# taz.de -- Suizidassistenz: Gemeinsam gehen nach langer Ehe
       
       > Der Anteil der begleiteten Doppelsuizide nimmt zu. Die Zahl der
       > Suizidassistenzen steigt aber nicht bei allen Organisationen.
       
 (IMG) Bild: Robert Rossbruch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben, auf einer Pressekonferenz in Berlin
       
       Berlin taz | Man weiß nicht, ob man die Geschichte rührend finden kann oder
       nicht doch ein bisschen gruselig: Ein Ehepaar, beide über 90 Jahre alt,
       schreibt einen Brief an die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben
       (DGHS). Im April dieses Jahres, also in drei Monaten, feiern die beiden
       ihren 70. Hochzeitstag. Statt eines rauschenden Festes aber wünschen sie
       sich, gemeinsam „gehen zu können“- wie es in der Sprache der Suizidhelfer
       heißt. Der Termin für den gemeinsamen Suizid wird auf den kommenden
       Hochzeitstag gelegt.
       
       Robert Roßbruch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben
       [1][(DGHS)] erzählt von dem Beispiel der beiden sterbewilligen Eheleute,
       das ihn „sehr berührt“ habe. In dem Fall sei keiner der beiden
       Partner:innen todkrank gewesen, so Roßbruch. Die beiden erklärten
       vielmehr, sie hätten ein schönes gemeinsames Leben gehabt und nun sei es
       genug. Den Tod des anderen erleben zu müssen und die zunehmenden
       Einschränkungen, das wollte keiner der beiden, die lange schon Mitglieder
       der DGHS waren. Die Familie der beiden, so Roßbruch, toleriere die
       Entscheidung.
       
       „Lebensattheit“ heißt das Motiv, das in einem solchen Fall bei den
       Suizidhelfer:innen in der Statistik erscheint. 22 Prozent der
       begleiteten Selbsttötungen erfolgten deshalb, erst danach folgen
       Krebserkrankungen oder neurologische Erkrankungen in der Statistik.
       Häufiger noch, nämlich zu 28 Prozent, wird die „Multimorbidität“, also eine
       Vielzahl von Krankheiten auf einmal, als Motiv angegeben. Es sind Fälle, in
       denen Menschen zum Beispiel die Wohnung nicht mehr verlassen können, wenn
       Schmerzen dazukommen, schilderte Roßbruch. Viele der Sterbewilligen wollten
       zudem nicht zum Pflegefall werden. Das Durchschnittsalter der
       Suizidwilligen liege bei 79 Jahren.
       
       In 623 Fällen vermittelte 2024 die DGHS die von ihr sogenannten
       „Freitodbegleitungen“. Ein Jahr zuvor lag die Zahl der Fälle noch bei 418.
       In 38 Fällen handelte es sich um sogenannte „Doppelbegleitungen“, so
       Roßbruch. Dabei wird Ehepaaren beim gemeinsamen Suizid assistiert. Die Zahl
       der Doppelbegleitungen habe sich im Vergleich zum Jahr davor verdreifacht,
       so der DGHS-Präsident. Er führte dies darauf zurück, dass das Alter der
       DGHS-Mitglieder steige und sich hochaltrige Ehepaare dann entschieden,
       gemeinsam aus dem Leben zu gehen.
       
       ## Bevölkerung schlecht informiert
       
       Die Zahl der Suizidassistenzen werde in diesem Jahr aber tendenziell eher
       stagnieren, sagte Roßbruch. Dies schließe er aus den Anträgen im Januar. In
       den anderen beiden Sterbehilfeorganisationen, Dignitas und dem Verein
       Sterbehilfe, ist die Zahl der Fälle im Jahr 2024 bereits leicht
       zurückgegangen. Der Verein Sterbehilfe leistete 2024 in 171 Fällen
       Suizidhilfe, 2023 waren es 196 Fälle. Dignitas verzeichnete 183 Fälle 2024.
       Eine Erklärung für den Rückgang konnte der Verein Sterbehilfe auf Anfrage
       der taz nicht geben.
       
       Roßbruch beklagte am Dienstag, dass die Bevölkerung über die Möglichkeit
       der Suizidassistenz zu wenig informiert sei. Eine von seinem Verein beim
       Meinungsforschungsinstitut Forsa beauftragte Umfrage ergab, dass 83 Prozent
       der Menschen in Deutschland glauben, dass es verboten ist, Hilfe bei der
       Selbsttötung zu leisten. Dies ist aber nicht der Fall. Befragt wurden dazu
       im Oktober rund 1.200 Volljährige per Telefon.
       
       Das [2][Bundesverfassungsgericht] hat im Januar 2020 geurteilt, dass das
       Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch das Recht umfasst, dafür die Hilfe
       dritter, auch professioneller Kräfte, in Anspruch zu nehmen. Die
       [3][„Freiverantwortlichkeit“] der Sterbewilligen müsse gesichert sein. Die
       genaue Motivlage der Suizidwilligen dürfe aber keine Rolle spielen,
       urteilte das Gericht.
       
       ## Kirchliche Heime weigern sich
       
       Voraussetzung der Suizidhilfe durch die DGHS ist in der Regel eine
       mindestens halbjährige Mitgliedschaft. Nach einem Antrag auf Suizidhilfe
       erfolgt eine Begutachtung durch einen Juristen und einen Arzt. Liegt in der
       Vorgeschichte eine psychische Erkrankung vor, muss ein Psychiater die
       Freiverantwortlichkeit attestieren. Die Kosten für die Assistenz belaufen
       sich auf rund 4.000 Euro.
       
       Roßbruch bemängelte, dass sich viele Pflegeheime in kirchlicher
       Trägerschaft weigerten, Suizidhilfe in ihrer Einrichtung zuzulassen. Die
       DGHS bereite gerade eine Klage gegen ein katholisches Heim vor, das den
       Suizidbegleitern einen Zutritt verwehrte.
       
       Der Präsident der DGHS betonte, es bräuchte keine weiteren rechtlichen
       Regelungen für die Suizidassistenz. Der Bundestag beriet in der
       Vergangenheit allerdings über mehrere Gesetzentwürfe, die eine Beratung
       oder Begutachtung vor der Hilfe zur Selbsttötung vorsahen und dies
       rechtlich festschreiben wollten. Keiner dieser [4][Entwürfe] fand jedoch
       eine Mehrheit.
       
       14 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.dghs.de/
 (DIR) [2] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Downloads/DE/2020/02/rs20200226_2bvr234715.pdf?__blob=publicationFile&v=4
 (DIR) [3] /Assistierter-Suizid-bei-Depressionen/!5932350
 (DIR) [4] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw27-de-suiziddebatte-954918
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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