# taz.de -- Inklusion in Hamburg: Schulsenator Rabe sitzt auf den Zahlen
       
       > Um den Förderbedarf unter Schulkindern zu ermitteln, wurden Gutachten
       > erstellt – die lagern nun in der Behörde.
       
 (IMG) Bild: Nicht die Kinder, nur die "Maßstäbe" für Förderbedarf hätten sich verändert, sagt Hamburgs Schulsenator Rabe.
       
       Haben Hamburgs Stadtteilschulen und Grundschulen seit Jahren deutlich zu
       wenig Lehrerstellen für die Inklusion der Kinder mit Förderbedarf in den
       Bereichen Lernen, Sprache und Emotionale Entwicklung, kurz LSE? Die Antwort
       auf diese Frage vermutet Pit Katzer in einer überschaubaren Tabelle mit
       rund 40 Zahlen, die seit dem 19. Dezember auf dem Tisch des Schulsenators
       liegt. Doch die Schulbehörde rückt diese Zahlen nicht raus.
       
       Es handelt sich um die Probe aufs Exempel, um den „Showdown“ in einem
       Streit, der sich wie ein roter Faden durch die Amtszeit von
       SPD-Schulsenator Ties Rabe zieht. Rabe stattete die Schulen 2012 mit einer
       „systemischen“ Ressource aus. Die unterstellte, dass acht Prozent aller
       Stadtteilschüler Förderbedarf in L, S oder E haben. Tatsächlich brachten
       aber erheblich mehr Grundschüler ein Fördergutachten in die weiterführende
       5. Klasse mit. Rabe zweifelte diese Einschätzungen der Grundschullehrer
       immer wieder an: Nicht die Kinder, nur die „Maßstäbe“ hätten sich
       verändert.
       
       In diesem Herbst nun ließ er erstmals ein neues Verfahren durchführen.
       Jeder Viertklässler, bei dem Förderbedarf vermutet wurde, wurde von extra
       dafür einbestellten Sonderpädagogen der Hamburger Beratungs- und
       Unterstützungszentren getestet. „Das waren aufwendige Verfahren. Für jedes
       Kind wurde eine eigene Fallkonferenz durchgeführt“, berichtet Pit Katzer,
       der selbst Schulleiter ist und einer der Sprecher des im Herbst gegründeten
       „Bündnisses für schulische Inklusion“.
       
       Die Anzahl der nunmehr offiziell als zu fördernd anerkannten Kinder sollten
       die Beratungs- und Unterstützungszentren bis zum 19. Dezember an die
       Behörde liefern. „Eine stichprobenartige Abfrage an Grundschulen hat
       ergeben, dass auch diese Werte um über 50 Prozent über der systemischen
       Ressource liegen“, berichtet Katzer. Das wäre „ein Knaller“. Wenn die Zahl
       der diagnostizierten LSE-Kinder an Grundschulen bei fünf oder gar sechs
       Prozent liege, müsste dringend ein Nachtragshaushalt für 150 bis 300
       Lehrerstellen beschlossen werden. Das koste zehn bis 19 Millionen Euro.
       
       Auch Stefanie von Berg (Grüne) interessiert sich brennend für diese Zahlen
       und stellte noch vor Weihnachten eine schriftliche Anfrage. Doch der Senat
       mauert. Bei dem 19. Dezember handle es sich nur um ein „verwaltungsinternes
       Datum“. Die Zahlen müssten erst noch qualitätsgesichert werden. Eine
       „regelhafte Berichtserstattung“ fände erst „im Rahmen der
       Schuljahresstatistik statt“. Und gibt es frühestens im Herbst.
       
       Katzer bezeichnet diesen Einwand als Nebelkerze. „Qualitätsgesicherte
       Zahlen brauchen wir bei großen Abfragen mit tausenden von Daten, etwa wenn
       es um Unterrichtsausfall geht.“ Hier jedoch handele es ich um eine
       überschaubare, kleine Tabelle mit wenigen Einträgen in drei Spalten. „Es
       ist ein Skandal, wenn der Senator zwei Jahre lang den Schulen falsche
       Zahlen unterstellt und nun die Ergebnisse der von ihm selbst gewählten
       Diagnostik geheim hält“, erklärt Katzer im Namen des Inklusionsbündnisses,
       dem 23 Organisationen angehören und das für den 8. Januar eine
       Podiumsdiskussion und für den 26. des Monats eine Demo plant.
       
       Stefanie von Berg will sich jetzt offiziell bei Bürgerschaftspräsidentin
       Carola Veit beschweren und die Herausgabe der Zahlen verlangen. Die
       Begründung der Zurückhaltung sei „absurd“, so von Berg. „Diese Zahlen sind
       bereits qualitätsgesichert, da die Diagnosen von Fachleuten kommen.“ Auch
       sie vermutet hinter der Weigerung „pure Wahltaktik“. Könnten die Daten doch
       offenbaren, dass Rabe „fahrlässig und über mehrere Jahre die tatsächliche
       Zahl von Kindern mit Förderbedarf missachtet hat“.
       
       Rabes Sprecher Peter Albrecht nennt wiederum den Vorwurf der Wahltaktik
       „absurd“. Die Zahlen müssten nun noch mal kontrolliert werden, unter
       anderem sei zu prüfen, „ob die Daten korrekt und vollständig eingetragen
       und übermittelt wurden“. Selbst eine grobe Schätzung für die interessierte
       Öffentlichkeit sei deshalb nicht möglich. Die Daten kämen aber „noch vor
       der Wahl“.
       
       Katzer beschwichtigt das nicht. „Unmittelbar vor der Wahl ist es zu spät“,
       sagt er. „Die Zahlen gehören jetzt auf den Tisch.“
       
       5 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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