# taz.de -- Die 50+1-Regel im Fußball wird gekippt: Die Spekulanten können kommen
       
       > Bayer und Volkswagen sind explizite Ausnahmen. Sonst gilt in der
       > Bundesliga als Schutz vor Spekulationen die 50+1-Regelung. Das wird sich
       > ändern.
       
 (IMG) Bild: Hannover-Boss und Unternehmer Martin Kind
       
       Vier Jahre noch muss Martin Kind ausharren, dann ist er am Ziel. Sein Amt,
       kündigte der Präsident von Hannover 96 kürzlich an, werde er zur Saison
       2017/18 niederlegen. Kind erwirkte nämlich beim Deutschen Fußball-Bund
       (DFB) eine Sonderregel, die es ihm ermöglicht, 2018 Mehrheitseigner des
       Klubs zu werden. 50+1 lautete die Zauberformel, mit welcher der DFB Ende
       der 90er Jahre glaubte, Kapitalmarkt und Vereinswesen unter einen Hut
       bringen zu können.
       
       Nachdem Kind klagte, urteilte das DFB-Schiedsgericht im August 2011,
       Privatgesellschaften dürfen einen Bundesligisten mehrheitlich übernehmen,
       sobald sie diesen 20 Jahre erheblich gefördert haben. Eine solche
       Ausnahmeregelung galt zuvor nur für die „Werksklubs“ Bayer Leverkusen und
       den VfL Wolfsburg. In wenigen Jahren werden weitere Vereine in Privatbesitz
       übergehen. Noch weiß die Deutsche Fußball Liga (DFL) nicht, wie sie
       reagieren soll. Offen ist auch, wie absehbare Übernahmen die Bundesliga
       verändern werden.
       
       Eine zeitliche Klausel in Paragraf 8 hatte Bayer Leverkusen und dem VfL
       Wolfsburg in den vergangenen Jahren eine Sonderstellung garantiert. Laut
       DFL-Satzung durften Wirtschaftsunternehmen nur dann einen Bundesligisten
       mehrheitlich übernehmen, wenn sie mindestens 20 Jahre lang sowie schon „vor
       dem 1. Januar 1999 den Fußballsport des Muttervereins ununterbrochen und
       erheblich gefördert“ hatten. Wettbewerbsverzerrung war das in den Augen von
       Martin Kind, der sogar mit dem Gang vor ein EU-Gericht drohte, bevor ihm
       das DFB-Schiedsgericht recht gab.
       
       Wie fünf weitere Erstligisten hat Hannover 96 die Profiabteilung in eine
       GmbH & Co. KGaA ausgegliedert. Ein in der Bundesliga beliebtes Konstrukt,
       in dem die Geschäftsführung unabhängig von den Eigentumsverhältnissen
       agiert. Egal, wie viel Geld ein Unternehmen oder eine Privatperson in einen
       Bundesligisten pumpt, die geschäftsführende GmbH gehört als Komplementär
       dem eingetragenen Verein.
       
       Daher hat die Mitgliederversammlung Einfluss auf alle wesentlichen
       Entscheidungen wie die Besetzung zentraler Posten, Transfers oder
       Eintrittspreise. Und welcher Mäzen oder Investor will schon einen Klub
       besitzen, von dem er nicht einmal den Manager oder Trainer feuern darf?
       „Aktionär einer KGaA zu sein, bedeutet, dass man in Kauf nimmt, keinen
       Einfluss zu haben“, sagt Daniel Nowara, Sprecher der Fan-Organisation
       „Unsere Kurve“.
       
       ## Ohne Einmischung der Mitglieder
       
       Für die Aktiengesellschaften Bayer und Volkswagen ist der Fall einfacher.
       Die beiden DAX-Unternehmen können ohne die Einmischung von
       Vereinsmitgliedern in ihren Klubs schalten und walten. Durch 50+1 wollte
       der DFB sicherstellen, dass die sportlichen Interessen Vorrang vor
       wirtschaftlichen behalten. Bayer und Volkswagen waren explizite
       Ausnahmeregelungen, da sie nicht im Verdacht standen, sich mit ihrem
       Fußball-Investment Spekulationen hinzugeben.
       
