# taz.de -- Umweltbilanz von Cannabis-Anbau: Klimafreundlich kiffen
       
       > In Deutschland darf man jetzt Cannabis rauchen, besitzen und anbauen. Die
       > Produktion von Gras verursacht viel Treibhausgas – es geht aber auch
       > besser.
       
 (IMG) Bild: Da geht ein Licht auf: Die Zuchtlampen machen Cannabis potenziell klimaschädlich
       
       Deutschland erlaubt jetzt das Kiffen. Es hat ja eigentlich alles
       Auswirkungen aufs Klima – das auch? 
       
       Ja. Den Effekt zu bemessen ist aber gar nicht so einfach. Die
       Bundesregierung hat das sicherheitshalber gar nicht erst probiert. Auf
       Nachfrage verweist das für das Cannabisgesetz zuständige
       Gesundheitsministerium von Karl Lauterbach (SPD) wegen der fachlichen
       Expertise an das Agrarministerium von Cem Özdemir (Grüne), das verweist
       wegen der Federführung zurück. Robert Habecks (Grüne) Wirtschafts- und
       Klimaministerium vermutet Informationen bei Özdemir oder Umweltministerin
       Steffi Lemke (Grüne), wo man wiederum auf das Agrarministerium tippt. Würde
       die Ampel-Regierung den versprochenen Klimacheck umsetzen, müsste sie all
       ihre Gesetze auf Klimatauglichkeit prüfen. So aber tappt sie oft ökologisch
       im Dunkeln.
       
       ## Was erlaubt das Cannabisgesetz?
       
       Erwachsene dürfen in Deutschland seit dem 1. April legal Joints rauchen,
       auch ohne medizinische Notwendigkeit. Bis zu 25 Gramm Cannabis darf man mit
       sich herumtragen und am Wohnort insgesamt 50 Gramm besitzen. Wie viele
       Joints das ergibt, hängt von der persönlichen Dosierung ab, als Richtwert
       gelten drei pro Gramm. Volljährige Menschen, die seit mindestens einem
       halben Jahr in Deutschland leben, dürfen am Wohnort auch bis zu drei
       Cannabis-Pflanzen selbst anbauen – aber nur für den Eigenbedarf.
       
       Achtung: Gedeihen die drei Pflanzen gut, ergibt das wahrscheinlich mehr als
       die erlaubten 50 Gramm. Überschuss muss der Gesetzeslage nach vernichtet
       werden. Verkaufen darf man das Gras nicht, nicht einmal verschenken. Für
       den kommerziellen Anbau sind in Deutschland weiterhin nur drei Unternehmen
       zugelassen, Aurora Cannabis, Tilray und Demecan. Sie produzieren Cannabis
       für die medizinische Nutzung. Ab dem 1. Juli dürfen mehrere Menschen
       zusammen sogenannte Anbauvereinigungen bilden, entweder als Verein oder
       Genossenschaft. Wer sein eigenes Gras ziehen will, muss in jedem Fall
       „geeignete Sicherheitsvorkehrungen“ treffen, um Samen, Pflanzen und das
       fertige Marihuana vor unbefugtem Zugriff zu schützen, vor allem von
       Kindern.
       
       ## Gibt es Daten dazu, wie viel Treibhausgas die Produktion von Gras
       verursacht?
       
       Zum Beispiel aus den USA. Ein Forschungsteam um Hailey Summers von der
       Colorado State University kam in einer [1][Studie] auf eine Spanne von 2,3
       bis 5,2 Tonnen Treibhausgas pro Kilogramm getrockneter Blüten, je nach
       Region. Die Ergebnisse sind im Fachmagazin Nature Sustainability
       erschienen. Die Spanne erklärt sich in erster Linie dadurch, wie stark die
       jeweiligen Bundesstaaten auf klimaschädliche Kohle zur Stromgewinnung
       setzen.
       
