# taz.de -- Noch kein Prozess gegen Nazi-Offizier: Staatsanwalt bei SS zögerlich
       
       > Ein SS-Offizier, der für Massaker in Italien verantwortlich sein soll,
       > wurde nicht angeklagt. Die Staatsanwaltschaft will mehr
       > Gesundheitsgutachten.
       
 (IMG) Bild: Bei Gedenkfeier für Opfer in Sant'Anna die Stazzema: Bundespräsident Joachim Gauck.
       
       HAMBURG taz | Während in Lüneburg gegen einen ehemaligen SS-Unteroffizier
       aus Auschwitz verhandelt wird, tut sich die deutsche Staatsanwaltschaft
       merkwürdig schwer mit dem Fall des SS-Offiziers Gerhard Sommer. Als
       Kompaniechef soll sich Sommer im August 1944 an der Ermordung von 560
       Menschen im italienischen Sant’Anna di Stazzema beteiligt haben.
       
       Sommer ist 93 Jahre alt. Ein Gutachten hat ihm bescheinigt, eingeschränkt
       verhandlungsfähig zu sein. Doch die Staatsanwaltschaft will das
       paradoxerweise nicht so ohne weiteres akzeptieren und hat mehrere neue
       Gutachten in Auftrag gegeben.
       
       Sommer war 2006 von einem Militärgericht in Rom zu lebenslanger Haft und
       zur Zahlung von 100 Millionen Euro Entschädigung verurteilt worden. Einem
       Auslieferungsbegehren Italiens ist Deutschland nicht nachgekommen. Enrico
       Pieri, ein Überlebender des Massakers in Sant’Anna di Stazzema wollte sich
       damit nicht abfinden.
       
       Er beauftragte die Hamburger Rechtsanwältin Gabriele Heinecke als
       Nebenklagevertreterin eine Klage zu erzwingen. „Wir wollen keine Rache,
       aber Gerechtigkeit“, sagt Pieri.
       
       Die Hamburger Staatsanwaltschaft und die Stuttgarter
       Generalstaatsanwaltschaft hatten das deutsche Verfahren gegen Sommer
       einstellen wollen. Sie beriefen sich auf eine Aussage von Sommers Tochter,
       ihr Vater sei schwer an Demenz erkrankt.
       
       Das Oberlandesgericht (OLG) in Karlsruhe folgte dem nicht: Gegen den
       damaligen Untersturmführer der SS-Panzergrenadier-Division „Reichsführer
       SS“ bestehe ein hinreichender Tatverdacht und er sei auch „eingeschränkt
       verhandlungsfähig“, urteilte es im August 2014. Die Behauptung der Tochter,
       er sei schwer an Demenz erkrankt, widerlege ein Gutachten.
       
       Anwältin Heinecke bewertete die Karlsruher Entscheidung als einen
       „Durchbruch gegen die Amnestie für überlebende NS-Kriegsverbrecher“. Doch
       dem Erfolg seien bisher keine Konsequenzen gefolgt. Im Gegenteil: Der
       Rechtsanwältin scheint es, als ob die Hamburger Staatsanwaltschaft auf Zeit
       spiele, indem sie immer neue Gutachten zum Gesundheitszustand Sommers
       anfordere.
       
       Nach der Entscheidung des OLG muss nun die Staatsanwaltschaft an der Elbe
       erneut prüfen, ob Anklage erhoben werden kann. Neue Gutachten zum
       Gesundheitszustand wurden in Auftrag gegeben. „Sie bestätigten eine
       Verhandlungsfähigkeit“, sagt Heinecke.
       
       Nana Frombach, die Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft, bestätigt,
       dass diese selbst zwei weitere Gutachten in Auftrag gegeben habe, da ihr
       die anderen nicht genügten. Seit kurzem liege auch das letzte Gutachten
       vor. „Das muss jetzt überprüft werden“, sagt sie. Wann es zu einer
       Entscheidung komme? Vielleicht in vier Wochen, schätzt Frombach.
       
       Schon vor knapp zehn Jahren, am 22. Juni 2005 hatte das Militärtribunal La
       Spezia zehn ehemalige Angehörige der SS-Panzergrenadier-Division schuldig
       gesprochen, an dem „schlimmsten Massaker an Zivilisten während des Zweiten
       Weltkriegs in Italien“ beteiligt gewesen zu sein.
       
       Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Sommer als SS-Untersturmführer,
       eine „bedeutende Funktion“ bei der Ermordung von 560 alten Männern, Frauen
       und Kindern in Sant’Anna am 12. August 1944 hatte.
       
       In den frühen Morgenstunden jenes Augusttages war die vierte Kompanie,
       angeführt von Sommer, in das toskanische Dorf eingefallen. Binnen vier
       Stunden hatte die SS 440 Männer und Frauen sowie 120 Kinder erschlagen,
       erschossen oder verbrannt. Von den über 30 geladenen Zeugen aus Deutschland
       sagten nur zwei Ex-SSler aus.
       
       Adolf Becker berichtete, dass auf dem Kirchplatz 200 Frauen und Kinder, auf
       den Knien betend, mit Maschinengewehren erschossen worden seien. Sommer,
       der in einen noblem Alten und Pflegeheim seinen Lebensabend verbringt,
       fühlt sich unschuldig. „Ich habe mir keine Vorwürfe zu machen“, sagt er.
       
       27 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Speit
       
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