# taz.de -- Migration in Europa: Auf den Spuren der Generation E
       
       > Tausende junge Leute ziehen von Südeuropa in den Norden der Europäischen
       > Union. Sie suchen einen Job und eine bessere Zukunft.
       
 (IMG) Bild: Endstation Arbeitsamt: Da gehen viele Spanier zum Arbeiten lieber ins Ausland.
       
       BERLIN taz | Elf Millionen von etwa 500 Millionen EU-Bürgern leben heute in
       einem anderen Land der Europäischen Union als dem, wo sie geboren wurden.
       Die Freizügigkeit ist eine der wichtigsten Errungenschaften der
       europäischen Einigung.
       
       1968 schrieb die EU als Grundrecht fest, dass europäische Arbeitsmigranten
       Inländern weitgehend gleichgestellt sind. Die Möglichkeiten für Menschen
       auf Jobsuche haben sich ebenso erhöht wie die von Unternehmen auf der Suche
       nach Fachkräften.
       
       Viele junge Leute aus Griechenland, Spanien, Italien und Portugal, die
       keine Arbeit finden, zieht es gen Norden. Die Rede ist oft von neuen
       Gastarbeitern. Die meisten sind hochqualifiziert und haben während ihres
       Studiums schon im Ausland gelebt.
       
       Das Projekt Generation E will den Wegzug aus Südeuropa nun sichtbarer
       machen. Das gemeinnützige Recherchebüro Correctiv kooperiert dafür mit der
       italienischen Zeitung Il Fatto Quotidiano, dem spanischen Onlinemagazin El
       Confidencial, dem Netzradio Radiobubble aus Athen und dem Magazin P3
       Público aus Lissabon. In Zusammenarbeit mit der taz.am wochenende
       präsentiert Correctiv jetzt erste Ergebnisse des
       Datenjournalismus-Projektes.
       
       ## Jeder zweite nicht gemeldet
       
       Um die Geschichten der Menschen, die von Süd nach Nord ziehen, zu erzählen,
       hat Generation E einen Aufruf im Netz verbreitet, unter anderem bei
       Facebook. Seit dem Start im September haben rund 2.000 Menschen einen
       Fragebogen ausgefüllt und von ihrer Migration berichtet. Nach und nach
       sollen so viele Geschichten gesammelt und die Daten ausgewertet werden,
       damit Migranten nicht nur als graue anonyme Masse erscheinen, auf die man
       seine Ängste projizieren kann.
       
       Ein erstes Ergebnis der nichtrepräsentativen Befragung: Jeder Zweite der
       etwa 2.000 Befragten hat sich in seinem neuen Land gar nicht angemeldet.
       Dafür gibt es etliche Gründe. Italiener etwa riskieren sonst, ihre
       Gesundheitsversorgung in Italien zu verlieren.
       
       Die Freizügigkeit in Europa ist nicht nur gefragter, sondern auch
       gefährdeter denn je. Parteien, die Zuwanderung begrenzen wollen, gewinnen
       in vielen EU-Ländern Stimmen und Mitglieder. Bei den Wahlen zum
       Europaparlament im Mai hat sich die Zahl der Abgeordneten von
       europakritischen Parteien verdoppelt. Großbritanniens Premier David Cameron
       will EU-Bürgern nur noch eingeschränkten Zugang zum britischen Sozialsystem
       gewähren. Haben die Ausländer nach sechs Monaten noch keinen Job gefunden,
       sollen sie zurückgeschickt werden können. Einwanderer aus der EU sollten
       Steuervergünstigungen und Sozialwohnungen erst nach vier Jahren bekommen.
       Cameron will die europäischen Verträge dazu neu verhandeln. Damit hat er
       sogar die euroskeptische Partei Ukip rechts überholt: Die wollte EU-Bürger
       nur zwei Jahre von den Leistungen ausschließen.
       
       „Wer betrügt, der fliegt“, forderte die CSU in Deutschland und schürte die
       Angst vor „Armutsmigration“ aus Südosteuropa. Sie ignorierte die Befunde
       des Sachverständigenrats Migration. Der hatte betont, dass Deutschland „zum
       Magnet für gut qualifizierte Zuwanderer aus der EU geworden“ sei.
       Deutschland erziele dadurch eine „messbare Freizügigkeitsdividende“.
       Trotzdem beschloss die Bundesregierung Ende August Maßnahmen gegen
       „Sozialmissbrauch“. EU-Bürger dürfen künftig nur noch sechs Monate im Land
       bleiben, um hier eine Arbeit zu suchen. Danach droht ihnen die Ausweisung.
       
       3 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Drepper
 (DIR) Christian Jakob
 (DIR) Jacopo Ottaviani
       
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