# taz.de -- Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland: Mehr Bauchfreiheit
       
       > Nach wie vor ist Abtreibung in Deutschland nach Paragraf 218 verboten.
       > Experten empfehlen nun die Legalisierung von Abbrüchen am Anfang der
       > Schwangerschaft.
       
 (IMG) Bild: Internationaler Frauentag 2024 in Berlin: „My body, my choice“ sollte endlich auch für Frauen eine Selbstverständlichkeit sein
       
       BERLIN taz | Die Sätze mit Sprengkraft folgen nach 250 von mehr als 600
       Seiten: Nach verfassungs-, völker- und europarechtlicher Prüfung sei die
       grundsätzliche Rechtswidrigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen „nicht
       haltbar“, heißt es in dem der taz vorliegenden Sachverständigen-Bericht.
       Das Fazit: „Der Gesetzgeber muss den Schwangerschaftsabbruch in der
       Frühphase der Schwangerschaft erlauben.“
       
       [1][Ein Jahr lang hat die von der Bundesregierung eingesetzte „Kommission
       zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“] zwei Fragen
       erörtert: Einmal, ob und inwiefern Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des
       Strafgesetzbuchs geregelt werden können. Und, zum Zweiten, ob und inwiefern
       Eizellspende und altruistische Leihmutterschaft legalisiert werden sollten.
       
       Am kommenden Montag will das Team aus 18 Wissenschaftler*innen seine
       Einschätzung dazu vorlegen. Nun berichtete der Spiegel vorab – und setzte
       damit das Thema Schwangerschaftsabbrüche vorzeitig auf die politische
       Tagesordnung.
       
       Bahnbrechend an dem Bericht ist, dass zum ersten Mal hierzulande eine
       ernsthafte Abwägung der Grundrechte der Schwangeren und der Rechte eines
       Embryos vorgenommen wird. Ein Zwang zur Fortsetzung einer noch frühen
       Schwangerschaft stelle einen „nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die
       Grundrechte der Frau dar“. Je kürzer die Schwangerschaft bestehe, desto
       eher sei ein Schwangerschaftsabbruch zulässig.
       
       ## Krankenkassen sollen Kosten übernehmen
       
       In den ersten drei Monate sollen Abbrüche demnach legal sein – offen lassen
       die Sachverständigen aber, ob das über weitreichende Ausnahmen im
       Strafrecht geregelt oder ob der [2][Paragraf 218] ganz aus dem
       Strafgesetzbuch gestrichen werden sollte. In dem Fall könnte er durch ein
       eigenes Gesetz für reproduktive Rechte ersetzt werden.
       
       Nach den ersten drei Monaten lässt die Kommission dem Gesetzgeber viel
       Spielraum. Erst ab der eigenständigen Lebensfähigkeit des Fötus außerhalb
       der Gebärmutter solle er „den Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich nicht
       erlauben“. Ausnahmen etwa bei medizinischer Indikation müssten aber
       jederzeit ermöglicht werden. Bislang sind ungewollt Schwangere zudem vor
       einem Abbruch verpflichtet, sich beraten zu lassen – ob dies weiterhin so
       sein oder die Pflicht abgeschafft werden soll, auch da legt die Kommission
       sich nicht fest.
       
       Die Kommission empfiehlt, dass die Kosten für Abbrüche mindestens in den
       ersten drei Monaten von den Krankenkassen übernommen werden sollen. Auch
       fordert sie kostenfreien Zugang zu Verhütungsmitteln und für alle Frauen
       Zugang zu qualitativ hochwertigen Informationen sowohl zu Verhütung wie
       auch zu Abbrüchen.
       
       ## Ja zu Eizellspenden, vorsichtiger bei Leihmutterschaft
       
       Eine zweite Arbeitsgruppe der Kommission beschäftigte sich mit der Frage,
       ob Eizellspende und altruistische Leihmutterschaft hierzulande legalisiert
       werden sollten. Eizellspende bedeutet, dass Eizellen außerhalb des Körpers
       befruchtet und einer anderen Person wieder eingepflanzt werden.
       Leihmutterschaft bedeutet, dass eine Person die Schwangerschaft für eine
       andere Person austrägt, möglicherweise mit deren Eizellen. Beides hält die
       Kommission für möglich, wenn auch mit Abstufungen.
       
