# taz.de -- Wohnungsunternehmen übernimmt selbstverwaltete Immobilien: Wohnprojekte in Sorge
       
       > Autonome Hausprojekte fürchten höhere Kosten für die selbst instand
       > gehaltenen Häuser: Die will die Stadt an die Saga verkaufen.
       
 (IMG) Bild: Verhandlungen um die Jägerpassage: Die Südterrasse wurde 1989 besetzt.
       
       HAMBURG taz | Der Deal des SPD-Senat kurz vor der Wahl lief beinahe
       geräuschlos ab. Bereits im Dezember beschloss die Bürgerschaft, ein großes
       Paket an Immobilien mit 900 Wohnungen aus dem Besitz des „Landesbetrieb
       Immobilienmanagement und Grundvermögen“ an das städtische
       Wohnungsunternehmen Saga zu verkaufen.
       
       Für über 120 Millionen Euro, weil die Saga ein „hervorragender
       Wohnungsverwalter“ sei, so die Begründung. Mit von der Partie sind etwa das
       Wohnprojekt Chemnitzstraße 3-7 und das Bauernhaus des Druckerei-Kollektiv
       Zollenspieker am Hauptdeich 54.
       
       Nun steht der nächste Schritt bevor. „Denn perspektivisch sollen alle
       städtischen Wohnimmobilien an die SAGA gehen“, sagt Finanzbehörden-Sprecher
       Daniel Stricker. Ein Vorhaben, dass bei den Wohnprojekten auf wenig
       Begeisterung stößt: Die befürchten nun, dass ihre ökonomische Existenz und
       Autonomie auf dem Spiel stehen könnte.
       
       „Selbstverwaltete Wohnprojekte und eine auf Rendite ausgerichtete
       Aktiengesellschaft passen nicht zusammen“, kritisiert Christiane Hollander
       vom Mieterverein Mieter helfen Mietern.
       
       Die alte Hausbesetzer-Bewegung der 1970er bis Ende der 1980er-Jahre war
       erfolgreicher, als heute manch einer glaubt. Damals besetzten Menschen
       marode, verrottete und nicht selten von der Saga verwaltete Häuser, um sie
       vor dem Abriss zu bewahren und als billigen Wohnraum zu erhalten. Im
       Gegenzug erklärten sie sich bereit, die Sanierung selbst zu übernehmen.
       Dafür bekamen sie vertraglich auch die Selbstverwaltung zugesichert.
       
       Wohnareale wie die Falkenried-Terrasse oder das Schröderstift wurden nach
       jahrelangen Auseinandersetzungen schließlich erhalten. Mit dem ABB-Programm
       für alternative Baubetreuung legte die SPD ein Programm für billigen
       Wohnraum auf, das selbstbestimmte Wohn und Lebensformen unterstützen
       sollte. Auch die ehemals besetzten Hafenstraße-Häuser, die in eine
       eigenständige Genossenschaft überführt wurden, sind von den Bewohnern mit
       Hilfe des Programms saniert worden.
       
       Heute sind viele Wohnprojekte essentieller Bestandteil gewachsener
       Stadtviertel geworden – vom Bergedorfer Mohnhof bis zur Ohlsdorfer „Fuhle“
       oder der Wilhelmburger Fährstraße. Kritiker des geplanten Verkaufs an die
       Saga sehen diese Projekte nun bedroht. Vor allem, weil durch mögliche
       Mietsteigerungen wertvolle soziale und kulturelle Angebote verloren gehen
       könnten.
       
       Ein Opfer der städtischen Verkaufspolitik gibt es bereits: Das
       queer-feministische Wohn und Werkstatt-Projekt Villa Magdalena K. in der
       Bernstorffstraße auf St. Pauli ist bereits 1997 klammheimlich an die Saga
       verkauft worden – ohne dass die Bewohner darüber informiert wurden.
       
       Das 1989 von rund 50 Frauen besetzte leerstehende Gebäude hat die Stadt
       unter rot-grüner Ägide dem städtischen Wohnungsunternehmen vermacht. Die
       Bewohner des Projektes erfuhren erst Ende 2011 davon. „Bis dahin war der
       Saga wohl selbst nicht bewusst, dass sie unser Haus zusammen mit anderen
       eingekauft hatte“, mutmaßt eine Bewohnerin.
       
       Um ihre Zukunft bangen nun auch die Bewohner des Wohnprojekts Jägerpassage
       auf St. Pauli. Denn in diesem Jahr läuft mit dem „Sanierungsgebiet
       Wohlwillstraße“ auch eine Art Schutz aus. Anschließend könnte die Saga nach
       der Übernahme der Gebäude auch profitorientierter agieren und etwa die
       Mieten erhöhen, so die Befürchtung der Bewohner. „Bei unserem Projekt wird
       sich zeigen, wie sozial die Saga tatsächlich ist“, sagt eine Bewohnerin.
       
       Saga-Sprecherin Kerstin Matzen räumt ein, dass dem Unternehmen bei der
       paketweisen Übernahme „städtischer Liegenschaften“ auf Senats-Direkte schon
       mal der Überblick verliere, wer in der Immobilien wohnt. Deshalb finde auch
       gerade eine Bestandsaufnahme statt. „Die Tatsache, dass sich in einem Haus
       ein Wohnprojekt befindet, ist aber im Grundsatz kein Problem“, sagt Matzen.
       
       Einige Projekte, die sich im „Dachverband autonomer Wohnprojekte Hamburg“
       organisiert haben, begrüßen eine Idee, die die Grünen im Wahlkampf
       vorgeschlagen haben: Sie wollen, dass die Wohnprojekte nicht in den Besitz
       der Saga, sondern stattdessen in die Trägerschaft der städtischer Stiftung
       „Wohnungen für Menschen in Notlagen“ übergehen. Der grüne
       Bürgerschaftsabgeordnete Olaf Duge hält seinem Modell zugute, dass es
       Immobilien dauerhaft sichert und die Selbstbestimmung weiter erhalten
       bleibt.
       
       Klar ist aber auch, betonen Vertreterinnen des Dachverbands gegenüber der
       taz, dass das grüne Stiftungsmodell immer noch Zukunftsmusik ist und es
       auch nicht für alle Projekte in Betracht kommen wird. Deshalb plädieren sie
       dafür, nach weiteren Lösungen zu suchen.
       
       23 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai von Appen
       
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