       ## Heißt das jetzt, dass Kiffen immer klimaschädlich ist?
       
       Nein, man kann Cannabis auch viel klimafreundlicher anbauen. „Am
       niedrigsten ist der CO2-Fußabdruck bei Freilandanbau“, erklärt Agrarökonom
       Bernhard Osterburg vom Thünen-Institut in Braunschweig, das Forschung und
       Politikberatung zu Landwirtschaft, Wald und Fischerei betreibt. Pflanzen,
       die draußen in der Sonne stehen, brauchen schließlich keine Zuchtlampen –
       und deren enormer Energieverbrauch ist das, was die CO2-Bilanz des Kiffens
       potenziell schlecht macht. Auch dabei kommt es aber noch stark darauf an,
       wo die Produktion stattfindet. In Deutschland wurde im vergangenen Jahr
       mehr als die Hälfte des Stroms auf Basis von erneuerbaren Energien wie Wind
       und Sonne hergestellt. Das ist deutlich besser als der Strom, von dem zum
       Beispiel die US-Studie ausgeht.
       
       Beim Freilandanbau [2][geht das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und
       Verbrechensbekämpfung von 22,7 bis 326,6 Kilogramm Treibhausgas pro
       Kilogramm Cannabis aus]. Besonders schlecht ist die Bilanz, wenn für Äcker
       Wald gerodet wird. Der Klima-Fußabdruck hängt auch noch von etlichen
       weiteren Faktoren ab: Wie viel wird gepflügt, wie viel wird mit Stickstoff
       gedüngt, fahren Trecker mit Diesel umher?
       
       Auch die 22,7 Kilogramm CO2, die die Vereinten Nationen als Untergrenze für
       die Klimabilanz von Freiland-Cannabis angeben, sind für ein pflanzliches
       Agrarprodukt noch relativ viel. Ein Kilo Tomaten verursacht laut einer
       [3][Studie] des Ifeu-Instituts durchschnittlich nicht mal ganz ein Kilo
       Kohlendioxid. Aber: Da das neue Gesetz den Anbau von Cannabis immer noch
       stark begrenzt, ist eine richtige Agrarindustrie nicht zu erwarten – es
       darf ja nur für den Eigenverbrauch angebaut werden. Drei Pflanzen auf einem
       Blumenbeet fallen klimatechnisch kaum ins Gewicht. Ein Mittelweg zwischen
       voll beleuchtetem Innenanbau und dem völlig freien Garten oder Acker ist
       zudem noch das Gewächshaus.
       
       ## Wie wirkt sich nun das deutsche Cannabisgesetz aus?
       
       Wer jetzt seine Pflanzen ganz offen im Garten oder auf dem Balkon anbaut
       statt heimlich im beleuchteten Schrank, der spart Emissionen. Im Vergleich
       zu Marihuana, das nicht aus dem Eigenanbau stammt, ist dessen Herkunft
       entscheidend: Ersetzt man Gras von einem marokkanischen Feld oder welches
       aus einer Fabrikhalle mit Kunstlicht? Teilweise dürften die Schutzauflagen
       dagegen sprechen, draußen anzubauen, schließlich dürfen keine Dritten
       Zugriff haben.
       
       Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband vermutet zudem, dass die maximale
       Besitzmenge eher ein Anreiz für den klimaschädlichen Innenanbau ist. Im
       Garten ist schließlich nur eine Ernte im Jahr drin, die höchstens 50 Gramm
       ergeben darf. Wer mehr will, muss nach drinnen ausweichen. In der
       persönlichen Klimabilanz – und übrigens auch auf der Stromrechnung – fällt
       das dann durchaus ins Gewicht. Beim Deutschen Hanfverband schätzt man, dass
       ein 95-tägiger Erntezyklus für 50 Gramm Gras ungefähr 200 Kilowattstunden
       Strom erfordert. Das ist mehr, als ein durchschnittlicher Kühlschrank mit
       Gefrierfach im ganzen Jahr verbraucht. Verbessern kann man die Klimabilanz,
       indem man auf Ökostrom bei einem seriösen Anbieter umsteigt. Wurth vom
       Hanfverband ist selbst Fan vom klimafreundlichen Freilandanbau: „Mein Gras
       soll gerne Sonne gesehen haben.“
       
       5 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.nature.com/articles/s41893-021-00691-w
 (DIR) [2] https://www.unodc.org/res/wdr2022/MS/WDR22_Booklet_5.pdf?trk=public_post_comment-text
 (DIR) [3] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/6232/dokumente/ifeu_2020_oekologische-fussabdruecke-von-lebensmitteln.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Schwarz
       
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