# taz.de -- UN-Mission in Mali: Vor dem Aus
       
       > Im UN-Sicherheitsrat streiten Mali und Frankreich über die UN-Mission
       > MInusma. Die UNO nennt deren Lage „unhaltbar“.
       
 (IMG) Bild: UN-Patrouille in Timbuktu: Hier hat die UN-Mission solarbetriebene Straßenbeleuchtung installiert
       
       Berlin taz | So heftig geht es selten zu, wenn der UN-Sicherheitsrat
       [1][über eine Blauhelm-Mission diskutiert]. Frankreichs UN-Botschafter
       Nicolas de Rivière nannte die Unterdrückung von Berichten über [2][Massaker
       durch russische Wagner-Söldner in Mali] durch die dortige Militärregierung
       „inakzeptabel“ und erinnerte an das Menschenrechtsmandat der
       UN-Mali-Mission Minusma. Malis Vertreter Issa Konfourou empörte sich über
       die „Politisierung von Menschenrechten“ und warf Frankreich angesichts
       [3][eigener Menschenrechtsverletzungen in Mali] „selektive Erinnerung“ vor.
       
       Ein empörter de Rivière erwiderte, dass Frankreich 2013 auf Wunsch von
       Malis Regierung eingegriffen habe, um eine Machtergreifung durch
       islamistische Terrorgruppen abzuwenden, und dass 50 französische Soldaten
       für Mali ihr Leben gelassen hätten. Die Nerven lagen blank.
       
       Eigentlich ging es bei der UNO in New York am Mittwoch um die Zukunft der
       [4][Minusma], die 2013 auf Initiative Frankreichs entstanden war, um im
       Windschatten des französischen Kampfeinsatzes die Gebiete zu sichern, aus
       denen Frankreich Terrorgruppen verjagt hatte und in die Malis Staat noch
       nicht zurückgekehrt war. Auch [5][Deutschland] schickte Soldaten.
       
       Zehn Jahre und fast 200 tote UN-Soldaten später steht die Mission mit
       aktuell 12.237 Militärangehörigen vor dem Aus, weil Malis Militärregierung
       sie nicht mehr in der bisherigen Form will – und die UNO auch nicht.
       
       ## „Immense Herausforderungen“
       
       Minusma, heißt es im am Mittwoch vorgelegten jüngsten
       [6][Vierteljahresbericht der UNO], erfülle ihr Mandat unter „immensen
       Herausforderungen“, nämlich „unzureichende Stärke und begrenzte Kapazitäten
       im Vergleich zum Ausmaß der Bedürfnisse“, sowie „Einschränkungen ihrer
       Bewegungsfreiheit“. Immer wieder verweigerten Malis Behörden der UN-Mission
       Truppen- und Flugbewegungen. „In diesem Punkt ist die volle Kooperation der
       malischen Behörden von kritischer Bedeutung.“
       
       Allein in den ersten zwei Monaten des Jahres 2023 seien 297 von 1.231
       beantragten Fluggenehmigungen der Minusma verweigert worden, 238 davon für
       Drohnen und Überwachung und fast alle im Osten des Landes, wo islamistische
       Terrorgruppen am stärksten sind. Sechsmal hätten UN-Bodentruppen nicht
       ausrücken dürfen.
       
       Die Grundprobleme allerdings gehen tiefer. Zum einen wurde das
       Minusma-Mandat im Jahr 2019 ausgeweitet: sie ist nicht mehr nur im Norden
       des Landes aktiv, den Frankreich 2013 zurückerobert hatte, sondern soll
       auch im instabilen Zentrum Malis mit seinen ethnisch konfigurierten
       Landkonflikten Frieden schaffen. Aber das erfolgte „innerhalb bestehender
       Ressourcen“, so die UNO. Die Mission sei nun „überdehnt“.
       
       Dann verlor die Minusma ihren wichtigsten Schutz: Frankreichs Kampftruppen
       und Kampfhubschrauber. Weil die Zusammenarbeit mit Malis
       russlandfreundlicher Militärregierung sich als unmöglich erwies, [7][zog
       sich Frankreich 2022 zurück]. Ohne den französischen Schutzschirm ist
       Minusma quasi nackt.
       
