# taz.de -- Kommentar Präsidentschaftswahl: Glückwunsch, Tunesien!
       
       > Das Geburtsland des Arabischen Frühlings debattiert und wählt mit
       > Gelassenheit. Jetzt kommt der schwierigste Teil: die tägliche Arbeit.
       
 (IMG) Bild: Am 28. Dezember wird es einen zweiten Wahlgang geben.
       
       Auch wenn die zweite Runde der [1][Präsidentschaftswahl] noch aussteht, ist
       es Zeit, die Tunesier zu beglückwünschen. Anders als in Ägypten, Libyen
       oder Syrien haben sie den Weg zur Demokratie geschafft. Er war länger als
       gedacht, schwieriger als gedacht, aber er war bisher erfolgreich.
       
       Mit der neuen Verfassung in der Hand wählte das kleine nordafrikanische
       Geburtsland des arabischen Frühlings im vergangenen Monat das Parlament und
       gestern den Präsidenten. Am 28. Dezember wird es einen zweiten Wahlgang –
       eine Stichwahl – zwischen dem Führer der im Oktober siegreichen säkularen
       Partei Nidaa Tounes (Ruf Tunesiens) Béji Caïd Essebsi und dem bisherigen
       Übergangspräsidenten Moncef Marzouki geben. Essebsi erreichte je nach
       Prognosen zwischen 43 und knapp 48 Prozent der Stimmen, Marzouki zwischen
       27 und 33 Prozent.
       
       Tunesien führte diesen ersten Wahlprozess auf Grundlage der neuen
       Verfassung durch, als wäre das Land schon seit langem demokratisch. Die
       Wahlaufsicht funktioniert und schreitet ein, wenn es einzuschreiten gilt.
       Die Verlierer – im Falle der Parlamentswahlen im Oktober die islamistische
       Ennahda – erkennen ihre Niederlage an, ohne Drama, ohne
       Betrugsverdächtigungen. Tunesien debattiert und wählt mit erstaunlicher
       Reife.
       
       Sobald der Staatschef endgültig feststeht, kommt der schwierigste Teil des
       Übergangs zur Demokratie: Die tägliche Arbeit der Institutionen. Die
       Erwartungen der Bürger sind riesig. Die Wirtschaft liegt am Boden, die
       Arbeitslosigkeit, vor allem unter jungen Menschen, ist hoch. Die Demokratie
       braucht den Aufschwung, um zu beweisen, dass das neue System echte Vorteile
       bietet. So mancher hat bereits jetzt das Vertrauen in den arabischen
       Frühling und die Demokratie verloren und folgt radikalen Predigern. Über
       2.500 Tunesier haben sich den radikalen islamistischen Milizen im
       Nachbarland Libyen, aber auch in Syrien und dem Irak angeschlossen.
       
       24 Nov 2014
       
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