# taz.de -- Charlie Hebdo in der arabischen Welt: „Je suis fed up“
       
       > Beim dänischen Karikaturen-Streit brannten noch Fahnen und Botschaften.
       > Diesmal gibt es wichtigere Themen: Krieg, Ölpreis und Flüchtlinge.
       
 (IMG) Bild: Trauerveranstaltung in Kairo für die Getöteten bei Charlie Hebdo.
       
       KAIRO taz | „Je suis fed up“ – ich bin es leid, heißt es seitens der
       gläubigen und weltoffenen ägyptischen Journalistin Amira Howeidi. Sie ist
       es leid, in die Terrorecke gestellt zu werden, wenn sie
       Mohammed-Karikaturen kritisiere. Eine Haltung, der man überall in Ägypten
       begegnet. Natürlich, heißt es immer wieder, sind wir dagegen, dass Menschen
       wegen einer Karikatur umgebracht werden, aber das bedeute doch nicht, dass
       man die Karikaturen unter allen Umständen gutheißen müsse.
       
       „Ich respektiere eure Werte in Europa, aber ihr solltet auch unsere im
       Orient respektieren.“ Das sagt nicht ein islamischer Scheich, sondern ein
       koptisch-orthodoxer Priester. Natürlich gebe es Meinungsfreiheit. Aber das
       bedeute nicht, dass man das angreifen könne, was einem besonders nahe sei,
       den Glauben, um dann zu erwarten, dass einem das nichts ausmache, sagt
       Pater Samuel. Dann fügt er den selbstverständlichen Nachsatz hinzu, dass
       Ärger über einen Angriff auf den Glauben niemals einen Mord rechtfertige.
       
       Ein paar Tage nach dem Marsch in Paris entdeckt Europa die Außenansicht der
       arabischen und islamischen Welt. Der Mufti Ägyptens hat eine Erklärung
       herausgegeben. Das neue Titelblatt von Charlie Hebdo sei eine weitere,
       nicht zu rechtfertigende Provokation für die Gefühle von eineinhalb
       Milliarden Muslimen, heißt es dort. Ägyptens oberster Fatwa-Geber warnt
       zugleich, dass das eine neue Welle des Hasses auslösen könnte. Ansonsten
       findet man den üblichen Aufschrei auf den militanten Webseiten. Aber das
       wars bisher.
       
       Die ägyptischen Zeitungen widmen sich am Morgen der ersten Ausgabe von
       Charlie Hebdo nach dem Attentat anderen Themen: dem fallenden Ölpreis,
       Millionen von Flüchtlingen aus Syrien, dem Krieg in Syrien und dem Irak. Am
       Tag der Anschläge berichteten einige arabische Fernsehstationen zunächst
       über die Flüchtlinge, die bei einem Wintereinbruch im Libanon in ihren
       Zelten erfroren sind, erst dann kamen die Meldungen über die Attentate.
       
       ## Kritik an Stereotypen und Doppelstandards
       
       Brannten im dänischen Karikaturen-Streit nicht nur Fahnen, sondern auch
       Botschaften, und kam es damals an mehreren Orten zu gewalttätigen
       Demonstrationen, so ist die bisherige Reaktion auf Charlie Hebdo
       gelassener. Das hat wohl auch damit zu tun, dass die damaligen Regimes von
       Mubarak bis Assad die Karikaturen im fernen Dänemark als brauchbares Ventil
       empfanden, den Ärger der Menschen über ihre Herrschaft in andere Bahnen zu
       lenken. Sie konnten demonstrieren, ohne das jeweilige Regime zu gefährden.
       Wer für die Verteidigung des Propheten auf die Straße ging, musste nicht
       befürchten, im Gefängnis zu landen. Vier Jahre, nachdem sich viele Araber
       gegen ihre Regimes erhoben haben, wird die Karikaturen-Debatte wesentlich
       differenzierter geführt.
       
       Dabei spiegelt sich oft auch die Diskussion unter Muslimen in Europa. Die
       britisch-muslimische Journalistin und Autorin Myriam François-Cerrah merkt
       zum Thema Stereotype und Dppelstandards an, man habe das Bilder von Juden
       mit Hakennasen hinter sich gebracht, aber Darstellungen von Araber mit
       langen Nasen seien jetzt üblich, bis hin zum Propheten Mohammed. Dabei
       werden manche der Karikaturen von Charlie Hebdo durchaus mit Wohlwollen
       betrachtet. Etwa die, in der ein militanter Islamist dem Propheten den Kopf
       abschlägt. Das sei symbolisch dafür, dass die Religion von Radikalen
       gekidnappt worden sei, wird François-Cerrah zitiert.
       
       Auch die marokkanisch-amerikanischen Schriftstellerin Laila Lalami finden
       Widerhall und werden immer wieder auf arabischen Facebook-Seiten geteilt.
       „Ich bin es leid, dass bigotte Argumente gegen die Karikaturen mit
       ernsthafter Kritik gleichgesetzt werden“, merkt sie an. „Und ich bin es
       leid, dass jeder, der versucht, Zusammenhänge zu erklären, sofort dem
       Vorwurf ausgesetzt wird, einen Anschlag rechtfertigen zu wollen.“
       
       14 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim El-Gawhary
       
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