# taz.de -- Kolumne Der Rote Faden: Peinliche Befragung
       
       > Die Polizei spielt Weihnachtsmann, die CIA will nach vorn schauen und
       > seit 400 Jahren tote Pfarrer bringen uns noch etwas bei. Ein
       > Wochenrückblick.
       
 (IMG) Bild: Die Folter. Lange in Europa praktiziert, hat sie nie etwas gebracht. Außer viele Tote.
       
       Die Polizei verteilt Geschenke. Statt Strafzetteln reichen die Bediensteten
       bei Fahrzeugkontrollen Lego oder Spielkonsolen ins Auto. Lachen, Umarmungen
       für die Ordnungshüter, frühe Weihnachten. [1][Ein Imagevideo, gedreht in
       Lowell, Massachusetts.] Nach den Todesschüssen von Fergusson, einem toten
       schwarzen Kind in Cleveland und einem erstickten Mann in New York dachten
       sie dort vielleicht, man müsse etwas tun.
       
       Es gibt keinen Grund, anzunehmen, die Freude in dem Film sei nicht echt,
       auch nicht bei den vielen, die eine andere Hautfarbe haben als weiß.
       [2][Nur, verglichen mit der Verzweiflung, der Wut, der Ohnmacht] bei denen,
       die erfolglos dagegen protestiert haben, dass keiner der Polizisten belangt
       wird in Fergusson, Cleveland, New York, haftet dem Schenken in Lowell dann
       doch etwas Almosenhaftes an, ein Geben von jenen, die Macht haben, an jene,
       die sie offensichtlich nicht haben.
       
       Es ist ja nicht so, dass es viel Schuldbewusstsein gäbe, nicht öffentlich
       jedenfalls. Stattdessen versichern Vorgesetzte, dass ihre Männer gute
       Arbeit machen. So sagen es Polizeichefs, so spricht CIA-Chef John Brennan
       über die Folterpraktiken seines Geheimdienstes. Nicht alle Mitarbeiter
       seien ihrer Verantwortung gerecht geworden, das wären aber Einzelfälle,
       und: [3][„Meine Hoffnung ist, dass wir diese Debatte jetzt beiseitelegen
       und uns vorwärts bewegen werden.“] 
       
       Ja, gern, bewegen wir uns vorwärts. Doch bei der Polizei, den
       Geheimdiensten geschieht genau das nicht. Transparenz, Mitbestimmung,
       Kontrolle – so sollte Demokratie funktionieren, und so funktioniert sie bei
       allem Abrieb im praktischen Betrieb oft auch. Nur bei denen, die unter dem
       Begriff Sicherheitsbehörden zusammengefasst werden, leisten sich die
       Demokratien Anachronismen.
       
       ## Wie ein Neandertaler mit Maschinengewehr
       
       Aus der Zeit gefallene Apparate, in denen nach Grundsätzen aus
       vordemokratischer Zeit gearbeitet wird. Undurchschaubarkeit. Gehorsam.
       Folter. Und die Kontrolle durch Parlament oder Gerichte besteht gerade in
       den Fällen, wo sie notwendig wäre, oft nur nominell.
       
       Obwohl die Dimensionen andere sind, ähnelt das Verhalten in den USA dem
       Handeln der Verantwortlichen bei deutschen Behörden in der Aufarbeitung des
       vom Nationalsozialistischen Untergrund verübten Terrors. Wenig
       Nachdenklichkeit, wenig Lust sich für Versagen und Mithilfe von Behörden zu
       rechtfertigen. Stattdessen die Forderung nach technischer Aufrüstung und
       mehr Geld.
       
       Gerade nimmt die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen zum
       Oktoberfestattentat von 1980 wieder auf, weil es eine Zeugin gibt, die
       sagt, sie sei damals zur Polizei gegangen, aber abgewiesen worden. Was hat
       sich eigentlich verändert seit dieser Zeit, als alle Regungen unterdrückt
       wurden, Spuren jenseits der These vom Einzeltäter zu verfolgen?
       
       Die Frage ist ungerecht. Es gab Reformen bei den Behörden, es gibt gute
       Polizisten. Sie ist aber gerechtfertigt, weil der Machtzuwachs nach dem 11.
       September 2001 und die Möglichkeiten der digitalen Revolution den
       Sicherheitsapparaten nicht gutgetan hat. Technisch haben sie sich rasant
       weiterentwickelt, nur hält die geistige Entwicklung nicht Schritt. Als
       hätte man einem Neandertaler ein Maschinengewehr in die Hand gedrückt.
       
       So taucht dann selbst Folter im Instrumentarium wieder auf, von der wir aus
       jahrhundertelanger europäischer Praxis wissen, dass sie keine verwertbaren
       Erkenntnisse bringt.
       
       ## Die Kirche ist erträglich, weil sie verspottet werden darf
       
       „Peinliches Verhör und Folter sind schändlich, weil sie vieler und großer
       Lügen Mutter ist“, das schrieb [4][Anton Praetorius, ein Pfarrer,] 1602 in
       einem Text über das Foltern. In einem Papier der Universität Duisburg
       [5][//inef.uni-due.de/cms/files/report01.pdf:über den Stand der Forschung
       zur Folter von 1992] wird festgestellt, dass ein Vergleich „der Ausbildung
       zum Folterer mit der Ausbildung von Soldaten nicht repressiver Staaten“
       starke Parallelen aufweise. Beide lernen unbedingten Gehorsam. Was haben
       wir seither gelernt?
       
       Es gibt andere Anachronismen, mit denen gehen demokratische Gesellschaften
       angemessener um. Mit religiösen Organisationen wie den großen Kirchen zum
       Beispiel, die ebenfalls Gehorsam einfordern, undurchsichtig sind und von
       außen kaum kontrollierbar. Sie besitzen heute nur noch wenig physische,
       aber große ideologische Macht. Ihre Existenz ist in Demokratien nur
       erträglich, weil diese Macht täglich öffentlich negiert werden kann, durch
       Spott, Satire, Hohn.
       
       Bei Polizei und Geheimdiensten helfen solche Methoden nichts. Die müssen
       fester angepackt werden. Schärfere Kontrollen. Härtere Strafen. Mehr Kritik
       und Mitbestimmung im Inneren. Das wären keine Geschenke. Das sind schlichte
       Notwendigkeiten.
       
       13 Dec 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://web.de/magazine/unterhaltung/lifestyle/bezaubernd-us-cops-verteilen-weihnachtsgeschenke-30272444
 (DIR) [2] http://www.zeit.de/politik/2014-11/ferguson-michael-brown-polizist
 (DIR) [3] http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-12/brennan-folter-senatsbericht
 (DIR) [4] http://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/texte/aufsaetze/hegeler-praetorius.html
 (DIR) [5] http://https
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Schulz
       
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