# taz.de -- Erfolgsgeheimnis Ratgeberliteratur: Du musst nur wollen
       
       > Erprobte Rezepte, klare Botschaften: Das Geschäft mit der Hoffnung blüht.
       > Anleitungen zum positiven Denken sind seit jeher beliebt.
       
 (IMG) Bild: Der Motivations-Guru Dale Carnegie starb 1955.
       
       „Vergiss nicht, Glück hängt nicht davon ab, wer du bist oder was du hast;
       es hängt nur davon ab, was du denkst.“
       
       Klingt wie ein brandaktueller Neujahrsvorsatz: Einfach mal positiv denken –
       dann wird es dein Jahr. Mit solchen Kalenderweisheiten brachte es ein
       US-amerikanischer Rhetoriktrainer namens Dale Carnegie allerdings bereits
       in den 1930er Jahren zu Reichtum und Berühmtheit.
       
       Seine Lebenshilferatgeber, die „Sorge dich nicht – lebe!“ hießen oder „Wie
       man Freunde gewinnt“, sind voller Glücksrezepte und Appelle: „Lächeln Sie!“
       – „Interessieren Sie sich aufrichtig für die anderen!“. Intellektuell mögen
       diese Botschaften eher schlicht sein. Doch sind sie tröstlich: Wenn es
       lediglich das eigene Denken ist, das dem Glück im Weg steht, dann ist ja
       alles halb so schlimm. Die eigenen Gedanken kann schließlich jeder selbst
       beeinflussen.
       
       Dale Carnegie starb 1955, aber seine Bücher verkaufen sich bis heute
       glänzend: Weltweit wurden bis über 50 Millionen Exemplare in 38 Sprachen
       verkauft. Damit hat Carnegie den Weg für zahllose Ratgeber-Autoren geebnet.
       Zum Beispiel die amerikanische Autorin Elaine St. James, die 1994 mit dem
       Vereinfachungsratgeber „Simplify your life“ einen Hit landete, den der
       evangelische Pfarrer Werner „Tiki“ Küstenmacher 2001 für den deutschen
       Markt adaptierte. Ein Bestseller.
       
       ## Körper, Geist, Geld
       
       Die Botschaft scheint zeitlos zu sein: Du kannst alles erreichen, wenn du
       nur willst. In den aktuellen Frühjahrsvorschauen der Verlage wimmelt es nur
       so von Anleitungen zum positiven Denken: „Kraftquelle Mentaltraining“ –
       „Glück ist kein Zufall“ – „Kraft. Der neue Weg zu innerer Stärke“.
       
       Jede Zeit bringt ihre Ängste, Sehnsüchte und damit auch die passenden
       Ratgeber hervor, die als Gradmesser für die aktuellen Befindlichkeiten der
       Gesellschaft gesehen werden können. In den Siebzigern träumte man vom
       „Aussteigen“, in den Achtzigern vom Reichwerden, in den Neunzigern von der
       totalen Ich-Optimierung an Körper, Geist und Seele.
       
       „Im Grunde suchen Menschen Antworten auf die großen Fragen des Lebens“,
       sagt Markus Michalek, Literaturagent bei der Münchener AVA International,
       die viele Ratgeberthemen vermittelt. „Liebe, Partnerschaft, Erfolg und
       Gesundheit“, das seien die klaren Dauerbrenner. Auch Rechts- und
       Wirtschaftsratgeber liefen seit Jahren stabil. Ein Blick auf die aktuellen
       Best- und Longseller zeigt, dass die Deutschen derzeit vor allem nach
       Selbstoptimierung streben, auf Neudeutsch „Life Design“. Ob Körper, Geist,
       Psyche oder Alltag: Stets geht es darum, das Maximum für sich
       herauszuholen.
       
