werden.
       
       ## Ein Modell ist in Arbeit
       
       Die OECD und die EU arbeiten daher schon seit Jahren an einem Modell, das
       multinationale Unternehmen als Gesamtkonzern besteuern würde – womit die
       Möglichkeit entfiele, dass die Firmen ihre Gewinne von einem Land ins
       nächste transferieren. Das EU-Konzept trägt den komplizierten Namen
       Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsbemessungsgrundlage.
       
       Dahinter verbergen sich drei Schritte: Zunächst wird der Gesamtgewinn im
       Konzern ermittelt. Dazu muss das multinationale Unternehmen sämtliche
       Aktivitäten seiner Tochterfirmen nach Ländern getrennt offenlegen. Wichtige
       Eckdaten sind dabei die Vermögenswerte, die Lohnsumme, die Zahl der
       Vollzeitarbeitsplätze sowie die Umsätze in den einzelnen Staaten. Es werden
       also Daten zur Produktion und zum Absatz erhoben.
       
       In einem zweiten Schritt wird dann der Konzerngewinn den einzelnen Ländern
       zugeordnet. Im dritten Schritt können die Länder diesen Gewinn mit ihren
       jeweiligen Steuersätzen belegen.Um dieses Verfahren am Beispiel von Amazon
       zu erläutern: Der Versandhändler hat in Luxemburg nur wenige Angestellte –
       und macht dort auch kaum Umsatz.
       
       Schließlich hat das Großfürstentum nur rund 550.000 Einwohner. Wenn also
       der Konzerngewinn nach Produktion und Umsatz auf die einzelnen Länder
       verteilt würde, ginge Luxemburg weitgehend leer aus. Niemanden würde es
       mehr stören, welchen Steuersatz das Großfürstentum auf die Minigewinne
       erhebt, die ihm zugewiesen würden.
       
       ## Man muss nur wollen
       
       Nichtregierungsorganisationen wie Attac oder das Netzwerk
       Steuergerechtigkeit unterstützen die Idee, zu einer
       Gesamtkonzernbesteuerung zu kommen. Problem: Bei allen Steuerfragen gilt in
       der EU die Einstimmigkeit. Luxemburg hat also eine Vetomacht – und bisher
       jede echte Reform der Unternehmensbesteuerung verhindert.
       
       Markus Henn vom Netzwerk Steuergerechtigkeit schlägt daher eine
       „Alternativlösung“ vor, falls sich Luxemburg weiter verweigert:
       „Deutschland sollte eine Quellensteuer einführen.“ Wenn Lizenzgebühren oder
       Zinsen an ausländische Tochterfirmen abfließen, könnte der deutsche Fiskus
       darauf einen Steuersatz erheben.
       
       Die EU-Statuten sehen dies zwar nicht vor, aber Henn findet, dass sich
       Deutschland „auf das politische Risiko einlassen sollte“, vor dem
       europäischen Gerichtshof verklagt zu werden oder eine Abmahnung von der
       EU-Kommission zu erhalten. „Dann kommt wenigstens eine Debatte in Gang.“
       
       6 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Herrmann
       
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