# taz.de -- „Querdenken“-Demo in Leipzig: Und die Polizei guckt zu
       
       > Bei Protesten von Coronaleugner:innen in Leipzig wurden Journalist:innen
       > angegriffen. Für die Polizei eine „weitestgehend“ friedliche
       > Veranstaltung.
       
 (IMG) Bild: Traurige Polizisten: Müssen am Ring bleiben, während die anderen mit Wasserwerfer nach Connewitz dürfen
       
       Wer [1][am Samstag in Leipzig] auf der Straße war und nicht zu den knapp
       45.000 Anti-Corona-Demonstrant:innen gehörte, der konnte eigentlich nur
       noch mit dem Kopf schütteln. Was dort geschah, war der pure Wahnsinn: eine
       Massenveranstaltung, bei der Menschen sich dicht an dicht drängen, ohne
       [2][Mund-Nasen-Bedeckung]. Mitten in einer globalen Pandemie, mitten in
       einem Lockdown.
       
       Aber klar, für diejenigen, die gegen die Infektionsschutzmaßnahmen
       demonstrieren, ist das natürlich kein Problem. Schließlich geht es ja
       darum: Gegen die „Corona-Diktatur“, gegen das Impfen, gegen 5G-Strahlung
       und gegen die politischen Eliten. Angst davor sich anzustecken hat hier
       niemand.
       
       Weder die ganz einfachen Familien, noch die Esoteriker:innen,
       [3][Reichsbürger, Hippies, Revolutionsromantiker:innen], ja nicht einmal
       die Neonazi-Hools, für die der Mund-Nasen-Schutz bis unter die Augen gerade
       das richtige Maß an Vermummung bietet. Dass sogenannte
       Coronaskeptiker*innen dem Virus gegenüber skeptisch sind – nein, das
       wundert niemanden.
       
       Was aber wundert – besser gesagt: absolut unbegreiflich ist – ist, wie
       diese Menschen zu Zehntausenden durch eine Innenstadt ziehen können und
       dabei größtenteils unbehelligt bleiben. Ja, sogar Polizeiketten
       durchbrechen und Journalist:innen zu Boden prügeln können, und dabei außer
       ein bisschen Pfefferspray und ein paar wenigen Festnahmen nichts passiert.
       Klar, es gibt in Deutschland eine Versammlungsfreiheit.
       
       ## Zweierlei Maß der Ordnungshüter:innen
       
       Und klar, die Stadt hat zuvor versucht, die Versammlung auf einen
       weitläufigen Parkplatz außerhalb der Stadt zu verlegen. Und klar, ein
       Gericht hat der Klage der Veranstalter stattgegeben, weshalb die
       Versammlung in der Innenstadt stattfinden musste. Sicher, sogar [4][der
       sächsische Innenminister Roland Wöller (CDU)] hat diese Entscheidung
       verurteilt. Aber: Das rechtfertigt noch lange nicht, dass die Polizei so
       gehandelt hat, wie sie es tat. Nämlich: so gut wie gar nicht.
       
       Nein, die Polizei hat zugeschaut, wie die Teilnehmer der aufgelösten
       Kundgebung sich zu einem Pulk formierten, der dann Polizeikräfte und
       Reporter:innen angriff. Sie hat zugeschaut, wie jener Pulk schließlich
       Stunden nach der Auflösung über den Innenstadtring marschierte. Dabei war
       absehbar, was an diesem Tag passieren kann. Denn es war eine Eskalation mit
       Ansage. Szenen wie diese gab es schon 2018 in Chemnitz. Und sie haben
       Konsequenzen. Oder, [5][wie die Journalistin Heike Kleffner twitterte]:
       
       „Große Sorge, dass #Leipzig die Radikalisierung der nächsten Generation
       #[6][Rechtsterrorismus] beschleunigt. Im Prozess zum Mord an Walter Lübcke
       hat einer der angeklagten Neonazis ausgesagt, der Tat-Entschluss fiel nach
       rassistischer Massenmobilisierung in #Chemnitz 2018.“ Was soll man also
       über die Prioritäten der Polizei denken, wenn Zehntausende Menschen
       inmitten des Höchststandes an Infektionszahlen sich dicht an dicht drängen
       und die Polizei es nicht schafft, sie nach Hause zu schicken?
       
       Was soll man denken, wenn aggressive Neonazi-Hools Menschen angreifen und
       nichts passiert? Wenn hingegen wenige Stunden später Linke in Connewitz
       Gegenstände anzünden – dabei aber niemand zu Schaden kommt – und binnen
       Minuten Wasserwerfer und Räumpanzer angerollt kommen? Es ist entmutigend,
       Szenen wie die vom Samstag zu erleben. Zu erleben, wie sich Menschen
       radikalisieren und gewalttätig sind und die Staatsgewalt machtlos zuschaut.
       
       Erst recht, wenn der Polizeisprecher im Anschluss sagt, man habe das Ziel,
       Gewalttaten zu vermeiden und einen friedlichen Veranstaltungsverlauf zu
       haben „weitestgehend erreicht.“
       
       8 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Querdenker-Protest-in-Leipzig/!5726829
 (DIR) [2] /Diskussion-um-Maskenpflicht-in-Berlin/!5721601&s=mund+nasen+bedeckung/
 (DIR) [3] /Demonstration-gegen-Corona-Regeln/!5706392/
 (DIR) [4] /Nach-Angriff-auf-Rechtsextreme/!5726701&s=roland+w%C3%B6ller/
 (DIR) [5] https://twitter.com/HeikeKleffner/status/1325174631578341376
 (DIR) [6] /Neue-Anker-fuer-rechte-Stroemungen/!5718744&s=rechtsterrorismus/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sarah Ulrich
       
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