# taz.de -- Stellenabbau trotz Millionen für Investitionen: „Vision und Strategie von morgen“
       
       > Die „Kieler Nachrichten“ bauen wegen sinkender Einnahmen und Auflage
       > Stellen ab – und investieren trotzdem an anderen Standorten.
       
 (IMG) Bild: Wollen Anteile der Lübecker Nachrichten und der Ostsee-Zeitung kaufen: Kieler Nachrichten.
       
       HAMBURG taz | Zwei Tage vor Heiligabend bot sich ein etwas tristes Bild im
       Newsroom der Kieler Nachrichten (KN). In der erst am 10. Dezember
       eingeweihten Schaltzentrale der Zeitung stapelten sich Paletten mit liegen
       gebliebenen Berlinern. Am Vormittag hatte die Geschäftsführung der KN zum
       kollektiven Backwarenverzehr eingeladen. Das Interesse der Mitarbeiter an
       dem Beisammensein hielt sich aber in Grenzen.
       
       Das könnte auch damit zu tun haben, dass die Stimmung im Haus derzeit alles
       andere als heiter ist. Ende November verkündete das Management, knapp 30
       Stellen in der Redaktion der Landeshauptstadtzeitung abbauen zu wollen. Die
       Werbeerlöse seien 2014 noch stärker gesunken, als vorher kalkuliert, und
       die Auflage sei heute zwölf Prozent geringer als vor fünf Jahren, so die
       Begründung.
       
       Betroffen vom Streichkonzept ist auch die Segeberger Zeitung, eine
       hundertprozentige KN-Tochter. Gleichzeitig kündigten die Kieler Hierarchen
       an, stärker als bisher auf Inhalte des Redaktionsnetzwerks Deutschland
       (RND) zurückzugreifen. So heißt eine Zentralredaktion der Madsack-Gruppe,
       der 49 Prozent der Kieler Nachrichten gehören.
       
       Die Maßnahmen seien „alternativlos“, teilten Geschäftsführung und
       Chefredaktion der KN den „lieben Kolleginnen und Kollegen“ noch im November
       mit. Umso erstaunter waren diese, als nicht einmal zwei Wochen später
       bekannt wurde, dass die KN-Mehrheitseigner, die Erben des 2012 verstorbenen
       Verlegers Christian Heinrich, die Absicht haben, 27 Prozent der Lübecker
       Nachrichten (LN) und deren Tochter, der Ostsee-Zeitung (OZ), zu erwerben.
       
       LN und OZ gehören zu 73 Prozent der Madsack-Gruppe, die auch in Kiel im
       Boot ist. Das Bundeskartellamt muss dem Deal noch zustimmen. Ein
       entsprechender Antrag dürfte dort bald eingehen.
       
       Wie passt das zusammen? Einerseits ist die Lage in Kiel offenbar so
       bedrohlich, dass der Verlag Stellen streichen muss, andererseits scheint es
       zumindest den Mehrheitsgesellschaftern immer noch so gut zu gehen, dass sie
       an anderen Standorten investieren können.
       
       Das geplante Vorhaben ist allemal brisant. Die LN-Minderheitsanteilseigner
       – die Jürgen Wessel Stiftung und der frühere Geschäftsführer der Zeitung
       Günter Semmerow – leisteten dank einer Sperrminorität bisher Widerstand
       gegen die Madsack Mediengruppe und ihr Spar und Zentralisierungskonzept
       „Madsack 2018“.
       
       Somit befreien nun die Mehrheitgesellschafter einer Zeitung, die gerade
       angekündigt hat, stärker als bisher mit Madsack zu kooperieren, eben diese
       von nervtötenden Partnern.
       
       Über den Kaufpreis ist bisher nichts nach außen gedrungen. Eine
       Orientierung könnte die Faustregel liefern, dass bei der Berechnung der
       Jahresgewinn mit dem Faktor neun bis elf multipliziert wird: Die Lübecker
       Nachrichten GmbH hat einschließlich der Tochter Ostsee-Zeitung laut
       Bundesanzeiger 2013 einen Überschuss von 8,3 Millionen Euro erwirtschaftet,
       vor allem dank des überdurchschnittlich guten Ergebnisses der Rostocker.
       
       Für die Minderheitsgesellschafter ergab sich damit ein Gewinn von 2,2
       Millionen Euro. Wendet man die Faustregel an, käme man auf einen Kaufpreis
       von 20 Millionen Euro.
       
       “Von dem Geld könnte man Kieler Nachrichten und Segeberger Zeitung drei bis
       fünf Jahre so weiterführen wie bisher“, vermutet Günther Jesumann, der
       Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) in
       Schleswig-Holstein. Die Segeberger Zeitung lohnt noch einen besonderen
       Blick.
       
       Denn sie konkurriert im Kurstädtchen direkt mit den Lübecker Nachrichten.
       Wenn die Kieler künftig in Lübeck mitreden, könnte hier von Wettbewerb nur
       noch schwerlich die Rede sein. An diesem Punkt könnte das Kartellamt
       Bedenken anmelden.
       
       Bei den Kieler Nachrichten ist die Stimmung derweil wohl auch deshalb nicht
       rosig, weil die Geschäftsführung einen befremdlichen Jargon pflegt: In
       einer Einladung zu einer Veranstaltung in der „Business Lounge“ der
       Ostseehalle, die der Verlag zur Erläuterung der „notwendigen Einschnitte“
       organisierte, heißt es: „Der Weg der KN ist der Kieler Weg – unser Weg.
       
       Wohin er führt, welche Meilensteine ihn markieren und welche Werte ihn
       erleuchten, möchten wir Ihnen gern vorstellen. Es geht um das Herz der KN –
       unsere Mission und unseren Markenkern, unsere Vision und Strategie von
       morgen.“ Beruhigen dürfte das die Mitarbeiter kaum.
       
       29 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) René Martens
       
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