# taz.de -- Mahnwache für „Charlie Hebdo“: Protestsoll nicht erfüllt
       
       > Für einige waren zu wenige Muslime auf der Demo für die Opfer von Paris.
       > So ein Quatsch! Es gehen ja auch mehr zu Mario Barth als zur
       > NSU-Mahnwache.
       
 (IMG) Bild: Zweifellos Muslima.
       
       Er ist und bleibt eben doch ein durchtriebenes Schlitzohr, dieser Muslim.
       Seit Jahren ist es das Standardargument aller „islamkritischen“ Warner:
       Wenn die hier lebenden Muslime wirklich gegen den Terrorismus wären, warum
       rufen sie dann nicht zu Kundgebungen dagegen auf? Warum bekennen sie sich
       nicht dazu, dass es keine Gewalt im Namen Allahs geben darf? Warum stellen
       sie sich nicht öffentlich gegen die Terroristen? Und dann? Machen sie’s
       einfach.
       
       Weil sich Merkel und Gabriel nicht auf eine gemeinsame Kundgebung einigen
       konnten, hatten verschiedene muslimische Verbände genau dazu aufgerufen.
       Die „Mahnwache“ für die Opfer der Anschläge von Paris fand am Dienstagabend
       vor dem Brandenburger Tor statt, initiiert unter anderem vom Zentralrat der
       Muslime und der Türkischen Gemeinde in Berlin.
       
       10.000 Menschen sind gekommen, die damit immerhin zum Ausdruck brachten,
       dass sie generell dagegen sind, andere zu erschießen, weil sie
       Mohammed-Karikaturen zeichnen oder Juden sind. Als Redner war der
       Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, geladen. Am Ende
       rief er: „Je suis Charlie“. Ihm wird schon klar gewesen sein, welche
       Chiffre er da benutzt.
       
       Aber so leicht lässt der Deutsche sich nicht täuschen. Das RTL-Nachtjournal
       merkt an: „Für eine muslimische Veranstaltung waren es zu wenige Muslime.
       Vielleicht 2.000. Doppelt so viele kommen, wenn Erdogan Wahlkampf macht in
       Berlin.“ [1][Stern.de fasst den Abend so zusammen]: „Bei dieser Mahnwache
       waren fast mehr Minister als Moslems.“ Jetzt wäre es natürlich interessant
       zu erfahren, woher die Zahlen stammen.
       
       ## Vorschlag: den Muslims vorher Buttons anheften
       
       Haben die Reporter die Teilnehmer einzeln nach ihrer Religionszugehörigkeit
       befragt oder von der Zahl verschleierter Frauen hochgerechnet und, wenn ja,
       nach welchem Faktor? Eins zu zehn, weil die meisten ohnehin das Haus nicht
       verlassen dürfen? Haben sie die Muselmanen am Knoblauchgeruch erkannt? Oder
       an der Hakennase, und, wenn ja, wie haben sie die von jüdischen
       Trittbrettfahrern unterschieden? Konstruktiver Vorschlag fürs nächste Mal:
       den Muslims vorher Buttons anheften. Oder in der Tradition des
       christlich-jüdischen Abendlandes vielleicht kleine Sterne.
       
       Ja, es ist wohl so: Es gehen mehr Muslime zum Auftritt eines Clowns wie
       Erdogan als zu einer Mahnwache für getötete Zeichner von
       Mohammed-Karikaturen. Allerdings sind womöglich auch ein paar Deutsche mehr
       zu Mario Barth ins Olympia-Stadion gezogen als zu den legendären
       Großkundgebungen für die Opfer des NSU-Terrors. Ganz zu schweigen vom
       weltberühmten Marsch der Millionen Christen nach den Attentaten des
       Kreuzzüglers Anders Breivik. Oder den wöchentlichen Mahnwachen christlicher
       Aktivisten für die Opfer des Klu-Klux-Clans oder für erschossene
       Abtreibungsärzte.
       
       Natürlich ist es seltsam, wenn sich Vertreter von eher konservativen
       Verbänden jetzt mit Charlie Hebdo solidarisieren. Oder wenn
       Milli-Görüs-Anhänger Fahnen schwenkend für das Recht auf Blasphemie oder
       für Toleranz gegenüber dem jüdischen Glauben eine Mahnwache halten.
       
       Ja, man wünschte sich, es wären mehr Muslime zur Mahnwache gekommen. Und
       mehr andere Deutsche. Aber offizielle Vertreter islamischer Verbände, des
       Zentralrats der Juden, der christlichen Kirchen und der Bundesregierung Arm
       in Arm im Gedenken an die Opfer einer explizit antiklerikalen
       Satirezeitschrift für gegenseitige Toleranz werbend, das könnte trotz allem
       auch ein vorsichtiger Anfang, ein kleines Zeichen der Hoffnung sein.
       
       Wie wichtig das ist, zeigen nicht nur die zunehmenden Angriffe auf Juden,
       sondern auch manch ressentimentgeladener Kommentar in deutschen Medien.
       
       14 Jan 2015
       
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 (DIR) [1] http://www.stern.de/politik/deutschland/mahnwache-in-berlin-fast-mehr-minister-als-moslems-2166065.html
       
       ## AUTOREN
       
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