       Nach der soften Esoterikwelle der nuller Jahre ist derzeit „Strongness“
       besonders gefragt: kraftvoll trainieren, im Alltag Stärke zeigen. Doch die
       Gegenbewegung ist bereits in Sicht: „Der neue gesellschaftliche Megatrend
       heißt Achtsamkeit“, sagt Christoph Klocker, Sprecher des Arbeitskreises
       Ratgeberverlage im Börsenverein des Deutschen Buchhandels und Verlagschef
       von Gräfe und Unzer. Der aus der buddhistischen Lehre entlehnte Begriff
       ließe sich auf nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche münzen: Akzeptanz
       und Toleranz entwickeln. Gegenüber dem Lebenspartner, den Kindern, der
       Natur. Oder dem eigenen Körper.
       
       ## Wichtig: Der „Kann ich auch“-Effekt
       
       Griffige Formeln, klare Handlungsanweisungen, die leicht umzusetzen sind,
       dazu noch ein Titel, der ins Herz geht – so könnte das Erfolgsrezept für
       Ratgeber lauten. „Ein erfolgreicher Ratgeber lebt von einer hohen
       Empathie“, sagt Klocker. Ein glaubwürdiger Experte solle beim Leser einen
       „Kann ich auch“-Effekt erzeugen. Aber auch immer Verständnis für die
       Unzulänglichkeit des Normalbürgers durchscheinen lassen.
       
       Man mag dieses Genre belächeln. Wie der Spiegel, der 1951 die deutsche
       Ausgabe von Carnegies „Sorge dich nicht – lebe!“ zum Anlass machte, mit dem
       jungen Genre abzurechnen: „Gute Ratschläge und binsenweise Erfolgsrezepte
       sind in diesen Büchern dezent in interessante Storys verpackt“, ätzte das
       Magazin und deckte auf, dass die Leserschaft vor allem aus begeisterten
       Biografielesern bestand, die sich im leuchtenden Beispiel der Großen sonnen
       wollten.
       
       Das Bedürfnis nach Orientierung ist dennoch groß: Der deutsche
       Ratgebermarkt wächst seit Jahren wie keine andere Warengruppe des
       Buchhandels. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels vermeldet für 2013
       ein Umsatzplus von 5,5 Prozent. Und das trotz Konkurrenz durch das Internet
       samt Selbsthilfeforen jeder Art.
       
       Nach einer kurzen Delle triumphieren gedruckte Ratgeber wieder über frei
       flottierende Netzweisheiten. Experten führen das auf den
       Vertrauensvorsprung zurück, den ausgewiesene Experten genießen. Auch in den
       USA, wo Stars noch stärker den Ton angeben, ist das so. Allerdings gilt der
       Blick der Leser dort nach wie vor den Klassikern Glück, Geld, Liebe,
       Erfolg, während ein Blick auf die aktuellen Top 20 hierzulande belegt, dass
       sich die immer älter werdenden Deutschen vor allem fürs gesündere und
       längere Leben interessieren.
       
       ## Vertrauen in Experten
       
       Die Gedächtnisweltmeisterin Christiane Stenger gibt Tipps für die tägliche
       Hirnfitness, Pastorin Margot Käßmann für das richtige Trauern, und die
       Sexologin Ann-Marlene Henning rät langjährigen Paaren zu mehr Sex.
       
       Doch neben den Büchern, die Expertenwissen rund um biografische
       Erfolgsgeschichten herum erzählen, sind noch immer die gefragt, die dem
       klassischen Do-it-yourself-Prinzip folgten. Ganz wie zu Dale Carnegies
       Zeiten: „Menschen verstehen und lenken: Ein FBI-Agent erklärt, wie man
       Körpersprache für den persönlichen Erfolg nutzt“, herausgegeben von dem
       einstigen Agenten Joe Navarro. Oder „Mut zum Absprung: So entstehen
       Höhenflüge“ von dem ehemaligen Skispringer Alexander Pointner.
       
       Höher, schneller, weiter. Oder weiterkommen mit Achtsamkeit. Carnegie
       nannte das damals: Umsicht, Rücksicht, Reflexion. Auch kein schlechter
       Vorsatz fürs neue Jahr.
       
       7 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nina Apin
       
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