# taz.de -- Angewandte Nächstenliebe: Die Hassmails Evangelikaler
       
       > Seit ihrer parlamentarischen Initiative gegen den Prediger Olaf Latzel
       > wird Bremens Linksfraktion mit Hassmails bombardiert.
       
 (IMG) Bild: Die Fantasien der Frommen
       
       BREMEN taz | Anders als viele Mails, die Kristina Vogt in den letzten Tagen
       erreicht haben, ging die Postkarte anonym bei ihr ein. Sie zeigt ihr
       Gesicht mit einem roten Kreuz versehen neben Highheels und Handschellen.
       Noch expliziter wird’s auf der Rückseite, da wird die Vorsitzende der
       Linksfraktion in der Bremer Bürgerschaft als „Nymphomanin“, „rote
       Faschistin“ und „Missgeburt“ beschimpft.
       
       Drei solcher Schreiben hat Vogt nun auf ihrer Facebookseite veröffentlicht.
       Sie will den Hass publik machen, der ihr als Abgeordnete in Form
       zahlreicher Emails und Postsendungen entgegenschlägt. Verwundert habe sie
       das zwar nicht, sagt sie: „Mich erschreckt aber das Gedankengut, was
       dahinter steckt.“ Es sei ihr wichtig, „dass die Öffentlichkeit weiß, was
       unter der Oberfläche bei vielen an Gedankengut vorhanden ist“.
       
       Die „Vielen“ – damit meint Vogt die „Schäfchen“ des Pastors Olaf Latzel.
       Dass tatsächlich Anhänger des umstrittenen Hasspredigers der Bremer
       [1][Sankt-Martini-Gemeinde], die dem evangelikalen Spektrum angehört,
       hinter den Schreiben stecken, geht ebenfalls aus der Postkarte hervor:
       „Hände weg von unserem Pastor“, lautet der letzte Satz, der da geschrieben
       steht.
       
       Den Zorn der Evangelikalen zog Vogt auf sich, indem sie vergangene Woche im
       [2][Parlament] eine Initiative startete, mit der die Bürgerschaft eine
       politische Bewertung der Causa Latzel vornehmen sollte. In der Debatte
       verurteilte die Bürgerschaft die umstrittene Predigt des Pastors Olaf
       Latzel scharf, in der er am 18. Januar alle andere Konfessionen schmäht,
       die von seinen Glaubenssätzen abweichen.
       
       Das Parlament distanziere sich von allen Versuchen, unter dem Deckmantel
       von Predigt und Schriftauslegung Hass gegen Anders- und Nichtgläubige zu
       verbreiten, heißt es in einem Beschluss, die am vergangenen Mittwoch
       parteiübergreifend verabschiedet wurde.
       
       Mit Ausnahme der CDU-Opposition, die dem Antrag mit dem Argument nicht
       zustimmte, dass es sich zwar um „das krude Ergebnis einer Eiferei“ handele,
       nicht aber um eine Hasspredigt. Und auch die rechtspopulistischen Bürger in
       Wut (BIW) lehnten den Antrag „Bremen ist bunt – gegen Hasspredigten und
       Diskriminierung von der Kanzel“ ab.
       
       Latzel, der Mann, der einmal seinen Hund erschoss, weil er ihm nicht
       gehorchen wollte und er ihm seine Bissigkeit nicht austreiben konnte –
       verurteilte den Beschluss der Bürgerschaft als einen tiefen Einschnitt in
       die Religionsfreiheit. Und auch die evangelisch-konservative Konferenz
       Bekennender Gemeinschaften hatte das Votum der Bürgerschaft kritisiert. Das
       Parlament habe sich „zum Zensor über Predigten aufgespielt“, behauptete der
       Hamburger Pastor Ulrich Rüß. Das, so der Vorsitzende der
       Kirchenkonservative, gehe die Abgeordneten aber nichts an:
       „Übergriffigkeiten dieser Art kennt man eher bei Diktaturen.“
       
       ## Shitstorm für Die Linke
       
       In den darauf folgenden Tagen erhielten neben der Linksfraktion, auch SPD
       und Grüne erboste Emails. Doch so krude und teilweise auch strafbewehrte
       Anfeindungen haben der Vorsitzenden der Linksfraktion zufolge nur ihre
       Partei erreicht. „Offensichtlich nimmt man es Linken immer noch übler, wenn
       sie sich zu solchen Themen äußern“, sagt Vogt.
       
       So viele Hassmails, wie in den vergangenen Tagen haben Kristina Vogt noch
       nicht einmal vor einem Jahr erreicht – als die Debatte über Homophobie und
       sexuelle Vielfalt im Schulunterricht in Bremen ihren Höhepunkt erreichte
       und im Bremischen Schulgesetz die Sexualkundeerziehung erneuert wurde. Eine
       Liberalisierung, die von fundamentalen, selbst erklärten Familienschützern
       als „Gender-Ideologie“ bezeichnet wurde.
       
       Medial hat sich auch die Wochenzeitung Junge Freiheit dem jüngsten Streit
       um den Bremer Pastor Latzel angenommen. Wie auch eine Reihe bekannter
       rechtspopulistischer Blogs und Hetz-Portale, darunter, "Politically
       Incorrect“ (PI), „blu-News“ und „Die freie Welt“.
       
       Kürzlich führte Latzel aus, dass in den vergangenen 50 Jahren in
       Deutschland mehr Menschen durch Abtreibung als früher durch den Holocaust
       gestorben seien. Die Linken-Fraktionschefin bezeichnete das als
       „unverzeihlich“, weil er damit den Holocaust relativiert habe.
       Entsprechende Formulierungen findet Vogt nun auch in den Mails. „Auch da
       wird der Holocaust mit der Zahl abgetriebener Kinder relativiert“, sagt
       sie.
       
       ## Antisemtische Gedanken
       
       Die Staatsanwaltschaft prüft noch, ob sie ein Verfahren wegen
       Volksverhetzung oder Beschimpfung von Religionsgesellschaften gegen Latzel
       einleitet. Und auch Vogt überlegt nun, ob sie Strafanzeige gegen die
       Verfasser einer Mail und einer Postkarte stellt. Doch erst einmal geht es
       ihr um eine „öffentliche Sensibilisierung“, wie sie sagt. Es sei
       beunruhigend, dass die Verfasser dieser Post, mit Dreistigkeit – und unter
       Namensnennung – inzwischen ganz extremes und auch antisemitisches
       Gedankengut ganz offen vertreten.
       
       Für Vogt ein Beleg dafür, dass sich das politische Klima verändert hat. Es
       scheine dem Zeitgeist zu entsprechen, dass menschenverachtendes Gedanken
       offener ausgesprochen werden als zuvor, sagt sie.
       
       25 Feb 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.st-martini.net
 (DIR) [2] http://www.bremische-buergerschaft.de/index.php?id=507&area=&np=&navi=informationsdienste6&npoint=7,1,1&titel=Bremen+ist+bunt+--+gegen+Hasspredigten+und+Diskriminierung+von+der+Kanzel&dn=D18L1742.DAT&lp=18&drucksachennr=&ppnr=&buergerschaftart=1&edatum=2015-02-12&elementref=6657
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lena Kaiser
       
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