# taz.de -- Buch über römische Mafia: Besser als Keynes
       
       > Neofaschisten, Berlusconi und Kommissar Zufall: In De Cataldos und
       > Boninis Krimi „Suburra“ läuft die Mafia zur Hochform auf.
       
 (IMG) Bild: Ein Anschlag aufs Büro des Politikers Mirco Coratti in Rom, Januar 2015. Gegen Coratti wird zum Skandal um die „Mafia Capitale“ ermittelt.
       
       Jugendlich, dynamisch, japanisch. So könnte man Samurai beschreiben,
       Giancarlo De Cataldos Boss der römischen Mafia. Mit den alten
       süditalienischen Clans verbindet ihn nichts. Was ihn nicht daran hindert,
       strategische Bündnisse einzugehen, um des lieben Friedens willen.
       
       Den braucht er für seine Vorhaben, und kein Carabiniere soll ihm, nur weil
       sich irgendwelche Kleinkriminellen auf der Straße gegenseitig abmurksen, in
       die Parade fahren. Samurais Wurzeln liegen woanders. Er entstammt den
       faschistischen Schlägertrupps, die sich aus den Hooligans der beiden
       römischen Fankurven rekrutieren, seit Jahrzehnten. Nun ist er ihr Führer.
       
       Inspiration für die Figur des Samurai, der Verbindungen bis in die höchste
       Politik unterhält, holte sich De Cataldo in der Realität, bei Massimo
       Carminati, dem Boss der sogenannten Mafia Capitale, der Hauptstadtmafia.
       Seit vorigen Dezember sitzt der im Knast. Vier Romane hat De Cataldo ihm
       und seinem Clan gewidmet, der bekannteste, „Romanzo Criminale“, wurde sogar
       zweimal verfilmt, als Spielfilm 2005 und vier Jahre später noch einmal als
       Serie.
       
       Als Richter am Schwurgericht hatte der heute 58-Jährige Einblick in die
       Ermittlungsakten und konnte so für seine Mafiaromane, die zusammengenommen
       eine süchtig machende Chronik italienischer Verhältnisse ergeben, stets aus
       dem Vollen schöpfen. Doch diesmal, für den furiosen Politthriller „Suburra
       – Schwarzes Herz von Rom“, waren De Cataldo und sein Koautor, der
       Investigativjournalist Carlo Bonini, stärker auf eigene Recherchen
       angewiesen.
       
       „Wir haben den Roman geschrieben, ein Jahr bevor die jüngsten Ermittlungen
       gegen Carminati öffentlich wurden. Wir hatten also keine 'geheimen'
       Informationen vorab und waren stärker auf Spekulationen angewiesen“, sagt
       De Cataldo im taz-Gespräch. Das ist auch der Grund, warum Roms
       Exbürgermeister Gianni Alemanno, gegen den wegen seiner Verbindungen zum
       ultrarechten Sumpf der Stadt nun ebenfalls ermittelt wird, im Buch nicht
       vorkommt.
       
       ## Militante Neofaschisten
       
       „Wir wussten, dass auch er, wie Carminati, früher militanter Neofaschist
       war. Es wäre möglich, dass die beiden sich im Gefängnis begegnet sind. Aber
       wir konnten uns, als wir am Roman saßen, einfach nicht vorstellen, dass
       heute eine enge Verbindung zwischen den beiden besteht. Genauso wenig wie
       zu Salvatore Buzzi, ebenfalls ein Ex-Rechtsterrorist, dessen Genossenschaft
       in den letzten Jahren Unsummen mit Roma- und Flüchtlingsunterkünften
       verdient hat, alles im Dienste der Mafia Capitale. Das ist erst kürzlich
       bekannt geworden.“
       
       Im Vergleich zu Gianni Alemanno ist der Politiker Pericle Malgradi von der
       fiktiven Partei „Rialzati, Roma“ (Erhebe dich wieder, Rom), der die atemlos
       erzählte Handlung des Romans ins Rollen bringt, ein kleines Licht. Nachdem
       ihm beim Stelldichein mit zwei Nutten – auch Berlusconi lässt grüßen – eine
       der beiden an einer Überdosis krepiert ist, wendet er sich zwecks
       Entsorgung der Leiche zunächst an den fiesen Straßenmafioso Spadino, und
       als er erpresst wird, an einen anderen Clan. Wozu hat man schließlich
       Verbindungen.
       
       Ihn will De Cataldo verstanden wissen als Typus, wie ihn die Comedia
       dell’arte vorsieht. „Malgradi steht für alles, was man über verschiedene
       italienische Politiker seit langem in den Zeitungen lesen musste.“ Das
       Projekt freilich, das der korrupte Politiker auf Geheiß von Samurai
       voranbringen soll, gab es wirklich: ein gigantisches Bauvorhaben am Strand
       von Ostia. Hotels, Bürobauten, Clubs, ein künstlicher Berg mit ebensolchem
       Schnee und – wie sollte es anders sein – ein überdimensionierter
       Yachthafen. „Rom ans Meer“, diese Direktive Mussolinis wäre mit einem
       Schlag Realität geworden.
       
       ## Nicht so genau hinschauen, wo das Geld herkommt
       
       Glaubt man dem Autorengespann, hängen alle mit drin: die Mafia, der
       Vatikan, die Politik. Geldwäsche, zahllose Kirchenneubauten, sozialer
       Wohnungsbau und Veruntreuung öffentlicher Gelder, am Ende ist für jeden
       etwas dabei. Es ist Eurokrise, Rezession, die öffentliche Hand ist knapp
       bei Kasse, da schaut man nicht so genau, wo das Geld herkommt. Gut auch für
       alle, die Arbeit brauchen: „Samurai ist besser als Keynes“, heißt es an
       einer Stelle im Roman.
       
       Beteiligt am Bündnis ist auch der mafiöse Clan der Anacleti, einer seit
       langem am Tiber ansässigen Roma-Familie. Ein Bündnis zwischen Faschos, die
       immer wieder Pogrome gegen Roma initiieren, und Roma selbst. Ein Witz im
       Roman? „Keineswegs“, sagt De Cataldo, „der Clan existiert wirklich.“ Mit
       der Ideologie nehmen es die Rechten in Italien schon lange nicht mehr so
       genau.
       
       Es ist denn auch ein Enttäuschter, von Samurai nach einem Disput über die
       ideologische Ausrichtung zutiefst gedemütigter früherer Faschist, der,
       inzwischen als ermittelnder Polizist, dem Mafioso das Handwerk zu legen
       versucht. Für ihn beginnt der Fall mit dem ermordeten Spadino. Und er,
       Commissario Marco Malatesta, der gründlich Geläuterte, will nicht eher
       ruhen, als bis er Samurai das Handwerk gelegt hat. An seiner Seite zwei
       toughe Frauen: seine Kollegin Alba Bruni und die internetaffine linke
       Aktivistin Alice. Nach und nach erst entdecken die drei die Ausmaße und die
       Hintermänner des Projekts.
       
       Am Ende spielt ihnen dabei auch Kommissar Zufall in die Hände. Oder sollte
       man lieber sagen, eine Änderung der politischen Großwetterlage? „Heute
       spricht keiner mehr über das Bauvorhaben. Es ist tot“, berichtet De
       Cataldo. „Und der neue Bürgermeister Ignazio Marino von der PD hat alle
       großen Projekte unter Rechtsaufsicht stellen lassen.“ Es gibt also
       Hoffnung.
       
       18 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christiane Müller-Lobeck
       
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