# taz.de -- Unter Beobachtung: Grüne finden Filmen gut
       
       > Niedersachsens Busse und Bahnen werden fast flächendeckend überwacht.
       > Kein Problem für die Grünen, die eine Petition gegen diese Kameraflut
       > ablehnen.
       
 (IMG) Bild: Kamera im öffentlichen Verkehrsmittel: Auch in der Region Hannover kann man mit der S-Bahn nicht mehr ungefilmt unterwegs sein
       
       HANNOVER taz | „Weniger Bürgerrechte, mehr Überwachung“ lautet der neue
       politische Kurs der niedersächsischen Grünen. Findet zumindest die
       Piratenpartei. Und es gibt einen Grund, der sie zu dieser Einschätzung
       bringt: Gemeinsam mit der SPD lehnten die Grünen vor Kurzem im
       Niedersächsischen Landtag eine Petition ab, die forderte, die
       flächendeckende Videoüberwachung im öffentlichen Personennahverkehr
       zurückzufahren. Statt diese Petition an die Landesregierung zu überweisen
       wurde sie nach kurzer Debatte kassiert. Lediglich die FDP verwahrte sich
       erfolglos dagegen, das Petitionspapier zu beerdigen.
       
       „Dies ist eine Kehrtwendung um 180 Grad, die wir so von einer ehemaligen
       Bürgerrechtspartei wie den Grünen nicht erwartet hätten“, sagte Andreas
       Neugebauer, Vorsitzender der niedersächsischen Piraten. Die Ablehnung durch
       die rot-grüne Landtagsmehrheit sei wiederum eine konsequente „Fortführung
       von datenschutzfeindlichen Entscheidungen“ der rot-grünen Koalition in
       Niedersachsen.
       
       Diese Einschätzung teilt Michael Ebeling, Datenschutzaktivist und Mitautor
       der Petition. Schon vor gut einem Jahr hatte er mit einigen
       Gesinnungsgenossen die Petition an den Landtag auf den Weg gebracht. In ihr
       wird die niedersächsische Landesregierung aufgefordert, ihren Einfluss
       geltend zu machen, „um die Videoüberwachung im öffentlichen
       Personennahverkehr (ÖPNV) zu reduzieren oder ganz einzustellen“.
       
       Die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) ist eine
       hundertprozentige Tochter des Landes Niedersachsen und für die Ausweitung
       einer inzwischen fast flächendeckenden Videoüberwachung in
       Nahverkehrszügen, S-Bahnen und Bussen verantwortlich. Denn die LNVG hat
       ganz explizit von den Betreibern des Zugverkehrs Kameras in Bussen und
       Zügen eingefordert. Bereits Ende 2013 teilten die S-Bahn-Betreiber der
       Region Hannover stolz mit, dass sie nun sämtliche S-Bahnen mit
       Videoüberwachung ausgestattet hätten.
       
       Ebeling ist überzeugt, dass diese Form der Kontrolle nicht rechtmäßig ist.
       Bereits vor Jahren berief sich die Konferenz der Datenschutzbeauftragten
       beim Thema Videoüberwachung auf das Recht auf informationelle
       Selbstbestimmung, nach dem jeder selbst bestimmen können muss, wer was wann
       und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß und formulierte: „Alle Menschen
       haben das Grundrecht, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen, ohne dass ihr
       Verhalten durch Kameras aufgezeichnet wird. (...) Videoüberwachung darf
       nicht großflächig oder flächendeckend installiert werden.“
       
       Nun aber könnten sich, argumentiert Ebeling, Menschen die auf die Nutzung
       der öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen sind, dieser flächendeckenden
       Beobachtung nicht mehr entziehen. Ihr Grundrecht auf Freizügigkeit sei
       drastisch eingeschränkt. „Ich habe von den Grünen nichts anderes erwartet“,
       sagte Ebeling. „Das informationelle Selbstbestimmungsrecht hat bei ihnen
       keine Priorität mehr.“
       
       Auch die FDP habe sich nur für die Petition engagiert, weil sie gerade in
       der Opposition sei. Gerade bei Themen wie Datenschutz und informationelle
       Grundrechte erlebe er bei Grünen und Liberalen seit Jahren ein munteres
       Bäumchen-Wechsel-dich-Spiel – je nachdem welche Partei gerade auf der
       Oppositions- oder Regierungsbank Platz nehme.
       
       Der grüne Landtagsabgeordnete Belit Onay hatte übrigens die Ablehnung der
       Petition damit begründet, dass die öffentliche Diskussion über
       Videoüberwachung in Bahnen und Bussen bereits laufe und daher keine Debatte
       abgewürgt werde. „Und diese Debatte werden die Grünen natürlich
       weiterführen“, beteuerte der Abgeordnete und stoppte anschließend gemeinsam
       mit seinen Fraktionskollegen die Petition.
       
       16 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
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