# taz.de -- Terrorverdächtiger über Islamismus: „Die V-Leute wären arbeitslos“
       
       > Das Islamische Kulturzentrum in Bremen wurde im Februar das vierte Mal
       > durchsucht. Der Vorsitzende wehrt sich gegen Kriminalisierung.
       
 (IMG) Bild: Polizisten durchsuchen Ende Februar das Islamische Kulturzentrum in Bremen
       
       taz: Herr Habibzada, die Bremer Polizei und Verfassungsschutz observieren
       das Islamische Kulturzentrum (IKZ) seit Jahren. Vom Bremer Innensenator
       Ulrich Mäurer (SDP) heißt es, wegen Kontakten nach Saudi-Arabien… 
       
       Omar Habibzada: Wenn die Experten des Verfassungsschutzes sich ein wenig
       Mühe gäben, dann würden sie verstehen, dass – ganz unabhängig von dem
       politischen System dort – Saudi-Arabien das wichtigste Land für die Muslime
       ist. Dort liegt unser Mekka. Täglich wenden sich über eine Milliarde
       Muslime in der Welt zum Gebet dorthin. Die Pilgerfahrt kann nur dort
       vollzogen werden. Da liegen Prophetenmoschee und grab, das ist das Land der
       Offenbarung. Von dort aus hat sich der Islam in die ganze Welt verbreitet.
       Da sind die islamischen theologischen Universitäten und so weiter. Ägypten
       ist das zweitwichtigste Land in Bezug auf die islamische Theologie. Wie
       eben für die Schiiten der Iran und der Irak wichtig sind…
       
       … oder für die Katholiken der Vatikan… 
       
       … so sind für uns sunnitische Muslime spirituell und theologisch
       Saudi-Arabien und Ägypten wichtig. Für die politischen Systeme dort können
       wir nichts. Nebenbei gesagt: Saudi-Arabien ist politisch, militärisch und
       wirtschaftlich ein wichtiger Verbündeter der USA und ein Partner
       Deutschlands. Was wird uns vorgeworfen?
       
       Offenbar, dass Sie aus Saudi-Arabien, aus einer Ecke, die den gewalttätigen
       Salafismus unterstützt, Geld bekommen. 
       
       Das ist Quatsch. Ich sage Ihnen: Wenn Innensenator Mäurer nachweisen kann,
       dass wir von saudischen Kreisen, die gewalttätige Islamisten unterstützen,
       Geld bekommen, dann werde ich als Vorsitzender dieser Gemeinde
       zurücktreten. Und wenn er das behauptet und nicht nachweisen kann, dann
       soll er zurücktreten. Ich hatte in der Pressekonferenz nach dem 28. Februar
       das Angebot gemacht, auf der politischen Ebene Gespräche mit dem
       Innensenator zu führen. Ich habe den Eindruck, dass der Innensenator oder
       der für Religionsangelegenheiten zuständige Bürgermeister Böhrnsen kein
       realistisches Bild von unserer Gemeinde haben. Sie verlassen sich auf die
       Quellen des Verfassungsschutzes, und da sind sie nicht gut beraten.
       
       Sie meinen, die Behörden agierten parteilich? Woran machen Sie das fest? 
       
       Einige Monate vor dem Terror-Aufmarsch Ende Februar hat es im vergangenen
       August gewalttätige Auseinandersetzungen in der Bremer Neustadt gegeben.
       Zwei Mitglieder unserer Gemeinde, Studenten, hatten mit einem dritten,
       einem Deutschen, in einem Restaurant über einen konvertierten Deutschen
       gesprochen. Sie ahnten dabei nicht, dass am Nebentisch jesidische Kurden
       saßen. Die haben sich offenbar provoziert gefühlt. Mir wurde berichtet,
       dass die Jesiden zu ihnen kamen und gefragt haben: Seid ihr stolz darauf?
       Unsere Gemeindemitglieder haben gesagt: Natürlich sind wir stolz darauf,
       wenn jemand zum Islam konvertiert. Die sollen dann sofort Messer gezückt
       haben. Die Polizei hat das auch über Zeugenaussagen in ihren Akten, einem
       der Studenten wurde der Arm gebrochen, als mit einem Stuhl auf seinen Kopf
       eingeschlagen wurde und er das abwehren wollte.
       
