# taz.de -- Proteste in pakistanischer Provinz: Kampf gegen das Verschwindenlassen
       
       > Belutschistan ist rohstoffreich und wirtschaftlich relevant. Doch die
       > mutmaßlichen Entführungen von Aktivisten sind dort ein großes Problem.
       
 (IMG) Bild: Angehörige von Entführten protestieren im Februar 2021 in Islamabad
       
       Islamabad taz | Nach ihrem Unterricht an der Universität Belutschistan in
       der westpakistanischen Provinzhauptstadt Quetta gingen Fassieh Baloch und
       Sohail Baloch in Richtung ihres Wohnheims auf dem Campus. Es war das letzte
       Mal, dass die beiden Freunde, die wie viele in der Provinz den gleichen
       Nachnamen haben ohne miteinander verwandt zu sein, gesehen wurden. Beim
       Wohnheim kam sie an diesem Abend des 1. November nie an.
       
       Ihre Komilitonen verdächtigen das paramiliärische Frontier Corps (FC) der
       pakistanische Armee der Entführung der beiden. „Auf unserem Campus gibt es
       mehrere Checkpoints von Armee und FC. Von 17 bis 19 Uhr wird immer der
       Strom abgestellt und in der Zeit muss die Entführung gewesen sein, denn die
       Überwachungskameras auf dem Campus haben nichts aufgezeichnet,“ sagt ein
       Studentenführer der taz.
       
       Ab dem 3. November haben die Studierenden aus Protest den Unterricht
       boykottiert. Die Universitätsleitung hatte in Verhandlungen zunächst die
       Hoffnung geäußert, die Verschwundenen würden sicher bald wieder auftauchen.
       Doch als das nicht passierte, schickte sie die Studierenden in vorgezogene
       Winterferien.
       
       Das mutmaßliche Verschwindenlassen von Aktivisten ist [1][in Belutschistan]
       ein großes Problem. Die an Iran und Afghanistan grenzende rohstoffreiche
       Provinz ist etwa so groß wie Deutschland. Sie besteht überwiegend aus
       Wüsten und hat nur 12,5 Millionen Einwohner.
       
       ## Tausende sind inzwischen spurlos verschwunden
       
       Belutschen-Politiker und Führer der Belutschen-Stämme beschuldigen den
       Staat und die Armee, ihr Land illegal zu besetzen und den Belutschen die
       ihnen zustehenden Rechte und Anteile an den heimischen Bodenschätzen
       vorzuenthalten.
       
       Separatistische Gruppen kämpfen mit Waffen und terroristischen Methoden,
       die der Staat und sein Militär ihrerseits brutal beantworten. Dazu gehören
       Tötungen und das Verschwindenlassen von Menschen, die der Unterstützung
       separatistischer Gruppen beschuldigt werden.
       
       Tausende sind inzwischen spurlos verschwunden. Einige tauchten später
       wieder auf und berichteten von Folter. Manchmal werden auch Massengräber
       gefunden und die identifizierbaren menschlichen Überreste werden Personen
       zugeordnet, die vor Jahren verschwunden waren.
       
       Einer Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen wurden von 1980 bis 2019 1.144
       Fälle von Verschwundenen gemeldet. Die Belutschistan Nationalpartei legte
       kürzlich dem Parlament in Islamabad eine Liste von 5.528 Verschwundenen
       vor. Und die Organisation VBMP, die Angehörige von Opfern vertritt, zählte
       gar 6.125 Fälle von Verschwindenlassen.
       
       ## Regierung und Armee beschuldigen Verschwundene
       
       „Vor allem aus entlegeneren Gebieten melden Angehörige oft aus Angst keine
       Vermissten,“ sagt der VBPM-Vorsitzende Nasrulla Beloch. Er wirft Armee,
       Frontier Corps und Geheimdiensten vor, in das Verschwinden von Belutschen
       verwickelt zu sein. VBMP versucht mit Hungerstreiks und Protesten auf das
       Problem aufmerksam zu machen.
       
