# taz.de -- Energiewende in Deutschland: Software für ein stabiles Stromnetz
       
       > Wir brauchen keine riesigen Energiespeicher, sondern smarte. Es gilt,
       > präzise und stabil auf eine schwankende Netzauslastung zu reagieren.
       
 (IMG) Bild: Der beste Energiespeicher ist immer noch Schokolade
       
       FREIBURG taz| Die Energiewende kennt viele Mythen. Ein Mythos rankt sich um
       die Notwendigkeit von Stromspeichern: Meist wird der Eindruck erweckt, als
       fehle es an riesigen Kapazitäten, um den Strom aus Sommersonne und
       Winterstürmen für wochenlange Flauten zu puffern.
       
       Viel wichtiger sind jedoch kleine, intelligente Speicher. Nicht, um das
       Netz bei Windstille über Nacht zu retten, denn das können auch flexible
       Gaskraftwerke noch über Jahre leisten. Entscheidend ist, dass sie die
       Systemdienstleistungen erbringen können, die bisher den fossilen
       Großkraftwerken oblagen.
       
       Dazu zählen die Frequenzregulierung, die Spannungshaltung und die
       sogenannte Schwarzstartfähigkeit, also die Möglichkeit, nach einem
       Netzausfall den Startimpuls für das gesamte System zu geben – was Windkraft
       und Photovoltaik nicht können.
       
       Das alles muss man vorausschicken, wenn man das Metier der Berliner
       Younicos AG beschreiben will. Die nämlich hat jüngst in Schwerin eine
       Anlage in Betrieb genommen, die sie als „Europas erstes kommerzielles
       Batteriekraftwerk“ bezeichnet.
       
       ## Akkus wie in Elektroautos
       
       Der Speicher ist fast lächerlich klein, wenn man in den üblichen
       Dimensionen der Stromwirtschaft denkt. Er hat eine Leistung von 5 Megawatt,
       was gerade einer einzigen Offshore-Windkraftanlage entspricht. Tatsächlich
       nutzbar davon werden gerade einmal 2,5 Megawattstunden, also 2.500
       Kilowattstunden, sein – gerade mal der Jahresverbrauch eines einzelnen
       sparsamen Haushalts.
       
       Was soll ein solcher Minispeicher nützen? Da kommt das Wissen von oben zur
       Geltung: Das Projekt, das der Schweriner Versorger Wemag AG betreibt, soll
       vor allem der Stabilisierung der Netzfrequenz dienen. Die Anlage verkauft
       also ihre Fähigkeit, flexibel Strom einspeisen und aufnehmen zu können. Und
       dafür gibt es am Markt richtig Geld.
       
       25.600 Lithium-Manganoxid-Zellen hat Younicos in einer Halle neben dem
       Umspannwerk Schwerin-Lankow installiert. Die Zellen stammen von der Firma
       Samsung, typische Akkus, wie sie auch in Elektroautos eingesetzt werden.
       Younicos selbst ist vor allem ein Software-Unternehmen: Von den 120
       Mitarbeitern – 90 in Deutschland, 30 in den USA – ist jeder zweite
       Programmierer.
       
       Ihre Aufgabe liegt darin, die Batterien so zu steuern, dass sie präzise und
       schnell auf schwankende Netzzustände reagieren – und dabei die
       Systemstabilität ebenso im Blick haben wie die bestmögliche Vermarktung der
       betreffenden Dienstleistungen. Bis zu sechs verschiedene Betriebsmodi seien
       denkbar, lässt die Firma wissen, und sie alle beruhten darauf, dass die
       Batterie mit dem Netz „spricht“ und in Millisekunden auf dessen Bedürfnisse
       reagiert.
       
       ## Nichts für die Börse
       
       Nur das klassische Erlösmodell, an das man bei Speichern immer zuerst
       denkt, kommt für die Batterien einstweilen nicht in Frage: Strom zu
       günstigen Zeiten am Spotmarkt der Börse einzukaufen, um diesen zu teureren
       Zeiten wieder zu verkaufen. „Das lohnt sich noch nicht“, sagt Gunnar Wrede,
       Leiter Energiewirtschaft und Politik. Dafür seien die Preisdifferenzen noch
       viel zu gering. Das spüren übrigens auch die umstrittenen
       Pumpspeicherwerke, die derzeit kaum noch rentabel arbeiten können.
       
       Der Batteriespeicher in Schwerin hingegen werde sich am Markt amortisieren,
       davon ist die Wemag überzeugt. Allerdings muss man fairerweise erwähnen,
       dass das Projekt eine Anschubfinanzierung von 20 Prozent aus dem
       Innovationsprogramm des Bundesumweltministeriums bekommen hat, das sind 1,3
       Millionen Euro.
       
       Aber weil die Batteriepreise seitdem immer weiter gesunken seien, müssten
       künftige Speicher schon ohne Förderung wirtschaftlich betrieben werden
       können, heißt es bei Younicos. Der Markt honoriere ihre enorme Flexibilität
       – in Zukunft vielleicht noch mehr als heute.
       
       28 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernward Janzing
       
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