# taz.de -- „Hamburg enteignet“ in der Bürgerschaft: Rege Debatte um Vergesellschaftung
       
       > Die Hamburger Volksinitiative präsentiert dem Stadtentwicklungsausschuss
       > ihre Forderungen. Und bietet den Abgeordneten die Stirn.
       
 (IMG) Bild: „Enteignen“ in großen Buchstaben bei der Demo „Klassensturz statt Kassensturz“ am 1. Mai
       
       Hamburg taz | Eine rege Debatte gab es am Donnerstagnachmittag im Hamburger
       Ausschuss für Stadtentwicklung, nachdem vier Vertrauenspersonen der
       [1][Kampagne „Hamburg enteignet“] ihre Volksinitiative präsentiert hatten.
       [2][Im März gelang es der Initiative, über 18.000 Unterschriften zu
       sammeln] und an den Senat zu übergeben. Sie fordert die Enteignung und
       Vergesellschaftung von profitorientierten Wohnungskonzernen, die einen
       Einfluss auf die immer weiter steigenden Mieten haben. Konkret wird die
       [3][Vergesellschaftung von rund 100.000 Wohnungen] anvisiert.
       
       Mit Verweis auf Statista-Daten legten die Ini-Vertreter*innen dar, dass die
       Mieten in Hamburg seit 2011 im Durchschnitt um 26 Prozent gestiegen seien.
       Zugleich seien im Zuge der Inflation die Verbraucherpreise gestiegen,
       während die Reallöhne zum Vorjahr um 4,6 Prozent gesunken seien. Das Leben
       in Hamburg werde stetig teurer und die Wohnungssuche sei besonders für
       mehrfach diskriminierte und marginalisierte Personengruppen mühselig, so
       Marco Hosemann, einer der Sprecher*innen der Initiative.
       
       Aus einer Recherche der Rosa Luxemburg-Stiftung trägt die Ini vor, dass
       rund 25 Prozent des Wohnungsmarktes privaten und börsenorientierten
       Unternehmen gehören, Immobilienkonzernen Vonovia, Nordelbe Heimstaden oder
       Potenberg. Unklar bleibe jedoch, wie die Verteilung konkret aussieht, da es
       aus datenschutzrechtlichen Gründen keinen Zugriff auf die Grundbücher gibt.
       Zusätzlich sinke der Bestand der Sozialwohnungen trotz der hohen
       Wohnungsbauzahlen, die der rot-grüne Senat in den vergangene Jahren
       vorweisen konnte.
       
       In Anlehnung an die [4][Berliner Modelle zur Vergesellschaftung von
       Wohnraum] schlägt die Initiative die Einrichtung einer Anstalt des
       öffentlichen Rechts (AöR) vor, die 100.000 Wohnungen verwalten soll.
       Juristische Grundlage ist der Artikel 15 des Grundgesetzes, der die
       Vergesellschaftung von Grund und Boden, Naturschätzen und
       Produktionsmitteln zum Zwecke der Allgemeinheit gegen Entschädigungen per
       Gesetz ermöglicht. Diese und weitere Kosten sollen von der AöR berechnet
       werden. Die Kommission soll sich paritätisch zusammensetzen und
       verschiedene Perspektiven berücksichtigen.
       
       ## Daten in Grundbüchern nicht zugänglich
       
       Abgeordnete reagierten mit Skepsis. Auf deren Fragen hatte die Initiative
       aber immer eine souveräne Antwort parat. So schlug Ralf Niedmers (CDU) vor,
       der von der Initiative zur Verwaltung der Wohnungen vorgeschlagene AöR
       „Alice im Wunderland“ zu nennen. Weniger hochmütig kritisierte Niedmers die
       unzureichende Datenlage und fragte häufig nach der Finanzierbarkeit des
       Vorhabens. Dem entgegnete „Hamburg enteignet“, dass die von der Initiative
       geforderte Kommission genau solche Fragen zur Finanzierbarkeit behandeln
       solle. Das Argument mit der unzureichenden Datenlage wiesen sie mit Verweis
       auf die Intransparenz der Grundbücher zurück, genaue Zahlen und Fakten zur
       Eigentümerstruktur seien nicht öffentlich bekannt.
       
       Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Kienscherf reagierte skeptisch.
       Volksabstimmungen bräuchten eine gewisse Klarheit, sagte er. „Sie sagen
       selber: Sie haben keine Ahnung davon. Das soll alles eine Komission machen.
       Hamburger*innen sollen darüber entscheiden, was noch gar nicht klar
       ist.“ Marleen Neuling von der Initiative entgegnete: „Wir wollen eine
       Rekommunalisierung und Demokratisierung der Wohnungen, das ist doch
       ziemlich einleuchtend.“ Die SPD habe aber Sympathie, so Kienscherf, „wenn
       es um gewisse Unternehmen auf dem Wohnungsmarkt gibt. Auch wir glauben,
       dass man mit Wohnraum nicht spekulieren darf.“
       
       Weniger skeptisch ist Heike Sudmann von den Linken. Über Vergesellschaftung
       zu reden sei sinnvoll, die Initiative sei der „absolut saubere Weg“. Wenn
       es so weiterginge „mit dieser Politik der ganz kleinen Stellschrauben, dann
       muss man den Mieter*innen sagen, dass die sich die Wohnungen nicht
       leisten können“.
       
       Neuling von der Initiative versteht die Skepsis nicht. „Demokratie kostest
       nun mal Geld. Wir haben 18.000 Gespräche geführt. Hamburger*innen haben
       Skepsis, ob sie sich noch eine Wohnung leisten können und ob die Politik
       etwas bewirkt. Wir haben Gemeinsamkeiten: Spekulationen mit Wohnraum ist
       nicht gut. Lassen Sie uns eine Kommission einrichten“.
       
       Unterstützung hat bislang nur die Linke signalisiert, alle anderen Parteien
       lehnen sie ab oder haben sich nicht eindeutig geäußert. Übernehmen wird die
       Bürgerschaft sie also wahrscheinlich nicht. Der nächste Schritt wäre nun
       ein Volksbegehren. Dafür muss die Ini nun in einer Frist von drei Wochen
       65.000 Unterschriften sammeln.
       
       17 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://hamburg-enteignet.de/de/
 (DIR) [2] /Vergesellschaftung-von-Wohnraum/!5918685
 (DIR) [3] /taz-Salon-in-Hamburg/!5924872
 (DIR) [4] /DW-Enteignen-plant-neues-Volksbegehren/!5936256
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nur Maulawy
       
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