# taz.de -- Kommentar Führungskrise bei Pegida: Die Frustrierten bleiben
       
       > Pegida ist vorbei. Die dahinterliegende aggressive Politikverdrossenheit
       > bleibt aber. Nur wie wird sie sich in Zukunft äußern?
       
 (IMG) Bild: Abfahrt. Kathrin Oertel und Achim Exner auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft
       
       Es hat sich ausspaziert. Aber wären die Organisatoren von Pegida jetzt
       nicht mit einem lauten Knall auseinandergegangen, hätten sich die
       abendlichen „Spaziergänge“ der selbstberufenen Retter des Abendlands sicher
       bald von selbst totgelaufen. Denn ihren Zenit hat die Bewegung schon
       überschritten: Bereits zur letzten Kundgebung der „Patriotischen Europäer“
       am vergangenen Sonntag in Dresden kamen weniger Leute als zuvor. Und es sah
       nicht danach aus, als wären es in Zukunft noch mehr geworden, die in
       Dresden gegen eine angeblich drohende Islamisierung auf die Straße gehen
       wollten. Anderswo kam die Protestbewegung kaum über ein paar versprengte
       Häuflein von Rechtsextremen hinaus.
       
       Das Phänomen, für das „Pegida“ als Chiffre steht, hat sich damit aber nicht
       erledigt: eine aggressive Politikverdrossenheit, die sich gegen Flüchtlinge
       und Muslime, aber auch gegen die etablierten Parteien und „die Medien“
       richtet. Nachdem die nächste, für kommenden Montag geplante Kundgebung der
       „Patrioten“ in Dresden abgesagt wurde, ist offen, wie es damit weitergeht
       oder ob Pegida in anderer Form weiterleben wird: als Bürgerbewegung, die
       den diffusen Ärger der Pegidisten in konkrete politische Forderungen
       übersetzt? Als außerparlamentarischer Arm der „Alternative für
       Deutschland“? Oder werden sich die Wutbürger von Pegida in die eigenen vier
       Wände zurückziehen, um ihren Hass bevorzugt in den virtuellen Raum des
       Internets zu blasen?
       
       Fest steht, dass Pegida auf eine „Repräsentationslücke“ verwiesen hat, wie
       es der Dresdner Politologe Werner Patzelt formuliert: dass sich ein Teil
       der Bürger, vor allem in Sachsen, von den etablierten Parteien und Medien
       nicht repräsentiert fühlt. Dass bundesweit sehr viele Menschen in Umfragen
       eine grundsätzliche Sympathie mit den Anliegen von Pegida bekundet haben,
       zeigt, dass dieser Befund auch über Sachsen hinaus gilt. Insofern war es
       richtig, Pegida ernst zu nehmen und mit einigen dieser Frustrierten das
       Gespräch zu suchen.
       
       Auch wenn es lokale Gründe gab, warum Pegida ausgerechnet in Sachsen
       entstehen und nur dort so stark werden konnte, so war es immer zu einfach,
       deren Protest als ein reines Ost-Problem abzutun. Denn Ressentiments gegen
       Muslime und Flüchtlinge gibt es auch anderswo – und zwar nicht nur in
       konservativen, sondern auch in linken und liberalen Kreisen. Und wo hatten
       die Pegida-Leute ihre Islam-Angst denn her? Von Bestseller-Autoren wie
       Thilo Sarrazin und Udo Ulfkotte, Alice Schwarzer oder Henryk M. Broder, die
       schon lange das Schreckensbild einer angeblichen Islamisierung Deutschlands
       an die Wand malen.
       
       Auch [1][Heinz Buschkowsky], der Bürgermeister von Berlin-Neukölln, oder
       der [2][verstorbene Ralph Giordano], die selbst in der taz als „Aufklärer“
       und irgendwie knuffige Typen gefeiert wurden, dienten als Stichwortgeber
       für jenen populären Anti-Islam-Diskurs, den die Pegida-Leute lediglich
       aufgegriffen haben. Sie mögen sich zwar gewählter ausdrücken als der
       Pegida-Mob, der nicht vor verdächtigem Nazi-Vokabular zurückschreckte. Sie
       bedienten aber deren Ressentiments – und stammen allesamt aus dem Westen
       der Republik. Jede selbstgerechte Häme über angeblich unbelehrbare Ossis
       ist daher fehl am Platz.
       
       ## Eingeschränkte Gesprächsangebote
       
       Der andere Fehler, den der Politologe Patzelt und andere wohlmeindende
       Pegida-Versteher wie SPD-Chef Sigmar Gabriel, Sachsens CDU-Innenminister
       Ulbig oder Frank Richter, der Leiter der sächsischen Landeszentrale für
       politische Bildung, gemacht haben, ist, die Dresdener Ansammlung von
       Frustrierten für Volkes authentische Stimme zu halten und nur mit ihnen das
       Gespräch zu suchen. Denn ein „Runder Tisch“, wie ihn manche für Dresden
       gefordert haben, hätte dort unbedingt auch Flüchtlinge und Muslime
       einschließen müssen.
       
       Deshalb ist es eine wichtige und überfällige Geste, dass
       SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi und Familienministerin Manuela Schwesig
       am Donnerstag nach Dresden gereist sind, um dort mit Flüchtlingen, Muslimen
       und anderen besorgten Bürgern der Stadt zu sprechen. Es ist auch eine
       Ohrfeige für die Verantwortlichen in Sachsen, die von selbst nicht auf
       diese Idee gekommen sind.
       
       Denn das Volk sind nicht nur die, die am lautesten schreien. Aufgabe der
       Politik ist es auch, mit denen zu sprechen, die unter deren aggressiven
       Aufmärschen zu leiden haben.
       
       29 Jan 2015
       
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