       Seitdem kehrt ein UN-Kontingent nach dem anderen Mali den Rücken –
       Deutschland ist nur ein Abzugskandidat von vielen. Von vier Kompanien der
       in Gao stationierten „Mobile Task Force“ (MTF) der Minusma – eine
       Spezialeinheit, die anders als Blauhelme aktiv Angreifer bekämpfen soll –
       sind nach dem Rückzug von Schweden, Großbritannien und zuletzt Jordanien
       drei „nicht mehr einsatzfähig“, führt der neueste Minusma-Bericht aus.
       
       ## Am 30. Juni endet das aktuelle Mandat
       
       „Die aktuelle Lage ist nicht haltbar“, bilanzierte im Januar
       UN-Generalsekretär Antonio Guterres in einem [8][Evaluierungsbericht].
       „Kein Business as Usual“, wiederholten UN-Diplomaten im Sicherheitsrat am
       Mittwoch. Das aktuelle Minusma-Mandat läuft noch bis 30. Juni 2023. Eine
       Verlängerung ohne Veränderung ist unmöglich. Aber was kann sich ändern?
       
       Die Evaluierung vom Januar präsentierte mehrere Optionen. Entweder Minusma
       reagiert auf den Wegfall Frankreichs und auf die Vergrößerung ihrer
       Aufgaben, indem sie selbst stärker und kampffähiger wird – mit 3.680
       Soldaten mehr, darunter schnellen Eingreiftruppen, oder wenigstens 2.000.
       Oder sie konsolidiert sich und übergibt einige Basen an Malis Armee.
       
       Die dritte und kontroverseste Idee: Der militärische Teil von Minusma wird
       eingestellt, es bleibt eine rein politische Mission, die sich auf die
       Wahlen 2024 konzentriert.
       
       Verbal lehnen alle, auch Mali, diese letzte Option ab. Aber real geht die
       Tendenz in diese Richtung. Was das bedeutet, ist aber auch klar: eine
       Verschärfung der inneren Konflikte Malis.
       
       Bereits jetzt ist immer unklarer, ob wirklich im März 2024 Wahlen
       stattfinden. Ein für 19. März geplantes Referendum über eine neue
       Verfassung, die dem nächsten Präsidenten sehr weitreichende Vollmachten
       geben würde – Militärherrscher [9][Assimi Goita] soll mit einer Kandidatur
       liebäugeln – wurde Anfang März auf unbestimmte Zeit [10][verschoben], ein
       Warnsignal.
       
       Derweil ist im Nordosten Malis, in der Provinz Menaka östlich von Gao, der
       „Islamische Staat in der Großen Sahara“ (ISGS) auf dem Vormarsch; er soll
       fast die gesamte Provinz außerhalb der Stadt Menaka kontrollieren. Andere
       Islamisten erwägen Berichten zufolge nun eine erneute Zusammenarbeit mit
       ehemaligen Tuareg-Rebellen im Norden des Landes.
       
       Malis Regierung in der Hauptstadt Bamako weit im Süden könnte die Kontrolle
       über einen Großteil ihres Staatsgebietes bald verlieren. Dann würden sich
       Debatten über die Zukunft der UN-Mission ohnehin erübrigen.
       
       14 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://press.un.org/en/2023/sc15253.doc.htm
 (DIR) [2] /Mehr-als-200-Tote-bei-Armeeeinsatz/!5843155
 (DIR) [3] /UN-Bericht-zu-Mali/!5758747
 (DIR) [4] https://peacekeeping.un.org/en/mission/minusma
 (DIR) [5] https://www.bundeswehr.de/de/einsaetze-bundeswehr/mali-einsaetze/minusma-bundeswehr-un-einsatz-mali
 (DIR) [6] https://reliefweb.int/report/mali/situation-mali-report-secretary-general-s2023236
 (DIR) [7] /Antiterroreinsatz-in-Mali-wird-beendet/!5836117
 (DIR) [8] https://www.securitycouncilreport.org/un-documents/document/s-2023-36.php
 (DIR) [9] /Anfuehrer-der-Militaerjunta-in-Mali/!5708407
 (DIR) [10] https://foreignpolicy.com/2023/03/15/mali-constitution-referendum-coup-goita/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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