# taz.de -- Hausbesetzerszene in Berlin: „Ein Kind der städtischen Krise"
       
       > Armin Kuhn hat ein Buch über den Häuserkampf geschrieben und vergleicht
       > darin die Besetzerbewegung vor und nach dem Mauerfall.
       
 (IMG) Bild: Sah man früher häufiger in Berlin: Transparente, die eine Besetzung verkünden.
       
       taz: Herr Kuhn, in Ihrem neuen Buch „Vom Häuserkampf zur neoliberalen
       Stadt“ vergleichen Sie die Besetzungsbewegung in Westberlin der 70er Jahre
       und die nach dem Mauerfall in Ostberlin. Wo sehen Sie die größten
       Unterschiede? 
       
       Arnim Kuhn: Die Besetzungsbewegung der 1980er war ein Kind der städtischen
       Krise. In den wenigen Monaten, in denen massenhaft Häuser besetzt wurden,
       wurde klar, dass die Vision einer zentralstaatlich gesteuerten, autogerecht
       durchgeplanten Stadt an ihr Ende gekommen ist. Anfang der 1990er Jahre war
       diese Übergangssituation längst vorbei. Das Leitbild einer neoliberalen
       Stadt hatte sich durchgesetzt, auch wenn die Institutionen der behutsamen
       Stadterneuerung noch eine Weile vor den übelsten Auswirkungen geschützt
       haben.
       
       Wurden Stadtbau und andere Sanierungsträger nicht in der
       BesetzerInnenbewegung oft bekämpft? 
       
       Viele der Sanierungsträger, Mieterberatungen, PlanerInnen und
       EntscheidungsträgerInnen der behutsamen Stadterneuerung stammen selbst aus
       der Besetzungsbewegung. Die radikaleren Strömungen waren dagegen immer
       skeptisch gegenüber einer stadtpolitischen Engführung der Hausbesetzungen
       und haben die Institutionalisierung abgelehnt. Ihnen ging es um mehr als
       den Erhalt der Häuser oder Verbesserungen im Lebensumfeld. Diese
       Positionierung war nicht falsch. Allerdings hat der Blick auf die behutsame
       Stadterneuerung als Verrat an den Zielen der Besetzungen oder als
       Vereinnahmungsmaschine, blind für die wichtigen Erfolge der
       Hausbesetzungsbewegung der 1980er gemacht.
       
       Können Sie Beispiele nennen? 
       
       Ohne die damaligen Legalisierungen hätten heutige Bewegungen kaum
       Ressourcen, die zur Organisierung wichtig sind. Ohne die institutionellen
       Absicherungen und – vielleicht noch wichtiger –, den symbolischen Konsens
       der behutsamen Stadterneuerung hätten ökonomische Aufwertung und
       Verdrängung in Berlin viel früher eingesetzt und wäre viel schneller
       verlaufen. Dafür genügt ein Blick auf viele westeuropäische oder
       US-amerikanische Städte.
       
       Aktuell wird in Berlin wieder über neue Hausbesetzungen diskutiert. Können
       die was von ihren VorgängerInnen lernen? 
       
       Die früheren Besatzungen standen für eine Vorstellung von Stadt als Raum
       der Teilhabe, der alle BewohnerInnen einschließt und zur Gestaltung ihrer
       eigenen Lebensumstände ermächtigt. Die Hausbesetzungen der 1980er Jahre
       haben dieses Versprechen verkörpert und gelebt. Auch die Hausbesetzungen
       der 1990er, nur das Teile dieses Versprechens schon in das neoliberale
       Modell von Stadt eingingen. Wenn heute über Besetzungen diskutiert wird,
       geht es vor allem um die Frage: Welche Vorstellungen von Stadt können
       aktuelle Bewegungen der krisenhaften neoliberalen Stadt entgegen setzen und
       welche Rolle kann die praktische Aneignung von Raum für solche
       Vorstellungen spielen?
       
       ■ Das Buch wird heute um 20 Uhr von Arnim Kuhn im Stadtteiladen Zielona
       Gora in der Grünbergerstraße 73 in Friedrichshain vorgestellt
       
       4 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Nowak
       
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