       Das seit 1990 geltende [3][Verbot von Eizellspenden] sei „überholt und
       nicht mehr überzeugend“. Unter bestimmten Bedingungen sei der Vorgang
       sowohl verfassungsrechtlich wie auch ethisch vertretbar: Dazu zählt neben
       Aufklärung und freiwilliger Einwilligung der Spenderin auch ein
       Spenderinnenregister analog zum Samenspenderregister. So soll das Recht des
       Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung gewahrt werden. Für die Entnahme
       der Eizellen müssten medizinische Verfahren genutzt werden, die die
       Belastung der Spenderin so gering wie möglich halten. Zudem müsse die
       Aufwandsentschädigung für den körperlichen und psychischen Aufwand der
       Spenderin „angemessen“ sein. Was das konkret bedeutet, bleibt offen.
       
       Beim [4][Thema Leihmutterschaft] formuliert die Kommission vorsichtiger.
       Sofern sowohl der Schutz der Leihmutter als auch das Kindeswohl
       gewährleistet würden, könne diese in einigen Fällen zugelassen werden. Das
       Austragen einer Schwangerschaft für eine andere Person aber berge „selbst
       in altruistisch angelegten Modellen“ Potenzial für Missbrauch, heißt es im
       Bericht. Es liege deshalb im Ermessen des Gesetzgebers, auch am bisherigen
       Verbot von Leihmutterschaft festzuhalten.
       
       Für den Fall einer Legalisierung formuliert die Kommission Bedingungen:
       Eine Leihmutter müsste bereits mindestens ein Kind geboren haben. Alle
       medizinischen Verfahren müssten möglichst geringe Belastungen für sie mit
       sich bringen. Abstammungsrechtlich müsse eine eindeutige Zuordnung des
       Kindes zu den Wunscheltern ermöglicht werden – zugleich aber müsse der
       Austragenden das Recht eingeräumt werden, sich innerhalb einer „kurzen
       Frist“ nach der Geburt doch noch dafür zu entscheiden, selbst rechtliche
       Mutter des Kindes zu werden. Auch hier müssten eine „angemessene
       Aufwandsentschädigung“ sowie das Recht des Kindes auf eigene Abstammung
       gewährleistet werden.
       
       ## Bundesregierung hält sich bedeckt
       
       Aus den beteiligten Ministerien für Gesundheit, Frauen und Justiz war am
       Dienstag kein Kommentar zu bekommen. Sie alle verwiesen auf die Vorstellung
       der Kommissionsergebnisse am Montag. Auch von den Grünen war keine
       Stellungnahme zu bekommen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Ralf Mützenich
       sagte lediglich, die Koalitionspartner könnten mit diesem Bericht „ihre
       Argumente schärfen“ – dies würde man aber zunächst intern tun.
       
       Anders die Opposition: Der Unionsfraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei
       (CDU) kündigte umgehend an, im Fall einer Liberalisierung beim
       Bundesverfassungsgericht klagen zu wollen. Etwas zurückhaltender reagierte
       CDU- und Fraktionschef Friedrich Merz: Er hoffe, dass der Kanzler „die
       Koalition davon abbringen wird, einen weiteren gesellschaftlichen
       Großkonflikt in dieses Land zu tragen“. Man werde aber zunächst „in der
       Sache argumentieren und nicht gleich den Weg nach Karlsruhe gehen“.
       
       Die Vorsitzende der Linke-Gruppe im Bundestag hingegen begrüßte, dass die
       Kommission nicht nur die Legalisierung innerhalb der ersten zwölf Wochen
       empfehle, „sondern auch klar sagt, dass es möglich ist, den Zeitraum für
       Schwangerschaftsabbrüche zu erweitern“. Die Bundesregierung müsse nun zügig
       einen Gesetzentwurf vorlegen, so Heidi Reichinnek.
       
       Auch Pro Familia begrüßte die Empfehlungen. Die Spielräume, die die
       Kommission dem Gesetzgeber lasse, müssten „umfänglich genutzt werden“,
       fordert die Organisation und drängt die Politik zum Handeln: Die Regierung
       müsse „notwendige Gesetzesänderungen noch in dieser Wahlperiode
       konzipieren, konsultieren und beschließen lassen“.
       
       9 Apr 2024
       
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