       Regierung, Armee und Geheimdienst streiten eine Beteiligung am
       Verschwindenlassen ab und machen die Entführten für ihr Schicksal selbst
       verantwortlich. So behauptete Pakistans Nationaler Sicherheitsberater Moeed
       W. Yusuf kürzlich in der BBC: „Jeder Fall (von gewaltsamem
       Verschwindenlassen) wird untersucht. In der überwältigenden Mehrheit
       handelt es sich um Terroristen oder um Personen, die an abscheulichen
       Verbrechen beteiligt waren.“
       
       Ein Ansatz der Regierung zur Befriedung und Entwicklung Belutschistans wie
       des ganzen Landes ist der China-Pakistan-Wirtschaftskorridor (CPEC). Chinas
       Megaprojekt im Umfang von 62 Milliarden US-Dollar begann 2013 und ist Teil
       von Pekings [2][Seidenstraßeninitiative].
       
       CPEC besteht aus einem Netz von Schnellstraßen und Eisenbahnlinien, die den
       Hafen von Gwadar am Arabischen Meer mit der nordwestchinesischen Provinz
       Xinjiang verbinden sollen und auch die dazugehörigen Industriezonen,
       Kraftwerke, Dämme und Glasfaserkabeltrassen beinhaltet.
       
       Die Schlüsselrolle spielt dabei die strategisch gelegene Hafenstadt Gwadar
       am Arabischen Meer. China will sie in eine moderne Stadt verwandeln. Doch
       wegen wiederholter Unruhen und Anschlägen auf einheimische wie chinesische
       Baufirmen schickt Pakistans Regierung seitdem noch mehr Soldaten und
       Paramilitärs nach Belutschistan.
       
       ## Pakistanische Fischer gegen chinesische Trawler
       
       Die meisten Bewohner Gwadars sind bitterarm. Im November und Dezember haben
       sie vier Wochen lang gegen Chinas neue Dominanz in der Region demonstriert.
       Ihre „Bewegung für die Rechte von Gwadar“ haben viele Belutschen
       unterstützt und daraus wurde die „Bewegung für die Rechte von
       Belutschistan“. Erstmals haben sich auch viele Frauen beteiligt an den
       Protesten beteiligt.
       
       Ausgelöst wurden die Demonstrationen durch den illegalen Fischfang
       chinesischer Trawler vor der Küste. „Ein Großteil der Bevölkerung in Gwadar
       sind Fischer. Wegen ihrer Armut sind sie auf konventionelle Fangmethoden
       angewiesen. Doch der Ausbau des Hafens von Gwadar hat ihnen wichtige
       Fischereistandorte genommen und nun entziehen ihnen die chinesischen
       Fischtrawler auch noch die Lebensgrundlage,“ sagt der lokale Fischer
       Abdullah der taz. „Chinas Trawler fangen uns den Fisch weg, denn wir können
       mit ihnen nicht konkurrieren.“
       
       Akhter Zaman Baloch aus Gwadar klagt: „Die starke Präsenz der Armee und des
       Frontier Corps und deren viele unnötige Kontrollposten haben unser Leben
       zur Hölle gemacht, während uns Trinkwasser, Elektrizität und Schulen weiter
       fehlen.“
       
       Die von dem islamistischen Politiker Maulana Hidayat Ur Rehman geführte
       Protestbewegung erklärte, dass sie gar nicht grundsätzlich gegen CPEC sei,
       aber dass doch zuerst Belutschen davon profitieren müssten. Die illegale
       Fischerei chinesischer Trawler müsse verboten werden, die lokale
       Bevölkerung über Projekte mitentscheiden und das Verschwindenlassen von
       Personen endlich untersucht und beendet werden.
       
       Pakistans unter Druck geratener Premierminister Imran Khan versprach
       schließlich Mitte Dezember, den illegalen Fischfang chinesischer Trawler
       vor der Küste zu beenden und die Rechte der Belutschen zu achten. Darauf
       wurden die Proteste zunächst beendet. Doch laut den Organisatoren der
       Protestbewegung wurden bisher keine konkreten Schritte unternommen, um die
       Forderungen zu erfüllen.
       
       4 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Zahra Kazmi
       
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