# taz.de -- Neuwahl der Linken-Parteispitze: Es kann nur einen geben
       
       > Zwei aussichtsreiche Kandidaten bewerben sich um den Vorsitz der
       > Linkspartei. Beide Mitte 40, beide aus dem Osten. Doch es gibt
       > Unterschiede.
       
 (IMG) Bild: Martin Schirdewan (l) und Sören Pellmann (r) kandidieren für die Linken-Parteispitze
       
       Berlin taz | Die Inszenierung hätte perfekt sein können. Rote Fahnen wehen
       vor der Berliner Volksbühne, schräg dahinter das Karl-Liebknecht-Haus, die
       Zentrale der Linkspartei. Da will Sören Pellmann rein. In Sichtweite des
       Hauses hat er ein Pult aufgebaut. Doch genau in dem Moment, als er ansetzt
       zu: „Ich erkläre hiermit meine Kandidatur…“ entleert das Müllauto, das
       neben dem Bürgersteig endlich eingeparkt hat, einen Flaschencontainer in
       seinen Rumpf. „Trennen muss nicht wehtun“, steht drauf. Pellmanns Worte
       gehen unter im Geklirr.
       
       Doch die Spatzen pfiffen es eh schon von den Dächern: Sören Pellmann,
       Bundestagsabgeordneter aus Leipzig, Ostbeauftragter der Fraktion und
       Gewinner des dritten und überlebenswichtigen Direktmandats will
       Parteivorsitzender werden. Der studierte Lehrer für Sonderpädagogik will
       nicht trennen, sondern versöhnen: über Milieugrenzen hinweg und mit viel
       Bereitschaft zum Kompromiss, sagt er. So wie es auch beim Kampf um das
       Direktmandat funktioniert habe.
       
       Die in Umfragen mittlerweile unter der Fünf-Prozent-Hürde stabilisierte
       Linkspartei trifft sich Ende Juni zum Parteitag in Erfurt. Dort soll
       [1][die Trendwende eingeleitet werden]: Die inhaltliche Erneuerung und die
       Neuwahl des gesamten Parteivorstand. Jetzt nimmt erst einmal das
       Personalkarussell Fahrt auf.
       
       Am Wochenende hatte bereits die amtierende Vorsitzende Janine Wissler
       verkündet, [2][sie würde erneut für den Vorsitz kandidieren]. Eine halbe
       Stunde vor Pellmann war der Linken-Europaabgeordnete Martin Schirdewan über
       die ARD ebenfalls mit seiner Kandidatur vorgeprescht.
       
       ## Schirdewan: „Erneuerung mit einem starken Team“
       
       Der promovierte Politikwissenschaftler sitzt seit knapp fünf Jahren im
       Europäischen Parlament. Bei den Europawahlen 2019 bildete er gemeinsam mit
       der Düsseldorferin Özlem Demirel das Spitzenduo der deutschen Linkspartei.
       Derzeit führen der 46-jährige gebürtige Berliner und die Französin Manon
       Aubry mit einigem diplomatischen Geschick die Linksfraktion im
       EU-Parlament, ein Konglomerat von bisweilen auch untereinander recht
       streitfreudigen linken Parteien.
       
       „Die Erneuerung der Partei wird nur mit einem starken Team gelingen, das
       vertrauensvoll zusammenarbeitet“, sagt Schirdewan der taz. „Dazu will ich
       mit meiner Kandidatur und meiner politischen Erfahrung beitragen.“ Ziel
       müsse sein, „dass es in Deutschland eine erkennbare moderne sozialistische
       Gerechtigkeitspartei gibt“, die für eine Politik an der Seite der abhängig
       Beschäftigten und einkommensschwachen Haushalte stehe und zugleich für
       konsequenten Klimaschutz und gerechten Zugang zu technologischem
       Fortschritt eintrete.
       
       Auch Pellmann gibt an, soziale Fragen mit dem notwendigen ökologischen
       Wandel verknüpfen zu wollen. Biografisch gibt es ebenfalls viele
       Gemeinsamkeiten: Beide Männer sind Mitte 40, geboren und aufgewachsen in
       der ehemaligen DDR.
       
       Schirdewan geht allerdings deutlicher auf Distanz zu Wagenknecht und ihren
       Anhänger:innen. Die Linkspartei müsse ihre Vielstimmigkeit überwinden, sagt
       Schirdewan ohne Wagenknecht namentlich zu nennen. „Einzelmeinungen haben
       eine Prominenz erlang, die ihnen eigentlich nicht gebührt“, kritisiert er.
       
