# taz.de -- Regierungsbildung in Österreich: FPÖ und ÖVP starten Verhandlungen
       
       > Chef von Österreichs Rechtsaußen-Partei, Herbert Kickl, stellt
       > Bedingungen – und droht auch gleich.
       
 (IMG) Bild: Kickl hebt schon mal den Finger
       
       Wien taz | Wie wird er es anlegen? Das war die zentrale Frage vor [1][dem
       Auftritt von Herbert Kickl], der am Montag den Auftrag zur
       Regierungsbildung erhalten hatte. Tagelang hatte sich der
       FPÖ-Bundesparteiobmann zurückgehalten, Dienstag dann absolvierte er den
       ersten öffentlichen Auftritt seit Beginn der aktuellen Regierungskrise in
       Österreich.
       
       Kickl gab sich etwas gemäßigter als im Wahlkampf, aber auch nicht unbedingt
       staatstragend. Er nahm den Regierungsbildungsauftrag an – allerdings nicht,
       ohne gegen die ÖVP auszuteilen. Die einstige Kanzlerpartei hätte die Wähler
       angelogen, sei doch das wahre Ausmaß der Staatsverschuldung Österreichs
       erst nach der Wahl bekannt geworden. Die Menschen hätten viele
       Enttäuschungen erlebt, allen voran die gescheiterten Verhandlungen von ÖVP,
       SPÖ und Neos. Die „Einheitsparteien“ hätten ihr Vertrauen verspielt, nun
       sei es Zeit für „ehrliches Regieren“.
       
       Als Bedingung sah Kickl eine „stabile und ehrliche“ ÖVP. „Keine Tricks,
       keine Sabotage, sondern eine Politik für echte Veränderungen“, forderte er
       ein. „Sonst gibt es Neuwahlen.“ Kickl wolle jedoch Verantwortung übernehmen
       und die Vergangenheit hinter sich lassen – eine Anspielung auf den neuen
       ÖVP-Chef Christian Stocker, der Kickl vielfach deutlich kritisiert und als
       „Sicherheitsrisiko“ bezeichnet hatte.
       
       Nach 20 Minuten endete das Statement, Fragen waren keine zugelassen. Das
       internationale Medieninteresse war groß, droht doch mit Österreich ein
       weiteres Land von Rechtsextremen regiert zu werden. Manchen
       Medienvertretern wurde gar der Zutritt verwehrt, etwa AFP und dem
       Politikmagazin Profil. Für Vertreter rechter Alternativmedien fand sich
       hingegen ausreichend Platz.
       
       ## Kehrtwende um 180 Grad
       
       Den Gang in Verhandlungen bestätigte am Mittwoch dann auch ÖVP-Chef
       Stocker, unter dem die Partei eine 180-Grad-Kehrtwende hinlegte. Monatelang
       schloss die ÖVP eine Zusammenarbeit mit der FPÖ aus, um am Sonntag doch
       umzufallen – nicht ganz überraschend, gab es doch vom Wirtschaftsflügel der
       ÖVP von Anfang an Druck für eine Zusammenarbeit mit den Blauen.
       
       Für seinen Kurswechsel schob Stocker dem Bundespräsidenten die
       Verantwortung zu: „Dadurch, dass Van der Bellen den Regierungsauftrag an
       Kickl gegeben hat, müssen wir nun Verantwortung übernehmen.“ Tatsächlich
       war die Abfolge genau umgekehrt: [2][Erst trat Kanzler Karl Nehammer (ÖVP)
       zurück], dann wechselte die ÖVP schlagartig ihren Kurs, dann erst vergab
       Van der Bellen den Regierungsbildungsauftrag an die FPÖ, weil sich „eine
       neue Option“ aufgetan habe.
       
       Inhaltlich gab es auch von der ÖVP noch keine Ansagen. Stocker betonte
       bloß, auf einer weiterhin unabhängigen Medienlandschaft, auf
       Rechtsstaatlichkeit und einer Partnerschaft mit der EU zu bestehen. Dafür
       brauche es „Wehrhaftigkeit und Standfestigkeit“. All diese Punkte seien
       Bedingungen für seine Partei, die Stocker zufolge geeint sei.
       
       ## Rückzieher wegen Kickl
       
       Ganz so sieht es nicht aus. Mit Außenminister Alexander Schallenberg und
       Frauenministerin Susanne Raab kündigten bereits zwei Regierungsmitglieder
       an, unter einem Kanzler Kickl nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Auch
       ÖVP-Urgestein Franz Fischler, ab 1995 erster österreichischer EU-Kommissar,
       kritisierte Blau-Schwarz. Eine solche „reaktionäre“ Regierung brächte
       Österreich in eine „demokratieriskierende Situation“, sagte er im Standard.
       
       Unterdessen wurde bekannt, wer Nehammer als Übergangskanzler nachfolgen
       wird: Es ist Außenminister Schallenberg, der diese Rolle schon nach dem
       Rücktritt von Sebastian Kurz für einige Monate innehatte. Er führt ab
       sofort die Amtsgeschäfte.
       
       8 Jan 2025
       
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