# taz.de -- Vor den Parlamentswahlen in Rumänien: Turbulenzen und Neuauszählung
       
       > Das Verfassungsgericht ordnet an, die Stimmen der Präsidentenwahl neu
       > auszuzählen. Das Chaos könnte sich auf die Parlamentswahl am Sonntag
       > auswirken.
       
 (IMG) Bild: Schlimme Befürchtungen in Bukarest: Calin Georgescu wird als Präsidentschaftskandidat, in die Stichwahl am 8. Dezember einziehen
       
       Berlin taz | Das rumänische Verfassungsgericht hat am Donnerstag die
       Neuauszählung der Stimmen veranlasst, die am Sonntag in der ersten Runde
       der Präsidentschaftswahlen abgegebenen worden waren. Der Beschluss erfolgte
       aufgrund einer Eingabe, die zwei unterlegene Präsidentschaftskandidaten
       gestellt hatten.
       
       Der EU-Abgeordnete Cristian Terheş von der Rumänischen
       Nationalkonservativen Partei (PNCR) und Sebastian Constantin Popescu von
       der Partei Neues Rumänien (PNR) forderten eine Annullierung der Wahlen und
       begründeten ihren Schritt mit dem Hinweis auf Unregelmäßigkeiten bei der
       Stimmauszählung. Die beiden Kandidaten erhielten 1,04 Prozent
       beziehungsweise 0,16 Prozent der Stimmen.
       
       [1][Sieger in der ersten Runde] waren der parteiunabhängige
       [2][Rechtsextremist Călin Georgescu] (22,94 Prozent) und die Kandidatin der
       neoliberalen Technokratenpartei Union Rettet Rumänien (USR), Elena Lasconi
       (19,18 Prozent). Ob nun die für den 8. Dezember angesetzte Stichwahl
       stattfinden wird, hängt von der zentralen Wahlbehörde (BEC) ab. Deren
       Leiter erklärte, dass eine Neuauszählung von über 9 Millionen Wahlzetteln
       innerhalb eines Tages unmöglich sei. Das Verfassungsgericht wird erst am
       Freitag entscheiden, ob dem Antrag einer Wahlannullierung stattgegeben
       wird.
       
       Der offizielle Start für die Eröffnung des Wahlkampfes für die zweite Runde
       der Präsidentschaftswahlen soll ebenfalls am Freitag erfolgen. Am selben
       Tag endet die Kampagne für die Parlamentswahlen, die für Sonntag, den 1.
       Dezember, angesetzt sind.
       
       ## Vorwürfe an den Tiktok-Kandidaten
       
       Von den politischen Turbulenzen profitieren die rechtsextremen Parteien.
       Diese könnten einen historischen Erfolg verbuchen, nachdem die
       Präsidentschaftskandidaten der Regierungsparteien, der Sozialdemokratischen
       Partei (PSD) und der National-Liberalen Partei (PNL) es nicht in die
       Stichwahl geschafft haben. Die Chefs der beiden stark angeschlagenen
       Parteien sind nach der ersten Runde zurückgetreten, was Auswirkungen auf
       das Verhalten der Stammwählerschaft haben dürfte.
       
       Die Spitzenkandidaten für das höchsten Amt im Staat, Călin Georgescu und
       Elena Lasconi, meldeten sich inzwischen zu Wort und warnten vor
       Entscheidungen, die die Rechtmäßigkeit des Wahlausgangs und die korrekte
       Stimmauszählung in Frage stellen. Auch zahlreiche Kommentatoren sprachen
       sich für eine Anerkennung des Wahlausgangs und Respekt demokratischer
       Spielregeln aus.
       
       Dem rechtsradikalen Kandidaten Georgescu war in den vergangenen Tagen
       vorgeworfen worden, er habe sich unlauterer Mittel im Wahlkampf bedient und
       seine auf Tiktok verbreiteten Spots nicht als Wahlpropaganda ausgewiesen.
       Gleichzeitig wurde ihm vorgehalten, er habe die für den Wahlkampf
       eingesetzten finanziellen Mittel verschleiert. Georgescu wies diese
       Anschuldigungen zurück und behauptete, keinerlei Unterstützung erhalten zu
       haben. Für ihn hätten sich ausschließlich Freiwillige eingesetzt, die von
       niemandem bezahlt wurden.
       
       ## Zum ersten Mal seit 1989 antifaschistische Proteste
       
       Ein Vertreter der USR, Ionuţ Moşteanu, forderte nach Bekanntgabe des vom
       Verfassungsgericht gefassten Beschlusses, die Stimmen neu auszuzählen, das
       Urteil rückgängig zu machen. Gleichzeitig lehnte er die Forderung mehrerer
       Politiker ab, Tiktok abzuschalten. Eine solche Maßnahme, melden
       übereinstimmend mehrere rumänische Medienportale, entspräche laut Moşteanu
       der Wiedereinführung der Zensur. Moşteanu forderte eine Überprüfung der
       [3][Nutzung von Tiktok durch Georgescu], den er als einen „prorussischen“
       Kandidaten bezeichnete.
       
       Gegen den kometenhaften Aufstieg des rechtsradikalen Călin Georgescu
       protestierten in zahlreichen Städten kleine antifaschistische Gruppen,
       Bürgerrechtler und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen. Zum ersten
       Mal nach dem Untergang des kommunistischen Regimes 1989 gibt es im
       öffentlichen Raum Proteste gegen die Ausbreitung profaschistischer Parteien
       und Bewegungen, die am Sonntag einen großen Erfolg verbuchen könnten.
       
       Sollten sich die Umfragewerte bewahrheiten, dann kämen die
       Rechtsextremisten auf bis zu 30 Prozent der Stimmen. Allen voran die Partei
       Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR) von George Simion, die Partei
       SOS Rumänien der EU-Abgeordneten Diana Şoşoacă, gefolgt von den bislang
       außerparlamentarischen Gruppierungen, der Partei der Jungwähler (PAT) und
       der Partei der rumänischen Patrioten (PPR). All diese Gruppierungen
       organisierten Gegendemonstrationen, um, wie es in einem heuchlerischen
       Aufruf hieß, dem „Faschismus der Antifa“ entgegenzutreten.
       
       28 Nov 2024
       
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 (DIR) William Totok
       
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