       ## Unterstützung von Wagenknecht für Pellmanns Kandidatur
       
       Pellmann ist hingegen überzeugt, dass man alle Prominenten mit ins Boot
       holen müssen. „Und ich meine auch Sahra Wagenknecht.“ Als einer von wenigen
       Genoss:innen hat Pellmann nach wie vor einen Draht zu ihr, sie
       unterstützt seine Kandidatur. „Das kann Fluch oder Segen sein“, meint er
       zur taz.
       
       Wichtig sei ihm, nicht als Kandidat des einen oder anderen Lagers
       wahrgenommen zu werden, er trete als Person an und betont: „Ich kann mit
       jeder anderen Person, die jetzt ihre Kandidatur bekannt gegeben hat loyal
       und solidarisch zusammenarbeiten.“
       
       Das beträfe allerdings nicht Schirdewan. Denn eine männliche Doppelspitze
       kann es bei der Linkspartei satzungsgemäß nicht geben. Die beiden treten
       also als Konkurrenten an.
       
       Zur Gegenkandidatur Pellmanns sagt Schirdewan, er freue sich über den
       demokratischen Wettbewerb in der Partei. „Aber ich weiß, wofür ich stehe.“
       Er könne sich gut vorstellen, [3][gemeinsam mit Janine Wissler] die Partei
       zu führen. „Ich will ein starkes Team an der Spitze, mit ihr wäre das
       möglich“, sagt er der taz.
       
       ## Pellmann: „Mich verbindet nichts mit Putin“
       
       Was ihn von Schirdewan unterscheide? Dass er „nah dran sei“, sagt Pellmann.
       „Europa ist weit weg.“ Im Fall seiner Wahl zum Parteivorsitzenden wolle er
       sowohl sein Bundestags- als auch sein Stadtratsmandat in Leipzig behalten.
       
       Pellmanns Kandidatur ist nicht unumstritten. Er steht als
       [4][Mitunterzeichner eines Aufrufs in der Kritik], in welchem der Nato eine
       erhebliche Mitschuld am Krieg in der Ukraine zugewiesen wird. Davon hatte
       er sich bereits auf dem taz.lab distanziert und bekräftigt das an diesem
       Dienstag erneut.
       
       In einem Artikel des Spiegel wird dem Leipziger außerdem eine Nähe zum
       System Putin und dubiose Wahlkampffinanzierung vorgeworfen. Auch diese
       Vorwürfe weist er zurück. „Mich verbindet nichts mit Putin“, die
       Finanzierung des Wahlkampfs sei „sauber gelaufen“, sagt Pellmann
       
       Als er seinen Auftritt beendet hat, wirft ihm ein Mitarbeiter zu: „Hoff
       kandidiert auch.“ „Echt?“, fragt Pellmann. Das habe er noch nicht gewusst.
       Hoff gilt als einer der Vordenker der Reformer:innen in der
       Linkspartei.
       
       ## Chef der Thüringer Staatskanzlei kandidiert als Partei-Vize
       
       Der Chef der Thüringer Staatskanzlei hat sich bereit erklärt, auf dem
       Erfurter Parteitag als stellvertretender Vorsitzender an der Seite von
       Martin Schirdewan anzutreten. Mit Schirdewan verbindet ihn nicht nur die
       gleiche Geburtsstadt und das gleiche Alter. ´
       
       „Es hat mich gefreut, dass er mich gebeten hat, Teil seines Teams zu sein“,
       sagt Hoff der taz. Notwendig sei „eine wirkliche Erneuerung der Partei“.
       Ohne eine tatsächliche Veränderung der politischen Kultur und
       programmatische Updates werde es für sie keine Zukunft geben.
       
       Voraussichtlich werden sich die Delegierten Ende Juni nicht nur zwischen
       Pellmann und Schirdewan zu entscheiden haben. Wahrscheinlich ist, dass auch
       Wissler noch eine Gegenkandidatin bekommen wird. Heiß gehandelt wird die
       34-jährige niedersächsische Landesvorsitzende Heidi Reichinnek, die wie
       Wissler seit dieser Legislaturperiode der Linksfraktion im Bundestag
       angehört.
       
       Bisher hält sich Reichinnek, deren Landesverband im Oktober eine äußerst
       schwierige Landtagswahl zu bestehen hat, noch bedeckt. Es heißt, sie könnte
       die Favoritin des umstrittenen Bundestagsfraktionschefs Dietmar Bartsch
       sein, der sich aber bisher noch nicht öffentlich zu seinen Präferenzen
       geäußert hat.
       
       Der Erfurter Parteitag wird spannend.
       
       24 May 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
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