# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Plötzlich am Katzentisch
       
       > US-Präsident Trump vereinbart eigenhändig mit Kremlchef Putin
       > Friedensverhandlungen – die EU und die Ukraine schauen zu. Wie soll es
       > nun weitergehen?
       
 (IMG) Bild: Sitzen am Hebel der Verhandlungsmacht: US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsidents Wladimir Putin
       
       Brüssel/Berlin taz | Die Nachricht vom [1][Ukraine-Telefonat zwischen
       US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin] ist am Mittwoch in
       Brüssel eingeschlagen wie eine Bombe. Dass die USA unter Trump nun einen
       Frieden in der Ukraine scheinbar ohne Europa aushandelt, markiert eine
       Zäsur. EU-Politiker und Nato-Militärs blicken fassungslos auf eine
       US-Politik, die sich über Nacht neu ausrichtet – ohne Rücksicht auf Europa
       und ohne vorherige Konsultationen.
       
       Die ersten Reaktionen fielen entsprechend scharf aus. Appeasement gegenüber
       Putin sei keine Option, warnte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas,
       [2][bekannt für ihre harte Linie gegenüber Russland]. „Ein Deal hinter
       unserem Rücken wird nicht funktionieren“, fügte sie hinzu: „Jede
       Vereinbarung muss die Ukraine und Europa einbeziehen“.
       
       Auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte zeigte sich irritiert: „Wir werden
       sehen, wie sich das jetzt entwickelt“, sagte er. Die Alliierten müssten
       sicherstellen, dass die Ukraine in der bestmöglichen militärischen Lage
       ist, wenn Verhandlungen beginnen. Zu der von Trump und s[3][einem
       Verteidigungsminister Pete Hegseth] geäußerten Absage an einen
       Nato-Beitritt des Landes äußerte er sich nicht.
       
       Die Europäer finden sich in Sachen Ukrainekrieg plötzlich am Katzentisch
       wieder. Weder beim Nato-Treffen noch in der EU-Kommission gab es Hinweise
       drauf, dass Trump sie einbeziehen will. Kommissionspräsidentin Ursula von
       der Leyen hat nicht einmal einen direkten Draht ins Weiße Haus. Bisher hat
       sie sich nur mit US-Vizepräsident J. D. Vance getroffen, nicht mit Trump.
       
       ## Kein Plan B
       
       Wie es weitergehen soll, ist unklar. Die Europäer haben auf eine
       Fortsetzung der alten Ukraine-Politik gehofft, einen Plan B haben sie
       nicht. Man fühle sich weiter an die Beschlüsse zum Beitritt gebunden, heißt
       es in der Nato-Zentrale. Vor allem die Osteuropäer pochen darauf. Ohne die
       USA lassen sie sich aber nicht mehr umsetzen.
       
       Katzenjammer herrscht auch in der EU-Kommission. Sie hat große Pläne für
       den Wiederaufbau der Ukraine und den EU-Beitritt geschmiedet und sieht nun
       einen Berg von Problemen und Kosten auf sich zukommen. Dennoch hält sie
       vorerst an der alten Linie fest. „Unsere Priorität muss nun sein, die
       Ukraine zu stärken“, sagte die Chefsprecherin der Brüsseler Behörde.
       
       Ähnlich hatten sich zuvor schon die Außenminister bei einem Treffen in
       Paris geäußert. „Wir sind bereit, unsere Unterstützung für die Ukraine
       auszuweiten“, erklärten Außenministerin Annalena Baerbock und ihre
       EU-Kollegen. Die Hilfe müsse fortgesetzt werden, bis ein „gerechter,
       umfassender und dauerhafter Frieden“ geschlossen wird.
       
       Wie die EU dieses Ziel erreichen will, hat sie allerdings nicht verraten.
       Nun richten sich alle Augen auf Trump – und auf die Münchener
       Sicherheitskonferenz. Sie könnte die letzte Gelegenheit für die Europäer
       sein, doch noch Einfluss auf das Schicksal der Ukraine zu nehmen. Allzu
       viel Hoffnung macht man sich in Brüssel allerdings nicht.
       
