# taz.de -- Habecks Suche nach Gaslieferanten: Schmutzige Realpolitik
       
       > Gewiss, es ist ein Trauerspiel, dass ein grüner Minister mit Autokraten
       > am Golf über Erdgas verhandelt. Doch es ist das kleinere Übel.
       
 (IMG) Bild: Es ist anders gekommen als erträumt: Habeck im Gespräch mit dem Emir von Katar am Sonntag in Doha
       
       Es ist wie bei der berühmten Wahl zwischen Pest und Cholera: Wenn
       Deutschland sich bei den Gaslieferungen möglichst rasch aus der
       Abhängigkeit von Russland lösen will, dann müssen andere Lieferanten her.
       Und dazu zählen eben nicht nur so honorige Länder wie etwa Norwegen, dem
       Bundeswirtschaftsminister Robert [1][Habeck bereits einen Besuch
       abgestattet hat. Sondern auch Diktaturen wie Katar].
       
       Die Menschenrechtslage in diesem Golfemirat ist notorisch schlecht. Ein
       aktueller Bericht von [2][Amnesty International] zeigt auf, dass angebliche
       Verbesserungen für die dort beschäftigten ausländischen Sklavenarbeiter nur
       auf dem Papier stehen. Weder können sie ihren Job frei auswählen noch
       kündigen und eine neue Arbeit suchen. Über die Vereinigten Arabischen
       Emirate, Habecks Besuchsstation an diesem Sonntag, schreibt die
       Menschenrechtsorganisation in ihrem letzten Jahresbericht: „[3][Die
       Behörden duldeten weiterhin keine politische Opposition und inhaftierten
       Andersdenkende.]“
       
       Es ist ein Trauerspiel, dass nun ausgerechnet ein Minister der Grünen –
       einer Partei, die stets besonderen Wert auf die Einhaltung der
       Menschenrechte gelegt hat – mit den Autokraten am Golf über die Lieferung
       von Erdgas verhandelt, einem Energieträger, den die Partei doch so schnell
       wie möglich verbannen wollte. In einem Drecksland um die Lieferung von
       Schmutz zu betteln – kann ein Grüner noch tiefer sinken?
       
       Doch ein solcher Vorwurf ist allzu billig. Auch wer das Wort
       „alternativlos“ ablehnt, muss erklären, woher die Energie denn bitte sonst
       kommen soll, um deutsche Wohnstuben zu heizen. Die Abhängigkeit von
       Russland ist jedenfalls nicht den Grünen anzulasten. Eine Umstellung auf
       klimaschonende Energiequellen ist nicht in sechs Monaten zu
       bewerkstelligen. Schnell gehen mit dem Abschied vom russischen Erdgas
       sollte es aber schon, wenn man nicht länger Russlands imperiales
       Machtstreben unterstützen will.
       
       Katar und die Emirate sind seit Jahrzehnten finanzstarke und gerne gesehene
       Geschäftspartner deutscher Unternehmen. Kaum jemand hat sich bisher daran
       gestört, sieht man einmal von Debatten über die kommende Fußball-WM dort
       ab. Wenn Robert Habeck nun zum Kauf von Erdgas auf die Reise geht, bedeutet
       das, dass die Grünen zu beschissenen Zeiten in einer schmutzigen
       Realpolitik angekommen sind.
       
       Sie haben sich ihre Regierungsverantwortung vor ein paar Wochen gewiss
       anders vorgestellt – mit Windrädern, Solarzellen und einer eingeschränkten
       Rüstungsexportpolitik. Es ist anders gekommen als erträumt. Schuld daran
       trägt nicht Robert Habeck, sondern ein gewisser Wladimir Putin.
       
       20 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.tagesschau.de/inland/habeck-gasversorgung-winter-katar-emirate-103.html
 (DIR) [2] https://www.amnesty.de/allgemein/pressemitteilung/katar-fussball-menschenrechte-arbeitsrechte
 (DIR) [3] https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/vereinigte-arabische-emirate-2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Hillenbrand
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Robert Habeck
 (DIR) Katar
 (DIR) Gas
 (DIR) GNS
 (DIR) IG
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Korallenriff
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR)  taz на русском языке
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Robert Habeck zur Energieversorgung: „Ich bin nicht Minister für Grüne“
       
       Er wollte Windräder bauen, jetzt kämpft er für billiges Benzin. Der
       Wirtschafts- und Klimaminister erklärt, warum er gegen ein Gas- und
       Ölembargo ist.
       
 (DIR) Korallensterben in Australien: Die Fische werden grau
       
       Mit den bunten Korallen verschwinden auch die bunten Fische. Das haben
       Forscher*innen aus Australien herausgefunden.
       
 (DIR) 100 Tage Ampel: Aufbruch im Krieg
       
       Die Ampel hat einige Glaubenssätze aufgegeben. Doch das zentrale Projekt
       soll nun noch schneller realisiert werden.
       
 (DIR) Studie zu Energie aus Russland: Bis 2027 abhängig von Putins Gas
       
       Erst in fünf Jahren lässt sich die strukturelle Abhängigkeit von Gas aus
       Russland in Deutschland beenden, schreibt der Thinktank Agora Energiewende.
       
 (DIR) Daten des Umweltbundesamts: CO2-Emissionen wieder gestiegen
       
       Es wurde zu viel geheizt und zu viel getankt. Das zeigt, dass die
       Bundesrepublik klimapolitisch noch nicht auf dem richtigen Kurs ist.
       
 (DIR) Neue EU-Sanktionen gegen Russland: Hoher Preis für Putin
       
       Nach Russlands Angriff auf die Ukraine kündigt die EU ein weiteres hartes
       Sanktionspaket an. Doch der Energiesektor soll ausgeklammert bleiben.