       Im Nachhinein entwickelten sich die Partnerschaften in Leverkusen und
       Wolfsburg so erfolgreich, dass Hannovers Martin Kind sich just auf diese
       beruft: „Die damalige Entscheidung hat der Bundesliga nicht geschadet“,
       erklärt er. In anderen Worten: Wolfsburg und Leverkusen haben sich in der
       Bundesliga-Spitzengruppe festgesetzt. Ein Ziel, das auch Kind vorschwebt.
       Der Hörgeräte-Unternehmer ist keiner, der mit Platzierungen im
       Bundesliga-Mittelfeld zufrieden ist. Bereits 2018 ist es seines Erachtens
       so weit, dass die „Sales & Services GmbH“ (S & S) die von der DFL
       auferlegte 20-jährige „Probezeit“ bestanden hat. Dann will er die
       Komplementärs GmbH sowie die restlichen Kommanditaktien vom Verein
       übernehmen.
       
       Fußball-Bundesligisten sind für große Konzerne begehrte Partner, da sie ein
       Hort für Emotionen sind. BVB-Partner Evonik steigerte seinen
       Bekanntheitsgrad seit 2007 um 17 Prozent. Als Kind in der Saison 1997/98
       Präsident von Hannover 96 wurde, stand der damalige Regionalligist kurz vor
       der Insolvenz. Inzwischen hält die Holdinggesellschaft S & S, die neben
       Kind sechs weiteren Gesellschaftern wie dem Drogisten Dirk Roßmann und dem
       ehemaligen Bekleidungshersteller Detlev Meyer gehört, rund 84 Prozent der
       Kommanditaktien. Für den Fall der Übernahme eines Bundesligisten wird über
       zehnjährige Haltefristen nachgedacht – allerdings wird dies nicht für die
       Anteile der Holdinggesellschaft gelten. Verkauft einer der Gesellschafter
       seinen Anteil, wirkt sich dies auf die Eigentumsverhältnisse von Hannover
       96 aus.
       
       ## Veränderung der Fußballkultur
       
       Die vom DFB für die Organisation der Bundesliga beauftragte DFL muss bald
       konkretisieren, was mit einer „ununterbrochenen“ und „erheblichen“
       Förderung genau gemeint ist. Nowara befürchtet, dass der Passus aufgeweicht
       und sich dann „sehr viel ändern“ wird. Für die Fans sei es wichtig, dass es
       eine „Art Basisdemokratie“ gebe und die Vereine kein Handelsobjekt würden:
       „In Europa gibt es genug negative Beispiele, wie sich die Fußballkultur
       durch fremde Geldgeber verändert.“ So seien die Eintrittspreise in England
       inzwischen so hoch, dass Fußball „dort kein Volkssport“ mehr sei.
       
       Noch möchte man sich bei der DFL nicht äußern, doch die Zeit drängt. Man
       darf gespannt sein, was das Wörtchen „erheblich“ in der Praxis bedeutet.
       Gespannt sein darf man aber auch, ob der Fußball die Fans noch verzaubert,
       wenn es nicht mehr um den Triumph ihres eigenen Vereins, sondern eigentlich
       um die Markenbekanntheit von Kopfschmerztabletten, Kraftfahrzeugen und
       Hörgeräten geht.
       
       10 Nov 2014
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fußball
 (DIR) Deutscher Fußballbund (DFB)
 (DIR) DFL
 (DIR) Spekulanten
 (DIR) Vereine
 (DIR) Volkswagen
 (DIR) RB Leipzig
 (DIR) Fußball
 (DIR) Fußball
 (DIR) Fußball
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Testspiel in Saudi-Arabien: Kritik an Volkswagen und FC Bayern
       
       Der Automobilkonzern sponsert einen Gastauftritt des FC Bayern in
       Saudi-Arabien. Anteilseigner Niedersachsen will dazu nichts sagen.
       
 (DIR) Fußballklub RB Leipzig: DFL verleiht Flügel
       
       Der Konzernklub RB Leipzig tut sich erstaunlich schwer, die DFL-Auflagen
       für die Zweite Liga zu erfüllen. Nun hat der Aufstiegsaspirant Beschwerde
       eingelegt.
       
 (DIR) Kolumne Press-Schlag: Dämliche Debatten
       
       Die Nordklubs stecken in der Krise und versagen bei der Ursachenforschung:
       Sie haben sportliche, konzeptionelle und personelle Fehler gemacht.
       
 (DIR) Kongress der Fußballfans: Immer schön sachlich bleiben!
       
       Ausschreitungen in Köln überschatten den Fankongress in Berlin. Ein Abbruch
       kann vermieden werden, aber der Dialog mit der Polizei ist ein Flop.
       
 (DIR) Zweiter Fankongress in Berlin: Wenn die Kurve mitdiskutiert
       
       Die Ultras erkennen zunehmend, dass man kooperieren muss. Beim zweiten
       Fankongress arbeiten sie mit anderen Gruppen zusammen.