# taz.de -- Kolumne Der rote Faden: Die Herzprinzessin hält Gericht
       
       > Die Bundeswehr hat Gewehre, die nicht geradeaus schießen, sich aber gut
       > nach Mexiko verkaufen lassen. Die Woche als Theaterstück.
       
 (IMG) Bild: Nebel wallt auf. Aus den Schwaden schiebt sich ein riesiges Gesicht. Es hat etwas von einer Schildkröte.
       
       Die Hardthöhe in kalter Nacht. Blitze, Donner. Herzprinzessin Ursula ist
       mit Hofstab und Beamten auf den Gipfel gezogen, um Gericht zu halten. Ihre
       Armee kann nicht mehr kämpfen. Die eine Hälfte der Gewehre ist kaputt, die
       andere verschwunden, irgendwo in Mexiko. Irgendwer muss bestraft werden. Es
       regnet, es regnet, die Erde wird nass.
       
       Herzprinzessin (erregt): Kopf ab, mit ihnen! Kopf ab!
       
       Erster Beamter: Aber mit wem denn, also bei wem denn?
       
       Herzprinzessin: Ja, bei den Verantwortlichen natürlich.
       
       Zweiter Beamter: Also mit den Verantwortlichen ist es so …
       
       Erster Beamter: … es lässt sich nicht feststellen, wer da …
       
       Zweiter Beamter: … Wir sind ein großer Apparat …
       
       Herzprinzessin: Kopf ab mit Euch, wenn Ihr keinen anderen findet! Kopf ab!
       Für alle, die artig waren, gibt es was Schönes. 41-Stunden-Woche, neue
       Laptops, Kinderbetreuung.
       
       Der Hofstab: Schööön.
       
       Herzprinzessin: Also???
       
       Erster Beamter: Der kauzige Gnatter war’s! Ja, Euer Vorgänger, wisst Ihr es
       denn nicht mehr?
       
       Zweiter Beamter: Erst hat er die Drohne bestellt, die dann nicht geflogen
       ist, den Euro Hawk …
       
       Zweiter Beamter: … und das mit dem Gewehr, schon vor Jahren hat er es
       gewusst, die Berichte sind eindeutig. Da steht, die Probleme seien von
       „erheblicher Einsatzrelevanz“.
       
       Der kauzige Gnatter (murmelnd): Aber ich habe doch gar nichts gemacht,
       immer nur Befehle befolgt. Sorge dafür, dass alles ruhig bleibt, haben sie
       gesagt, und es war doch so lange so schön ruhig.
       
       Herzprinzessin (flüsternd): Da schau sich einer den an, ausgemergelt, das
       Rückgrat immer gerade, als hätte ihm jemand eine Eisenrute dort eingezogen,
       aber der Blick gebrochen, die Lippen gesprungen, die Haut grau. Ekelhaft.
       (laut): Kopf ab!
       
       Der kauzige Gnatter (weiter murmelnd): Dienen, immer dienen. Geh ins
       Bundeskanzleramt, mach das mit den Geheimdiensten, haben sie gesagt,
       spionier die Franzosen aus, und dann Innenminister, überwach das Internet,
       haben sie gesagt, aber alles immer schön ruhig, keiner darf etwas merken,
       es ist alles ein großes Geheimnis …
       
       Zwei Soldaten ergreifen den Alten und schleppen ihn zum Richtblock. Auf
       ihre Rücken haben sie statt Gewehren Besen geschnallt. Schöne neue Besen.
       Plötzlich wallt Nebel auf. Aus den dunstigen Schwaden schiebt sich ein
       riesiges Gesicht. Mit seinen nach unten hängenden Mundwinkeln hat es etwas
       von einer Schildkröte.
       
       Der Hofstab: Die uralte Morla … äh … Angela … äh … die große Alte!
       
       Die große Alte: Was’n hier los?
       
       Herzprinzessin (schiebt das Kinn vor): Gerechtigkeit. Das ist hier los.
       
       Die große Alte: Ursula, komm doch mal rüber hier.
       
       Herzprinzessin (nähert sich zögernd dem großen Maul) 
       
       Die große Alte: Denkst du nur von zwölf bis Mittach?
       
       Herzprinzessin: Kein Grund, beleidigend zu werden! Kopf a… äh, nichts …
       
       Die große Alte: Schau ihn dir an, schau ihn dir genau an. Ein Kretin ist
       er, aber unser Kretin. Überall, wo du ihn hinstellst, da steht er. Und wenn
       er nicht mehr stehen kann, dann setz ihn auf einen Stuhl. Er fällt nicht
       um. All der Aufruhr, all der Schmutz in den vergangenen Jahren. Und auf wen
       haben die Leute gezeigt? Auf ihn. Denn wir haben ihn dorthin gestellt,
       mitten in den Dreck. Sag ihm, es gilt eine Latrine im Abort der Hölle
       auszuheben, und er wird graben, er wird sich freuen darüber, jedenfalls
       klagen wird er nicht.
       
       Herzprinzessin: Aber …
       
       Die große Alte: Wenn du diesen Schild wegwirfst, dann fliegt der nächste
       Haufen Mist, den der Pöbel wirft, auf dich. Und leider auf mich. Ich mag
       keinen Mist. Deshalb beende diesen Unsinn.
       
       Herzprinzessin (trotzig): Und wenn ich nun aber nicht will? Ich will
       nämlich nicht.
       
       Die große Alte (sich zurückziehend): Dann fress ich dich.
       
       Herzprinzessin: Oh … Okay. (laut) Alles nur Spaaaß, Leute. Lasst ihn frei.
       
       Erster Beamter: Und jetzt?
       
       Herzprinzessin: Klappe, sonst bist du dran.
       
       Zweiter Beamter: Ähem, es gibt da noch Arbeit.
       
       Herzprinzessin: Was denn?
       
       Emissär aus dem Morgenland: Entschuldigt, Euer Majestät. Man hört ja so
       einiges aus Euren Landen und da wollten wir, die Huthi-Rebellen aus dem
       Jemen, gerne sichergehen, dass 800 Leopard-2-Panzer nicht doch plötzlich in
       Saudi-Arabien auftauchen.
       
       Herzkönigin: Huthi-Rebellen? Aber ihr lebt doch in diesem Ruanda!
       
       Emissär: Huthi, nicht Hutu …
       
       Herzkönigin: Ich kann nicht alles machen, jetzt muss ich den Leuten auch
       noch sagen, wo sie wohnen. Kopf ab mit dem! Und dann schnell nach Hause,
       mir ist kalt.
       
       9 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Schulz
       
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