       ## Scholz warnt vor Diktatfrieden
       
       Auch Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich besorgt über das nicht
       abgesprochene Telefonat zwischen Trump und Putin. Im „Berlin Playbook
       Podcast“ des Nachrichtenportals Politico warnte er vor einem
       „Diktatfrieden“. Die Ukraine müsse „auch nach dem Friedensschluss“ eine
       Möglichkeit haben, sich zu entwickeln. Und sie müsse „eine starke Armee“
       haben, die größer sein werde als vor dem Krieg, ausgestattet auch mit
       westlichen Waffen. Am Donnerstagabend wollte der Kanzler eine
       Presseerklärung zu den aktuellen außenpolitischen Entwicklungen abgeben.
       
       „Das Telefonat mit Putin und die Ankündigung über die Ukrai ne hinweg
       Verhandlungen mit dem Aggressorstaat zu führen, sind ein Desaster für
       Europa und besonders die Ukraine“, sagte Roderich Kiesewetter, Obmann der
       CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Auswärtigen Ausschuss, der taz. Er fordert
       eine „europäische Koalition der Willigen“, um die Belohnung von Russlands
       Angriffskrieg zu verhindern. „Deutschland sollte Teil dieser Koalition
       sein, ansonsten wird sich Deutschland weiter isolieren“.
       
       Die ukrainische Regierung bemühte sich weiterhin um strategische
       Krisenkommunikation. Präsident Wolodymyr Selenskyj hielt an seiner
       diplomatischen und wertschätzenden Rhetorik gegenüber Donald Trump fest und
       betonte seine Dankbarkeit für dessen Bemühungen, den Krieg in der Ukraine
       zu beenden. „Wir glauben, dass Amerikas Stärke ausreicht, um gemeinsam mit
       uns und allen Partnern Russland und Putin zum Frieden zu zwingen“, sagte
       Selenskyj in einer Ansprache nach seinem Telefonat mit Trump.
       
       Doch während die Regierung offiziell optimistisch bleibt, zeigt die
       Gesellschaft ein differenziertes Bild. Nach Trumps Wahlsieg äußerten sich
       viele Ukrainer:innen zunächst vorsichtig zuversichtlich. Sie hofften, er
       könne Putin zu einem fairen Kriegsende bewegen. Trotz widersprüchlicher
       Signale aus Washington hielten viele an dieser Hoffnung fest und warteten
       auf Trumps erste konkrete Schritte.
       
       ## Ukrainer:innen denken über Auswanderung nach
       
       Doch als jetzt bekannt wurde, dass Trump zuerst mit Putin sprach und erst
       danach mit Selenskyj, kippte die Stimmung. Für viele gilt dies als ein
       Zeichen für die Prioritäten des neuen Präsidenten. Zusammen mit den
       Aussagen von US-Verteidigungsminister Pete Hegseth, der einen
       Nato-Beitritt der Ukraine und die Rückkehr zu den international anerkannten
       Grenzen als unwahrscheinlich bezeichnete, führten das schließlich zur
       völligen Ernüchterung.
       
       „Es sieht so aus, als hätten sich der Immobilienmakler und der
       Geheimdienstler ohne uns über unser Schicksal geeinigt“, lautete eine der
       ersten Reaktionen in den sozialen Netzwerken. Einige Kommentator:innen
       gingen noch weiter: „Das ist ein Triumph für Putin und das Ende der
       westlichen Welt“, schrieben pessimistische Stimmen.
       
       Die Ankündigungen aus Washington ließen einige Ukrainer:innen über
       Auswanderung nachdenken – vor allem, um die ukrainische Kultur und
       Traditionen im Ausland zu bewahren. Sie fürchten, dass Trumps skizziertes
       Kriegsende keinen Frieden bringt, sondern eine versteckte Kapitulation und
       eine anschließende russische Okkupation.
       
       Eine ukrainische Journalistin fasste zusammen: „Ein schwerer Tag. Am Morgen
       Raketenangriff auf Kyjiw, mittags die Anrufe Trumps, dann sofort wieder
       Luftalarm, und in der Nacht Dutzende Drohnen. An solchen Tagen fühlt man
       sich zerschlagen und hoffnungslos. Aber Panik ist keine Option. Wir müssen
       weitermachen, unsere Arbeit so gut wie möglich tun und diejenigen
       unterstützen, denen es noch schwerer fällt.“
       
       13 Feb 2025
       
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