# taz.de -- Proteste im Hambacher Forst: Tausende trotzen Matsch und Regen
       
       > Etwa 7.000 Menschen trauern im Hambacher Wald um den verunglückten
       > Journalisten – und protestieren weiter gegen die Rodung.
       
 (IMG) Bild: Trotz Matsch und Regen: Im Hambacher Forst wurde am Sonntag sogar Klavier gespielt
       
       Hambacher Forst taz | Hunderte Menschen stehen Schulter an Schulter im
       Regen, die Kapuzen ihrer Jacken aufgesetzt, und rücken mit erhobenen Händen
       vor. „Hambi bleibt, Hambi bleibt“, rufen sie und recken weiter die Hände
       als Zeichen der Friedfertigkeit in die Höhe. Eine Gruppe von
       PolizeibeamtInnen, die gerade vom Waldrand in den Hambacher Wald
       hineinwollte, weicht rückwärts zurück. „Wo wart ihr in Chemnitz“, ruft
       jemand aus der Menge.
       
       Ganz friedlich bleibt es dann aber doch nicht. Von irgendwo seien Äste,
       Schlamm und kleine Steine in Richtung der BeamtInnen geflogen, berichten
       AugenzeugInnen. Die Polizei reagiert darauf mit Pfefferspray. „Ich habe
       mindestens sechsmal gesehen, wie volle Suppe auf die Augen gezielt wurde“,
       sagt eine Frau, die sich als Silke vorstellt. Der Mann neben ihr habe eine
       Ladung aus anderthalb Metern abbekommen. „Man musste auch so husten, die
       ganze Luft war voll.“
       
       Doch dann beruhigt sich die Situation in der Nähe von Beechtown, jener
       Baumhaussiedlung, wo vergangenen Mittwoch der Journalist Steffen Meyn
       tödlich verunglückte. Die meisten TeilnehmerInnen des sonntäglichen
       „Waldspaziergangs“ sind schon weg, als polizeiliche Verstärkung eintrifft
       und die übrigen Menschen weiträumig vom Weg drückt – um Platz zu machen für
       die Räumfahrzeuge, die die neu gebauten Barrikaden entfernen sollen.
       
       Gebaut wurden diese von den Tausenden Menschen, die auch an diesem
       verregneten Sonntag wieder im Protest gegen die Räumung der Waldbesetzung
       und die anstehende Rodung des Hambacher Waldes durch den Energiekonzern RWE
       durch den Wald spazieren. Offizieller Start der Aktion sollte 11.30 Uhr
       sein – zwei junge Frauen aus Freiburg sind schon um kurz nach 8 Uhr am
       Morgen da. Sie sind über Nacht gefahren. Mit den Zügen um kurz nach 9
       kommen etwa 30 weitere Menschen, unter anderem aus Münster und Bingen. „Wir
       wollten unbedingt pünktlich sein“, sagt eine Spaziergängerin, „manchmal
       fahren ja nur Kurzzüge oder sie fallen aus.“
       
       Das sagen auch einige der Leute, die um kurz nach 10 ankommen. Es sind
       viele, die früher kommen. Denn die Anreise ist nicht einfach: Einmal die
       Stunde fährt aus Düren und Köln jeweils eine S-Bahn nach Buir. Doch die,
       die UmweltschützerInnen aus Köln genau pünktlich zum Wald bringen würde,
       fällt aus.
       
       ## Demonstrationszug untersagt
       
       Grund dafür sei, dass ein Lokführer kurzfristig erkrankt sei und man ihn so
       schnell nicht habe ersetzen können, sagt ein Sprecher der Bahn der taz.
       Dadurch entfielen aus Osten und Westen jeweils zwei Verbindungen. Man bitte
       „um Entschuldung für die entstandenen Unannehmlichkeiten“.
       
       Organisiert hat den Spaziergang wie auch in der Vergangenheit der
       Waldpädagoge Michael Zobel. Er hatte eine Demonstrationsroute durch den
       Wald anmelden wollen. Das kleine Stück Wald soll gerodet werden, um den
       Hambacher Braunkohletagebau zu erweitern. Seit sechs Jahren halten
       AktivistInnen den Wald besetzt, um das zu verhindern – Mitte September
       begann die Polizei mit der Räumung. Seit dem Tod des Journalisten sind die
       Räumungsarbeiten ausgesetzt.
       
       Den Demonstrationszug jedoch hat die Polizei Aachen untersagt. Das
       Verwaltungsgericht Aachen hat diese Entscheidung bestätigt. Also steht die
       Menge nun vor dem Wald, als Standkundgebung, im Regen. „Ich bin hier, weil
       ich den Hambacher Wald retten möchte“, sagt eine junge Frau aus Bedburg.
       „Wir sind der Meinung, dass es genug Energie gibt“, sagt ihr Begleiter und
       verweist auf wissenschaftliche Untersuchungen. „Ich hoffe, dass diese
       Demonstrationen Initialzündungen setzen in Richtung Berlin und Düsseldorf.“
       
       Bei einer Standkundgebung bleibt es dann aber nicht: Menschen laufen direkt
       Richtung Wald, die meisten anderen folgen ihnen und verlassen die
       angemeldete Versammlung. Das hat die Polizei für kleine Gruppen zuvor
       explizit erlaubt. Im Wald beginnen Menschen dann wie in den Wochen zuvor,
       Barrikaden zu bauen. Viele andere trauern um den verunglückten
       Journalisten. Hunderte versammeln sich in Beechtown und schweigen an einer
       kleinen Gedenkstelle. Sie legen Blumen und Kerzen ab, dann singen sie und
       rufen Sprechchöre.
       
       Viele SpaziergängerInnen reden über die Bahnen, die ausgefallen sind. Das
       Demonstrationsrecht werde „mit Füßen getreten“, hatte Michael Zobel in
       seiner Ansprache zu Beginn der Kundgebung gesagt. Es werde, „Leuten
       verwehrt, zu einer genehmigten Kundgebung zu kommen.“ Trotzdem haben es
       auch in dieser Woche wieder Tausende zum – und in den – Wald geschafft. Auf
       Twitter haben Menschen über andere Verbindungen informiert, auch mit Autos
       oder dem Flixbus. Wie viele am Ende gekommen sind, lässt sich nicht genau
       sagen. Die Polizei wollte sich zunächst nicht äußern, Michael Zobel spricht
       von etwa 7.000 Menschen.
       
       23 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anett Selle
       
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