       Hat die Polizei ermittelt, wer die Täter waren? 
       
       Die Polizei hat nichts ermittelt. Sie war nicht in der Lage oder wollte
       nicht. Aber wir konnten der Polizei später mitteilen, wer die Täter waren.
       
       Das war, als der Islamische Staat in Kobane einmarschieren wollte, und die
       Kurden auch in Bremen empört waren. 
       
       Es gab damals in verschiedenen Städten gewalttätige Auseinandersetzungen
       zwischen Kurden und gläubigen Muslimen. Ich habe einen kurdischen Muslim,
       den ich lange kenne, gebeten, ob er nicht vermitteln könnte. Das waren ja
       nicht Rangeleien zwischen Jugendlichen, sondern hatte einen politischen
       Hintergrund. Er wollte das machen. Er hatte dann in der Neustadt eine
       Verabredung zu einem Gespräch in dieser Sache…
       
       … und dann wurde er überfallen. Laut Polizeibericht stiegen fünf Männer aus
       einem schwarzen BMW und schlugen ihm mit einer Axt an den Kopf. Sie sollen
       auch Schlagstöcke und eine Pistole dabei gehabt haben. 
       
       Sie haben versucht, ihn zu töten. Er musste ins Krankenhaus, er hatte neben
       der Kopfverletzung auch mehrere Schnitte von Macheten auf dem Rücken und
       Arm. Ich habe heute noch ein schlechtes Gewissen, dass ich ihn um diese
       Vermittlung gebeten habe. Hätte ich das nicht getan, wäre ihm das nicht
       passiert.
       
       Die Staatsanwaltschaft sagt, die Polizei kenne die Hintergründe dieses
       Vorfalls nicht. 
       
       Wir haben uns an die Polizei gewandt und mit der Polizeiführung gesprochen.
       Ich habe ihnen das zu erklären versucht. Man hat den Vorgang aber immer
       wieder in die Ecke von Kriminalität schieben wollen und den politischen
       Zusammenhang geleugnet. Stellen Sie sich einmal vor, so ein Überfall wäre
       von Muslimen ausgegangen und zwar gegenüber Jesiden – es hätte eindeutige
       Pressemitteilungen der Polizei und ein großes Echo gegeben. Wir haben um
       eine Vermittlung mit der jesidischen Gemeinde gebeten. Die Polizeiführung
       hat dazu erklärt, die Jesiden steckten allgemein in einer Opferrolle und
       das politische Klima sei nicht geeignet für vermittelnde Gespräche.
       
       Die Polizei hat den Taxifahrer gesucht, der den Verletzten ins Krankenhaus
       gebracht hat. 
       
       Wir haben der Polizei das Kennzeichen des beteiligten Autos gegeben und die
       Namen der Täter. Die Polizei hatte sich gewundert, wie wir das
       herausbekommen haben. Sowohl das Opfer des nächtlichen Überfalls als auch
       die Opfer aus dem Restaurant waren bei der Polizei, um anhand von Fotos die
       Täter zu identifizieren. Sie wurden da aber mehr zu unserer Gemeinde und zu
       meiner Person gefragt als zu den Vorfällen selbst. Das Opfer des
       nächtlichen Überfalls ist gar nicht Gemeindemitglied, konnte also auch
       wenig sagen. Er hat sich darüber sehr gewundert. Wir haben dann nichts mehr
       davon gehört – bis zum 28. Februar, bis zu der Erstürmung und
       anschließenden Durchsuchung unsere Gemeinderäume. Wir sind aus allen Wolken
       gefallen.
       
       Wie haben Sie das erlebt? 
       
