# taz.de -- Neue Sicherheitsgesetze in der Türkei: Polizei darf schneller schießen
       
       > Die Regierung bringt ein Paket neuer Sicherheitsgesetze ins Parlament
       > ein. Demonstranten drohen härtere Strafen.
       
 (IMG) Bild: Bei Demonstrationen soll die Polizei künftig härter durchgreifen dürfen.
       
       ISTANBUL taz | Schneller Schusswaffengebrauch der Polizei, Ausrufung des
       Ausnahmezustandes durch von der Regierung ernannte Provinzgouverneure und
       die Unterstellung der Gendarmerie unter das Innenministerium sind die
       zentralen Punkte eines Pakets neuer Sicherheitsgesetze, das die türkische
       Regierung am Montag ins Parlament einbrachte.
       
       Kommt das Gesetz durch, woran angesichts der absoluten Mehrheit der
       regierenden AKP wenig Zweifel bestehen, darf die Polizei künftig bei
       Demonstrationen weit schneller von der Schusswaffe Gebrauch machen, als das
       bislang der Fall war. Es reichen ein paar Feuerwerkskörper oder
       Steinschleudern, damit Polizisten schießen dürfen.
       
       Auch Strafen für Demonstranten sollen drastisch erhöht werden. Die bloße
       Teilnahme an einer Demonstration, bei der Molotow-Cocktails oder
       Steinschleudern auftauchen, kann vier Jahre Haft bedeuten. Auf das
       Mitführen von Transparenten, die nach Meinung der Polizei Symbole
       verbotener Organisationen zeigen, steht drei Jahre Haft. Wird die
       Demonstration als Unterstützung einer Terrororganisation gewertet, drohen
       fünf Jahre Haft.
       
       „Kommen diese Gesetze durch“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der
       oppositionellen CHP, Engin Altay, gegenüber der Zeitung Zaman, „wird das
       Demonstrationsrecht de facto abgeschafft“.
       
       Außerdem sind weitere Einschränkungen der bürgerlichen Freiheitsrechte
       geplant. Wie schon einmal nach dem Militärputsch in den 80er Jahren soll
       die Polizei künftig Demonstranten nach ihrer Festnahme wieder 48 statt wie
       bislang 24 Stunden in Gewahrsam behalten dürfen, bevor sie einem
       Haftrichter vorgeführt werden müssen. Auch sollen die Gouverneure bei
       Demonstrationen und Auseinandersetzungen auf der Straße eigenmächtig den
       Ausnahmezustand verhängen können.
       
       ## Reaktion auf Demos
       
       Insgesamt sollen die Gouverneure, deren wichtigste Eigenschaft ihre
       Loyalität zu Präsident Recep Tayyip Erdogan ist, stärkeren Zugriff auf die
       Sicherheitskräfte bekommen. Neben der Polizei sollen sie demnächst auch die
       in der Provinz entscheidende Gendarmerie kontrollieren. Letztere ist Teil
       des Militärs, soll aber jetzt dem Innenministerium unterstellt werden. Was
       die AKP als Demokratisierung anpreist, wird von Kritikern als ein weiterer
       Schritt auf dem Weg zu einem Polizeistaat bezeichnet, bei dem alle
       wichtigen Institutionen direkt der Partei unterstellt werden.
       
       Die neuen Sicherheitsgesetze sind der AKP zufolge eine Konsequenz aus den
       Gezi-Demonstrationen 2013 und den Kurdenunruhen im Oktober. Nur so könne
       der Staat die Sicherheit seiner friedlichen Bürger garantieren, sagte Ahmed
       Aydin von der AKP-Fraktion.
       
       Für die Opposition sind die Gesetze ein weiterer entscheidender Schritt zur
       Diktatur der AKP unter Erdogan. Auch außerhalb des Parlaments wird die
       Aufrüstung der Polizei kritisiert.
       
       Nurhan Yentürk, Professorin an der Istanbuler Bilge-Universität und
       Sprecherin eines Zusammenschlusses von rund 50 Bürgerinitiativen, die die
       öffentlichen Ausgaben des Staates beobachten und analysieren, sagte gestern
       gegenüber der Hürriyet Daily News, in den letzten Jahren gehe immer mehr
       Geld an den Sicherheitsapparat. „Waren es 2006 noch 0,6 Prozent des
       Bruttosozialprodukts, sind es jetzt bereits mehr als 1,3 Prozent. Die
       Türkei ist auf dem Weg in einen Sicherheitsstaat.“
       
       1 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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