# taz.de -- Zwischen den Rillen: Am Anfang war der Puls
       
       > Groupers neues Album „Ruins“ ist ein Dokument. Ambient-Künstlerin Liz
       > Harris verarbeitet darin politische Wut und emotionalen Müll.
       
 (IMG) Bild: „Auf einer unterbewussten, poetischen Ebene ist es ein Brief an mich“, sagt Sängerin Liz Harris über ihr neues Album
       
       Manchmal dringt durch halb geöffnete Fenster Musik aus Räumen, in denen
       Menschen sich ganz unbeobachtet glauben, auf der Straße bleiben andere
       unwillkürlich stehen. Sie lauschen und hören das, was ohne Heimlichkeit
       verborgen bliebe. „Ruins“, das neue Album von Grouper (Liz Harris),
       erinnert an einen solchen Moment. Seine Intimität, die die Hörerin fast zur
       Voyeuristin zu machen vermag, entsteht zwischen pulslosem, minimalem
       Klavierspiel, Liz Harris’ flüsternd heller Stimme und verstreuten
       Geräuschen.
       
       Auf Effekte hat die in Portland, an der Westküste der USA lebende
       Ambient-Künstlerin für ihr neues Album fast vollständig verzichtet, ebenso
       auf Nachbearbeitung. Alle Stücke wurden auf einem Vierspurrekorder
       aufgenommen, nur das sanfte Rauschen des Mediums verschleiert ihre
       Direktheit.
       
       Mit organischem Rauschen, Froschquaken und Vogellauten beginnt „Ruins“.
       Dumpfes Schlagen von Filz auf Metall strukturiert das „Made of Metal“
       betitelte Intro in seiner Originalfassung. Ganz plötzlich bricht über diese
       Klangkulisse der zweite Track „Clearing“ herein. Einzelne Töne auf dem
       Klavier folgen der Stimme, die so subtil und nah klingt, als würde sie aus
       dem eigenen Inneren kommen. Kürzeste Pausen und Verlangsamungen erzeugen
       bei Grouper Spannungsbögen. Einfache Motive wiederholen sich, aber alles
       ist so offen und schwebend, dass es jederzeit überall hinwandern könnte.
       
       In gleicher Manier folgt „Call Across Rooms“, wobei sich Melancholie in
       Trauer verkehrt. Was nach einer Facette klingen mag, macht im Kontext
       dieses Albums, in dem so viel Gewicht auf Details liegt, einen auffälligen
       Bruch aus. Die melancholische Stimmung des Stücks ist ein Spiegel seiner
       Geschichte: „Es ist ein Song über einen Brief, den ich für jemanden
       geschrieben habe, den ich geliebt habe, aber mit dem ich nicht klargekommen
       bin. Auf einer eher unterbewussten, poetischen Ebene ist es ein Brief an
       mich, an das Streben, besser zu lieben“, sagte Harris dem Modemagazin
       Vogue. 
       
       ## „Überreste von Liebe“
       
       Bis auf das letzte Stück sind alle acht Tracks 2011 an der portugiesischen
       Atlantikküste in Aljezur entstanden. „Es war das erste Mal, dass ich nach
       langer Zeit stillsaß und eine Menge politische Wut und emotionalen Müll
       verarbeitete“, erklärte Harris. „Mein Album ist ein Dokument.“
       
       Es zeichnet „gescheiterte Strukturen“ auf und „Überreste von Liebe“, in
       denen man weiterlebt. Es scheint, als müssten ihre Stücke immer eine Weile
       ruhen und zu Geschichten werden, bevor sie geteilt werden können. Schon das
       vergangenes Jahr veröffentlichte Stück „The Man Who Died In His Boat“
       bestand aus Aufnahmen, die viele Jahre zuvor gemacht wurden.
       
       Liz Harris hat die einzigartige Begabung, jedem noch so kleinen Element in
       ihren Tracks genauso viel Platz einzuräumen, wie sie benötigen, um sich
       frei entfalten zu können. Damit erzeugt die Künstlerin einen eigenwilligen
       psychedelischen Sog. Niemals wirken ihre Stücke karg oder leer, selbst wenn
       nur ein einziger Ton erklingt. Im Verlauf von „Ruins“ werden Harris’
       Melodien dichter und komplexer – Klaviertöne werden zu Akkorden, Stimmen
       laufen gegeneinander statt miteinander.
       
       „Labyrinth“ wirkt allein durch das Einsetzen von halligen Akkorden
       nachdrücklich. Die Hall-Töne verweben sich zu einem gigantischen
       Klangkosmos. In „Lighthouse“ tritt eine zweite Stimme dazu und überlagert
       die erste, das Klavier deutet Rhythmen und Pulse an. In „Holding“
       schließlich taumeln Klavier und zwei Stimmen voneinander emanzipiert umher,
       dann grollt ein Donner und alles verklingt im Regen.
       
       Statt der Stille folgt Wind und dann der Nachsatz „Made Of Air“ – eine
       elfminütige, synthetische pulsierende Fläche, entstanden 2004. Wie ein sich
       näherndes Gewimmel aus läutenden Glocken erwächst sie zu immer größeren
       Klangräumen. Dann schwillt die Fläche ab und rotiert langsam, in einem
       ewigen Ausklingen, das genauso gut ein ewiges Anfangen sein könnte.
       
       11 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tabea Köbler
       
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