       Ich kam von der Arbeit, habe die ganzen Polizeiautos gesehen. Aber offenbar
       war die Absperrung nicht vollständig, ich bin jedenfalls bis zum IKZ
       gekommen. Als ich dann die Treppe hoch kam, war die Polizei sehr überrascht
       und fragte mich, wie ich dahin komme. Die Polizei hat eine Maschinenpistole
       auf mich gerichtet und gesagt: Wo wollen sie hin? Ich habe gesagt, ich will
       ins IKZ. Sie haben gesagt, das dürfe ich nicht. Dann habe ich ihnen
       erklärt, dass ich der Vorsitzende bin. Dann durfte ich hinein und habe die
       Menschen auf dem Boden gefesselt gesehen, die Spürhunde überall, die
       Polizisten liefen mit Schuhen durch unseren Gebetsraum. Ich habe dagegen
       protestiert. Ich wurde sogar zwei Mal abgetastet und durchsucht.
       
       Woher wissen Sie, dass V-Leute gegen Sie im Einsatz sind? 
       
       Als die Presse über die Erstürmung unserer Vereinsräume berichtet hat, sind
       zu uns Menschen gekommen, die berichtet haben, dass der Verfassungsschutz
       schon im September im kriminellen Milieu mit Migrationshintergrund
       herumgefragt haben soll, wer als V-Mann Aussagen über uns bestätigen
       könnte. Ihnen wurde ein bestimmter V-Status versprochen. Im Oktober soll
       auch das Landeskriminalamt Ähnliches versucht haben. Die Leute, die da
       angesprochen worden sind, sind keine religiösen Menschen, aber nachdem sie
       gehört haben, dass die Moschee mit Schuhen betreten wurde und dass da Hunde
       herumgelaufen sind, haben mehrere ein schlechtes Gewissen bekommen und sich
       entschuldigen lassen.
       
       Es gab nach den Übergriffen Gespräche darüber, wie Muslime sich schützen
       können. Könnte so ein Gespräch belauscht worden sein? Frauen sollten
       Pfefferspray bekommen… 
       
       Ich weiß nicht, was die V-Leute da berichtet haben. Aber was soll an
       Pfefferspray denn Schlimmes sein? Die V-Leute wären doch vermutlich
       arbeitslos, wenn sie die Wahrheit berichten würden. Seit 15 Jahren werden
       wir beobachtet. Der Verfassungsschutz filmt unseren Eingang und jeden, der
       in die Moschee kommt, aus dem 6. Stock des Gebäudes gegenüber. Die V-Leute
       müssen doch Geschichten erzählen, damit sie Geld verdienen und weiter
       beschäftigt werden.
       
       Unterscheidet der Verfassungsschutz nicht zwischen frommen Muslimen und
       islamischen Terroristen? 
       
       Unsere Moschee wurde in den letzten Jahren viermal durchsucht – ohne dass
       sich daraus irgendein Vorwurf gegen die Gemeinde oder einzelne
       Gemeindemitglieder ergeben hätte. Ich kann Ihnen sagen, dass in unserer
       Gemeinde das Vertrauen zur Polizei und auch zu dem Anspruch der
       Rechtsstaatlichkeit zerstört wurde. Es wird in der Gemeinde befürchtet,
       dass die Polizei nach diesen ständigen Leerläufen nächstes Mal die Beweise
       gleich mitbringen würde.
       
       Ihr Schatzmeister und Imam soll laut Verfassungsschutz zu Allah für die
       „Verbrennung“ aller ungläubigen „Kuffar“ und um die „Zerstörung“ der
       „dreckigen Juden“ und „schmutzigen Christen“ gebetet haben… 
       
       Es gibt eine eidesstattliche Versicherung vor Gericht, in der wir erklären,
       dass diese Behauptung nicht stimmt. Der V-Mann, der dem Verfassungsschutz
       über unsere Predigten berichtet, hat solche Aussagen übrigens auch nicht
       unserem Schatzmeister zugeordnet, sondern einem ausländischen Besucher. Ich
       war bei dieser Freitagspredigt am 19. Juli 2013, um die es geht, anwesend
       und habe nichts dergleichen gehört, so wie auch andere Gemeindemitglieder
       nicht. Der Freitagsprediger von damals, Herr Al-H., hat mir bestätigt, dass
       er so etwas nie sagen würde. Es würde dem Geist unserer Gemeinde völlig
       widersprechen, so etwas zu sagen. Wir rufen dazu auf, die hiesigen Gesetze
       zu respektieren und werben für ein friedliches Zusammenleben der
       verschiedenen Religionen und Kulturen.
       
       4 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Wolschner
       
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