# taz.de -- Erinnerung: „Wir sind tatsächlich zornig“
       
       > Mit Kunstinstallationen vor Kriegerdenkmälern will eine Initiative der
       > Nordkirche zu deren Umgestaltung anregen. Doch das stößt vielerorts auf
       > Widerstand.
       
 (IMG) Bild: Hoffnung auf Denkanstöße: Das Denkmal am Stephansplatz ist immer wieder verfremdet worden.
       
       taz: Ist die Zerstörung der Kunstinstallation am Kriegerdenkmal in Ihren
       Augen besser als gar keine Reaktion, Herr Hentschel? 
       
       Ulrich Hentschel: Es hilft der Aufmerksamkeit. Aber wünschenswert ist vor
       allem, und das erleben wir auch, dass die Installation bei denen Reaktionen
       hervorruft, die im Alltag daran vorbeigehen. Ich habe zweimal eine halbe
       Stunde am Kriegerdenkmal am Stephansplatz verbracht und viele Leute stehen
       bleiben sehen. „Was soll die Wäsche hier“, sagen sie und schauen sich die
       Inschrift zum ersten Mal genauer an: „Deutschland muss leben und wenn wir
       sterben müssen“, steht dort. „Das ist ja furchtbar“, sagten die Leute dann.
       
       Das heißt, die Reaktion auf die Installation an den sechs Standorten ist
       insgesamt positiv? 
       
       Das ist schwierig zu quantifizieren. Die häufigste Reaktion ist sicher: Was
       soll das denn? Das war übrigens auch meine Reaktion, als ich von der Idee
       der Künstler hörte, eine Wäscheleine mit weißer Wäsche daran vor die
       Kriegsdenkmäler zu hängen. Aber als ich nach zwei Minuten anfing, darüber
       nachzudenken, was das mit der Wäsche denn bedeuten sollte, fand ich es
       interessant.
       
       Es gibt einen großen Kontrast zwischen der pathetischen Wucht der Denkmäler
       und der Banalität der Wäsche. Ist das das Provozierende daran? 
       
       Die Wäsche hängt normalerweise hinter dem Haus, es ist der von der
       Nachbarschaft abgeschirmte Alltag. Jetzt ist sie nach vorne geholt, um die
       Kriegsverherrlichung hinter dem Alltag zu sehen. Der Alltag, das wissen wir
       aus den Kriegen, lief gerade für die Deutschen ja, solange sie nicht
       unmittelbar betroffen waren, normal weiter.
       
       In einer Reaktion auf die Zerstörung sagten Sie, dass man mit „Zorn zur
       Kenntnis nehmen müsse“, dass es Menschen gebe, die die Kunstaktion nicht
       zulassen wollten. Was machen Sie mit Ihrem Zorn? 
       
       Der Zorn flaut ab und wir versuchen, ihn in weitere Aufklärungsarbeit
       umzusetzen. Aber wir sind tatsächlich zornig über diese Mischung aus
       Ungebildetheit und bewusster Zerstörung von Nachdenklichkeit. Diese
       Menschen haben keine Argumente vorzubringen, sondern lassen rechte
       Aggressivität an einem Kunstwerk aus.
       
       Sie vermuten eine politische Haltung, nicht bloß Randale? 
       
       In Bramfeld bin ich unsicher. Dort gibt es eine rechte Szene, die bis vor
       einigen Jahren am Kriegerdenkmal ihre Kundgebungen gemacht hat, bevor die
       lokale Friedensinitiative und die Arbeitsgruppe Denkmal eigene Kundgebungen
       veranstaltet haben. In Harburg dagegen ist die Wäsche sauber abgenommen
       worden, das war keine Zerstörung, sondern Diebstahl.
       
       Und wo ist es politisch motiviert? 
       
       Beim Kriegsklotz am Stephansplatz sind gezielt kritische Transparente
       abgenommen worden, nun hat man die Wäsche und die Stangen heruntergerissen.
       Am Kirchentag hatten wir dort eine Kundgebung, zu der wir auch Ludwig
       Baumann eingeladen haben, der im Zweiten Weltkrieg desertiert ist. Während
       er sprach, verteilte eine Gruppe der Burschenschaft Germania Flugblätter,
       in denen sie das Denkmal verteidigte und die Deserteure als Feiglinge
       beschimpfte.
       
       Ist das für Sie ein Impuls, mit diesen Gruppen in einen Dialog zu treten? 
       
       Mit den rechten Gruppen können wir es nicht, weil sie nicht wollen. Uns
       liegt auch mehr daran, Desinteressierte darauf aufmerksam zu machen, dass
       in der Stadt mindestens hundert solcher Denkmäler mit nationalistischen
       Parolen stehen. Ich finde es bedenklich, dass sich Kirchenvorstände und das
       aufgeklärte Bürgertum nicht mit der Frage auseinandersetzen wollen.
       
       Ein Anwohner in Bramfeld beschwerte sich, woraufhin die Polizei die Wäsche
       entfernte. Ist die Obrigkeit auch skeptisch? 
       
       Es ist interessant, dass sofort ein Streifenwagen losfuhr. Die Beamten
       haben den Staatsschutz gefragt, der sie erst einmal beruhigt hat. Ich sehe
       die Hilflosigkeit der jungen Beamten eher gelassen. Unser Fokus ist ein
       anderer: etwa dass der Bezirk in Bramfeld das dortige Denkmal umgestaltet.
       Das ist auch eine Aufgabe für manche Kirchengemeinde, auf deren Friedhöfen
       sich Kriegerdenkmäler befinden, die den Soldatentod verherrlichen, etwa in
       Blankenese.
       
       10 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Friederike Gräff
 (DIR) Friederike Gräff
       
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