# taz.de -- „Rheinmetall entwaffnen“ in Kiel: Friedenscamp vor der Rüstungswerft
       
       > In Kiel veranstaltet die Ini „Rheinmetall entwaffnen“ ihr Sommercamp. Sie
       > ist gegen die Unterstützung der Ukraine, aber für den Kampf in Kurdistan.
       
 (IMG) Bild: Werbung für den Frieden: Aktivistinnen beim Plakate malen
       
       Kiel taz | Im Schatten der Werft von Thyssen-Krupp-Marine-Systems, kurz
       TKMS, findet das diesjährige Camp der Initiative „Rheinmetall entwaffnen“
       im Kieler Werftpark statt. 800 überwiegend schwarz gekleidete
       Aktivist*innen versammeln sich in dieser Woche hier, um internationale
       Solidarität zu zeigen.
       
       Zum fünften Mal veranstaltet das Bündnis ein solches Camp. Sie finden an
       wechselnden Orten statt, immer dort, wo Waffen produziert, exportiert oder
       transportiert werden. In Kiel passiert das alles: TKMS produziert U-Boote,
       die in alle Welt verschifft werden, die Bundeswehr bildet aus und außerdem,
       erklärt Jona, der Sprecher des Camps, habe Kiel eine Geschichte, an die man
       anknüpfen wolle.
       
       Durch den Matrosenaufstand von 1918 sei ein Lauffeuer entstanden, das sich
       in Deutschland ausgebreitet und Mord, Tod und Gewalt verhindert habe, sagt
       der junge Mann mit Kurzhaarschnitt. Dass von dem Camp in Kiel ein ähnlicher
       Effekt ausgehen könnte, damit rechnet hier niemand, aber immerhin setzt es
       ein Zeichen für den Frieden. „Die Rüstungsindustrie zu versenken“ und dem
       „mittlerweile salonfähig gewordenen Krieg“ den Kampf anzusagen, fordern die
       Aktivisten.
       
       Es regnet. Jona schiebt einen symbolischen Papppanzer in einen Pavillon und
       erzählt, dass ihn das Bild eines deutschen Panzers vor den Toren Afrins,
       einer Stadt in der kurdischen Separatistenregion Rojava, politisiert habe.
       Türkische Angriffe mit deutschen Waffen auf Afrin gaben auch den Anlass zur
       Gründung des Bündnisses „Rheinmetall entwaffnen“ 2018.
       
       ## Jeder kann soviel bezahlen, wie er möchte
       
       Jona spricht jetzt schneller und lauter und von denen, „die den Krieg und
       den Tod produzieren, anzugreifen“. Er kündigt das Sperren von Werkstoren
       und Zufahrtswegen an. Seine Utopie ist eine Welt ohne Krieg, ohne das
       Patriarchat, ohne Nationalstaaten und ohne Imperialismus.
       
       Es ist 14 Uhr, die Sonne scheint und die klamme Wiese dampft ein wenig. Wir
       gehen zum Küchenzelt und holen uns etwas zu essen. Jeder, der Hunger hat,
       kann kommen und so viel bezahlen, wie man möchte. Es gibt Penne mit rotem
       und grünem Pesto. Wir nehmen beides und setzen uns auf die Wiese, weil die
       Bänke voll sind.
       
       Man müsse „aktiv auf den herrschenden Kurs einwirken“, sei es durch
       Blockaden oder durch das Stürmen der Hauptversammlung von Rheinmetall, sagt
       Jona. Sprechen mit der Rüstungsindustrie will er aber auch nicht, dafür sei
       das Verhältnis der Initiative zu Rheinmetall und Co. einfach zu
       „antagonistisch“.
       
       Jona räumt ein, dass das Camp kein pazifistisches sei. Die Teilnehmenden
       unterstützen den Freiheitskampf der kurdischen Separatisten in Rojava, die
       seit Frühling 2017 für eine autonome Verwaltung in Nord-Ost-Syrien kämpfen.
       Die Frage, ob das nicht ein Widerspruch ist auf einem Camp, das die
       Kriegsindustrie versenken möchte, macht ihn etwas ratlos.
       
       Bei der Ukraine liege der Fall anders als bei Rojava, denn die Ukraine sei
       als Nationalstaat der Gefahr des Krieges in dem globalen
       Nationalstaatengebilde, in dem wir leben, ausgesetzt. In der Ukraine solle
       deshalb mehr mit Worten und Diplomatie, aber keinesfalls mit in Kiel
       hergestellten Waffen gekämpft werden.
       
       Darüber, dass die [1][Antifa Nord-Ost] am Dienstag per Instagram dazu
       aufgerufen hat, Kalaschnikows nach Rojava zu schicken, kann Jona nur
       schmunzeln. „Wenn die Antifa die irgendwo aufgetrieben hat, warum dann
       nicht dorthin schicken?“, fragt er. „Aber Kalaschnikows werden ja auch
       nicht in Deutschland hergestellt“, sagt er und Rojava sei eben kein
       [2][Spielball] der Nato – im Gegensatz zur Ukraine.
       
       Die Linke ist sich keineswegs einig bei dieser Bewertung. Am
       Samstagvormittag ist deshalb in Kiel eine Gegendemonstration geplant.
       „[3][Gewaltfreiheit in einer gewaltvollen Welt] funktioniert nicht“, stellt
       ein alter Linker aus der ehemaligen Friedensbewegung fest. Er ist vom
       „stalinistisch autoritären Camp“ schockiert. Wie solle ein Staat seine
       eigene Souveränität behaupten, wenn er ohne Handlungsspielraum von einem
       imperialistischen Angriffskrieg überrollt werde?
       
       „Wir als alte linke Menschen müssen zugeben, dass unsere Vorstellungen vor
       dem Februar 2022 heute als verklärt gelten müssen“, sagt er. Am Samstag
       werden die Gegendemonstrant*innen jedenfalls ihre Wut, dass
       „[4][linksradikaler Klassenkampf gutgeheißen] und der Versuch eines, wenn
       auch aus linker Perspektive nicht perfekten Staates, sich zu verteidigen,
       diffamiert wird“ auf die Straße tragen.
       
       Anmerkung der Redaktion: Wir haben eine Passage des Textes rausgenommen.
       
       6 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://antifa-nordost.org/
 (DIR) [2] /Annaeherung-von-Tuerkei-Irak-und-Syrien/!6031825
 (DIR) [3] /Kriegsdienstverweigerer-in-der-Ukraine/!5949306
 (DIR) [4] /Aktivist-ueber-Gewalt-gegen-Antifa/!6020286
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fanny Schuster
       
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